Der dritte Debattenbeitrag zum aktuellen Ukraine-Konflikt. Der Autor kritisiert darin die Romantisierung und Verklärung Russlands sowie Putins durch die deutsche Rechte und lehnt die Ansicht, Russland wäre für Deutschland ein geeigneter geopolitischer Partner, ab. Er wünscht sich insgesamt mehr Pragmatismus und weniger „Träumerei“ über Außen- und Geopolitik.
Viele Rechte sehen in Putins Russland und im Präsidenten selbst offenbar ein Vorbild. Heimatlos im politischen Sinne haben sie in Putins Russland ein vermeintlich erstrebenswertes Ziel, einen rettenden Hafen, gefunden. Die Perspektive vieler wirkt dabei fast schon romantisch verklärt, auch wenn vordergründig von Geopolitik die Rede ist. Durch den Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges tritt diese Frage wieder in den Vordergrund.
Putins Patriotismus?
Direkt ans Werk: Putins Patriotismus ist eine Mogelpackung. Er ist so echt, tief und authentisch wie die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Sie wurde im Jahre 2000 fertiggestellt und stellt zwar einen originalgetreuen Nachbau der einstmals am selben Fleck stehenden und von den Sowjets gesprengten Kathedrale dar. Beim Betreten aber wirkt sie unecht, irgendwie falsch. Man merkt, dass hier versucht wurde, etwas zu rekonstruieren, was längst nicht mehr ist.
Russland ging nach dem Zusammenbruch des Kommunismus direkt in einen Raubtierkapitalismus über. Darauf, dass Liberalismus/Kapitalismus und Kommunismus Fleisch vom Fleische sind, gehe ich an dieser Stelle nicht mehr weiter ein – ich setze es in der Rechten als bekannt voraus. Die Mär nun vom durchgreifenden Putin, der die Oligarchen entmachtet und dem Volk sein Eigentum zurückgegeben hat, ist nur bedingt wahr und qua Herrschaftssystem unmöglich. Tatsächlich hat er einige Oligarchen verbannt, andere aber umso stärker an sich gebunden. Auf genau diese wird es jetzt ankommen. Der Druck auf Putin wird steigen, aber vermutlich wird sich niemand rühren. Keiner dieser Leute ist Patriot. Sie haben alle ihre Schäfchen im Trocknen. Ihre Familien leben und studieren im Ausland. Bezeichnend, dass sich Putin mit ihnen umgibt. Sein Vorgehen gegen Gender Studies und LGBT-Quatsch, was von unserer Seite so abgefeiert wird, wäscht ihn nicht rein. Sein System als Vorbild zu sehen, zeugt eher von einer sehr eindimensionalen, ja geradezu platten Sicht auf die Dinge.
Woher kommt diese Sicht also. Es scheint, es liegt am romantischen Bild der Rechten von Russland einerseits und dem ungefilterten Konsum von russischer Staatspropaganda andererseits. Die Informationsbeschaffung ist teils sehr einseitig und natürlich auch schwierig: „unabhängige“ Medien können aufgrund der Sprachbarriere nicht konsultiert werden – übersetzt werden im Grunde nur Staatsmedien. Dementsprechend ist auch das Putin-Bild bei vielen Rechten. Putin ist schon seit längerem eine problematische Figur: die Gerüchte um seinen versteckten Reichtum sowie sein eigenwilliges Gebaren in letzter Zeit – man denke an den 8-Meter langen Tisch – sind das eine. Sein politisches Handeln ist das entscheidende. Seinen Überfall auf die Ukraine hat wohl mit Sicherheit keiner von uns wirklich erwartet. Die Begründungen dafür – Stichwort: Entnazifizierung – sind hanebüchen und das Verbot, in den russischen Medien das Wort „Krieg“ zu nennen, entlarvend – man erinnere sich an deutsche Berichterstattung während des Afghanistankrieges. Es wird zunehmend deutlich, dass Putin nur im Interesse Putins handelt. Er schadet dem russischen Volk und Russland.
Der Fall Nawalny
An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Exkurs zum Thema Nawalny einschieben. Er kann, so denke ich, noch ein paar Impulse bringen – so war in einem Debattenbeitrag zu vernehmen, dass etwas westlich vereinnahmt oder gar unterstützt ist, nur weil es in der Tagesschau vorkommt. Ähnlich scheint es bei Nawalny zu sein. Ihm wird von russischen Staatsmedien vorgeworfen, Nationalist oder Rechtsextremist zu sein – das klingt doch irgendwie vertraut. Es gibt auch Vorwürfe gegen ihn, er störe das friedliche Zusammenleben, Russlands Diversität, er sei intolerant und rassistisch – Spitze des Eisbergs war ein Video, in dem er mit Hitler verglichen wurde.
Diese Vorwürfe beruhen im Grunde auf der Tatsache, dass Nawalny zu Beginn seiner politischen Karriere regelmäßiger Teilnehmer der sogenannten russischen Märsche war, die von Nationalisten und rechten Aktivisten durchgeführt wurden – mittlerweile auch als Folge von Putins Repression sowie innerer Zerwürfnisse jedoch nicht mehr stattfinden. Des Weiteren fußen sie auf dem interessanten Moment, dass Nawalny in seinem Wahlprogramm eine Visumspflicht für die zentralasiatischen Staaten forderte. Hält man sich nämlich in Russland auf, vor allem in den größeren Städten, dann erkennt man einige Ähnlichkeiten zu unseren Verhältnissen – auch hier findet Wirtschaftsmigration in großem Stil statt. Russen leben kaum noch in den Zentren, mit Ausnahme von Reichen. Schwere Arbeiten werden mehrheitlich von Arbeitsmigranten verrichtet, von ihnen wird man beim Einkaufen bedient, sie haben Imbisse, fahren Taxis. Die Stadtzentren sind von ihnen geprägt. Die Gewinner des Systems schätzen sie, weil sie billig sind und nicht fragen. Die Ähnlichkeiten zum Westen liegen auf der Hand.
Nichts davon hört man in unseren Medien. Es passt schlichtweg nicht ins Bild. Ich möchte an dieser Stelle nicht einmal für Nawalny werben – seine Schattenseiten böten Stoff für einen weiteren Text. Es galt lediglich zu zeigen, dass ein Jubel aus westlicher Richtung noch lange nicht bedeutet, dass ein Russe auch westlich ist. Ein Blick ins Geschichtsbuch unterstreicht dies zudem, man denke an den Fall Solschenizyn. Zuerst vom liberalen Westen aufgrund seiner Gegnerschaft zum Kommunismus abgefeiert, entpuppte er sich recht schnell als antiliberaler Intellektueller. Deshalb verbieten sich voreilige Schlüsse in dieser Hinsicht – auch mit Blick auf Weißrussland. Sie greifen oftmals zu kurz und verengen das Bild zu sehr.
Was zu zeigen war, ist die Tatsache, dass wir es beim Kampf Putin vs. Nawalny nicht mit dem kolportierten Kampf Konservativ vs. Liberal oder gar Osten vs. Westen zu tun hatten. Die Gründe für diesen Konflikt sind vermutlich viel banalerer Natur. Vor allem soziale Fragen spielen hier eine Rolle, nicht aber tiefgreifend weltanschauliche. Eine Form von westlich geprägtem Kapitalismus forderte eine andere heraus. Nichts weiter.
„Anheften“ an Russland?
Was erwartet man sich also von einem „Anheften“ an Russland? Will man, um mit Ernst von Salomon zu sprechen, den deutschen Teufel mit dem russischen Beelzebub austreiben? Und inwiefern soll Deutschland Russland auf Augenhöhe begegnen? Deutschland würde sich schlichtweg von einem Vasallenverhältnis ins andere begeben. Darauf machte, nebenbei bemerkt, bereits Armin Mohler aufmerksam, laut dem Russland als Partner nur in Frage kommt, wenn Deutschland auf einer Ebene mit ihm verhandeln kann. Das war damals und das ist auch heute nicht der Fall. Ein solcher Bund muss zeitgemäß, immer neu beurteilt werden. In dieser Hinsicht ist auch das ständige Rekurrieren auf Bismarck problematisch und auch ermüdend. Bismarck warnte immer vor der Unberechenbarkeit Russlands und hätte nie an ein romantisches Bündnis geglaubt. Er war ein Pragmatiker, vielleicht der einzige Geostratege, den Deutschland gekannt hat. Das berühmte Bismarck-Zitat – ich erspare es den Lesern an dieser Stelle – ist vielleicht auch eher in diesem Zusammenhang zu verstehen. Es hatte etwas demonstratives. Bismarck hat es sicher mit einem Hintergedanken gesagt. In seiner Determiniertheit widerspräche es schlichtweg seinem Pragmatismus.
Fazit
Was bleibt also? Das Schlusswort des letzten Absatzes nimmt es bereits vorweg. Wir brauchen mehr Pragmatismus. Russland ist für uns im derzeitigen Augenblick keinesfalls ein geeigneter Partner, an den wir uns „heften“ sollten – wir sind auch gar nicht in der Lage dazu. Sollte man sich also Zelenskijs Ukraine verschreiben? Keinesfalls: Die Ukraine gibt sicher ein leuchtendes Beispiel an Patriotismus und Aufopferungswille und sie beherbergt eine Menge guter Leute. Aber auch sie werden am Ende den Kürzeren ziehen – sowohl unter Putin, als auch unter Zelenskij, sollte er tatsächlich obsiegen. Auch diese beiden sind Fleisch vom Fleische, das muss klar sein. Was also tun: Wir sollten schleunigst alle Illusionen und romantischen – teils auch pazifistischen – Affekte über Bord werfen und uns auf unsere Arbeit konzentrieren. Gerade mit letzterem wären rechte Politiker dieser Tage gut beraten. Das Phantasieren über Außenpolitik – oder meinetwegen: Geopolitik – deutet darauf, wonach wir uns eigentlich alle sehnen, aber darunter darf die politische Arbeit nicht vernachlässigt werden.
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