Aleksandr Dugin: Die Rückkehr des Eurasiers?

Seit Beginn des Ukrainekrieges wird von deutschen Journalisten eine Rückkehr, gar der endgültige Siegeszug der eurasischen Bewegung herbeigeschrieben. Ein alter Vertrauter der europäischen Rechten, Alexander Gelewitsch Dugin, tritt vermeintlich aus dem Schatten. Doch wie groß ist der Einfluss des Philosophen auf den russischen Präsidenten tatsächlich?

Ein Gastbeitrag von Josef Ram

Lange war es ruhig um ihn, jetzt scheint er mit einem Mal wieder da zu sein. Alexander Dugin hat nach acht Jahren der relativen Stille wieder die ein oder andere Interviewanfrage wahrgenommen. Woher also das plötzlich wieder entflammte Interesse um die graue Eminenz der russischen Rechten?

Es hängt selbstverständlich mit Russlands Kurswechsel in der Ukrainefrage, also mit dem derzeit tobenden Ukrainekrieg zusammen. Dieser bestätigt nämlich in gewisser Weise das, was Dugin bereits vor Jahrzehnten gewusst zu haben meint, ja er verwirklicht quasi sein Lebenswerk, die eurasische Bewegung, unterstellen viele vermeintliche Experten Putin doch, nun die russische Erde endgültig sammeln und das russische Imperium wiedererrichten zu wollen.

Dugin, der vermeintliche Prophet

Sofort springen die ersten Journalisten hervor und reden von Dugin als Putins Einsager oder nennen ihn gar den Philosophen hinter Putin – wie die taz. Der Bayerische Rundfunk geht soweit, ihn nicht nur als Einflüsterer Putins zu bezeichnen, sondern ihn kurzerhand zum angesehenen Mainstream-Autor zu erklären. Woher er diese Informationen nimmt, bleibt schleierhaft. Dugins Medienpräsenz zeugt jedenfalls nicht davon. Selbst jetzt, da seine Forderung, die Ukraine anzugreifen, erfüllt wurde, kam er in der staatlichen Nachrichtenagentur RIA ein einziges Mal zu Wort. Selbiges Bild präsentiert sich bei der größten Nachrichtenagentur TASS.

Die Argumentation bei taz und BR baut dabei auf dem Faktum auf, dass Dugin ja bereits vor Jahren den Angriff auf die Ukraine gefordert habe und dass dieser quasi Kernpunkt seiner eigenen Agenda sei, die Putin jetzt im Begriff sei, auszuführen. In der taz fordert man gar, Putin von nun an als einen „Revolutionär im Geiste des rechtsextremen Dugin zu begreifen“. Warum man das muss, wird dabei nicht schlüssig begründet. Man unterstellt Putin kurzerhand, jetzt endlich im Sinne Dugins zu handeln – und das im Grunde auch immer schon gewollt zu haben.

Putin vs. Putin

Interessanterweise schließen sich beide Zeitungen damit gewissermaßen Dugins eigenen Vorstellungen an, der in seinem Buch „Putin protiv Putina“ (zu deutsch: Putin gegen Putin) die These aufstellt, dass der russische Präsident zweigeteilt sei: in eine sonnen- und in eine mondhafte Seite. So gebe es auf der einen Seite den sonnenhaften Putin mit seiner – vermeintlich Duginschen – Gesinnung und den mondhaften Putin, der als verantwortungsbewusster Staatsmann ganz im Sinne des russischen Staates handele.

Für Dugin, der Putin als Messias verklärt, hat das Warten nun scheinbar ein Ende und der sonnenhafte Putin hat im russischen Präsidenten endlich den Sieg davongetragen, wie er in einem Interview für den Moskovskij Komsomolec konstatiert – auf das sich auch der BR bezieht. Nun würde er sich endlich an das Werk machen, das russische Imperium wieder zu errichten und anschließend auch das eurasische Projekt zu verwirklichen. Genau davor warnen nun auch die Journalisten von taz, heute.at und BR.

Prediger in der Wüste

Diese Warnungen sind aber wohl gelinde gesprochen etwas überzogen. So wird von allen drei Medien in plakativster Art und Weise das Bild erzeugt, Dugin würde im Hintergrund heimlich die Strippen ziehen. Fakt ist, dass Alexander Dugin seit Jahrzehnten ähnliche Forderungen stellt, die bisher nie erfüllt wurden. Weder 2008 in Georgien noch vor zwei Jahren in Belarus oder dieses Jahr in Kasachstan – alle drei Länder wären wohl leichte Beute für Russland gewesen. Niemals griff Putin zu, wofür Dugin ihn stark kritisierte, ja schließlich verstummte.

Es liegt also der Eindruck nahe, dass die Gründe für den Einmarsch in die Ukraine letzten Endes woanders liegen und wohl in Sphären getroffen wurden, zu denen Dugin nachweislich keinen Zutritt hat. Viel näher an der Wahrheit ist wohl die Annahme, dass Dugin womöglich einfach ein ausgezeichneter geopolitischer Denker ist und daher schlichtweg vorhergesagt hat, was einer gewissen Logik folgend früher oder später einfach passieren musste. Dass Putins Handeln nun aber aus dem Einfluss, den Dugin auf ihn hat, resultiert, ist wohl mehr als an den Haaren herbeigezogen.

Historische Logik

Der Bayerische Rundfunk verrät ungewollt sogar, dass Dugin selbst sich über seine Position im russischen Koordinatensystem vermutlich durchaus im Klaren ist. So schreibt er, dass dieser sich nicht dazu äußern wolle, ob Putin seine Bücher liest und ob sie korrespondieren, stattdessen antwortet er vielsagend: „Wir lesen die gleichen Schriftzeichen, die in goldenen Lettern am Himmel der russischen Geschichte geschrieben sind.“

Dugins und Putins Denken und Handeln folgt also sicher einer gewissen historischen Logik, wodurch sich Übereinstimmungen ergeben. Dugins direkter Einfluss auf Putin ist dabei aber wohl eher gering.

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