„Uns gehört die Zukunft“: Exklusiv-Interview mit Damien Rieu zu Eric Zemmour

Trotz seiner deutlichen Wahlniederlage hat Eric Zemmour in Frankreich und Europa für viel Aufmerksamkeit und Furore gesorgt. Das ist ihm vor allem durch die offensive und rücksichtslose Thematisierung des Großen Austausches gelungen. Wir haben es nun geschafft, eine zentrale Person aus seinem Wahlkampf- und Organisationsteam für ein exklusives Interview zu gewinnen: Damien Rieu spricht darin über die Hintergründe des Wahlkampfes, die metapolitische Bedeutung Zemmours, den Machtkampf mit Marine Le Pen und warum der patriotischen Rechten die Zukunft gehört.

Heimatkurier: Lieber Damien! Bevor wir mit den Fragen zu der Wahl in Frankreich und ihren Folgen beginnen, möchtest du dich unseren Lesern kurz vorstellen und erklären, welche Rolle du bei dieser Wahl gespielt hast?

Damien Rieu: Mein Name ist Damien Rieu, ich bin ein Franzose aus Lyon und 32 Jahre alt. Ich bin seit 2007 identitärer Aktivist in Frankreich und Europa. Meine ersten Erfahrungen habe ich bei der „Génération identitaire“ gesammelt, die ich 2012 während unserer Besetzung der im Bau befindlichen Moschee in Poitiers mitgegründet habe. Ich habe auch an mehreren Defend Europe-Aktionen teilgenommen, insbesondere an der 2017 im Mittelmeerraum, gemeinsam mit Martin Sellner. Parallel dazu habe ich mich ab 2015 in der Parteipolitik, nämlich beim damaligen Front National (heute: Rassemblement National) engagiert. Schließlich habe ich mich im Januar dieses Jahres Eric Zemmour angeschlossen, dem Präsidentschaftskandidaten der Partei „Reconquête!“. Für die Partei arbeite ich im Bereich Kommunikation, Social Media und Marketing.

Du warst in dieser Funktion stark im Wahlkampf von Eric Zemmour involviert. Wie fällt unter diesem Gesichtspunkt deine erste Bilanz der Wahl aus? Inwiefern war die Niederlage in der ersten Runde enttäuschend und was waren die Gründe dafür?

Wir sind natürlich vom Ergebnis enttäuscht. Aber die finale Analyse bleibt eine Positive: Aus dem Nichts und in wenigen Monaten hat Zemmour eine politische Bewegung mit 120.000 Mitgliedern geschaffen – die damit bereits die größte in Frankreich ist – sowie politische Persönlichkeiten aus allen Bereichen der Rechten um sich geschart, darunter einige Prominente wie Marion Maréchal Le Pen. Mit seiner polarisierenden Kampagne, in deren Mittelpunkt die Frage des „Großen Austausch“ stand – sein Slogan lautete „Pour que la France reste la France“ -, lag er im Februar bei 15 % in Umfragen und war potenziell für die Wahl gegen Macron qualifiziert. Doch der Krieg in der Ukraine führte leider zu einem „Rückzugs“-Wahleffekt, einem legitimistischen Reflex zugunsten des scheidenden Präsidenten und der älteren Kandidaten.

Marine Le Pen profitierte dann in der zweiten Phase von einer „taktischen“ Stimmabgabe, da die täglichen Umfragen ihr eine bessere Platzierung bescheinigten. Die Angst vor der extremen Linken spielte ebenfalls eine Rolle, da auch Jean-Luc Mélenchon anfing, die gesamte linke Wählerschaft abzusaugen: Der Effekt der taktischen Wahl zugunsten von Marine Le Pen wurde dadurch verdoppelt. Zwischen der gekonnt geschürten Covid-Hysterie und dem Krieg in der Ukraine fand die Debatte, die die Franzosen brauchten und die Zemmour erzwungen wollte, nicht statt. Ohne den Krieg wäre der „taktische Wahl“-Effekt Zemmour zugute gekommen.

Wir haben schließlich 7 % der Stimmen erhalten. Außerdem zeigen Umfragen, dass 34% der Wähler von Marine Le Pen im ersten Wahlgang „taktisch“ gewählt haben und somit ohne den Druck der Umfragen lieber Zemmour gewählt hätten. Unser tatsächliches Potenzial liegt also bei etwa 12%. Für einen ersten Versuch mit einer neuen Bewegung in einem rechten politischen Segment, das man für erstarrt hielt, ist das in Frankreich bereits eine unglaubliche Leistung. Zum Vergleich: Jean-Marie Le Pen hatte 1974 nur 0,75% der Stimmen erhalten.

Welche metapolitischen Auswirkungen hatte Zemmours Auftritt trotz des Misserfolgs in der ersten Runde und wie hat er die Rechte in Frankreich nachhaltig geprägt?

Es gibt zwei Zemmours. Seine Präsidentschaftskandidatur war die Folge eines über Jahrzehnte strukturierten metapolitischen Vorgehens. Zunächst war Éric Zemmour ein offen rechtsgerichteter Journalist und Essayist, doch seit Anfang der 2000er Jahre war er eine wichtige Figur im intellektuellen und medialen Leben Frankreichs. Er war immer sehr mutig, wenn es um identitäre Themen wie Einwanderung und Islamismus ging, aber auch gegenüber der Political Correctness, für Meinungsfreiheit oder gegen die Gender-Ideologie. Seine Herkunft – sein Vater war ein Berber aus Französisch-Algerien -, seine jüdische Kultur und seine perfekte Assimilation haben es ihm ermöglicht, ideologisch und verbal sehr weit zu gehen: Er hat zum Beispiel das Konzept des Großen Austausch angenommen und popularisiert, wo andere berechtigte Angst hatten, „gecanceled“ zu werden. Gegenüber Jacques Attali verteidigte er das Recht der „Franzosen, die seit tausend Jahren da sind, noch tausend Jahre da sein zu wollen“ und nicht ersetzt oder durchmischt werden zu wollen. Zemmour hat mit seiner Herkunft und seinem Werdegang gespielt, um zahlreiche Tabus zu brechen. Mit seinen Büchern und Medienauftritten hat er wesentlich dazu beigetragen, dass eine ganze Generation junger Franzosen ihre Identität erwachte. Das ist sein erster Erfolg.

Zweitens hat sein politischer Wandel trotz der Niederlage große Fortschritte ermöglicht. Parallel zu Reconquête hat sich die Génération Zemmour gebildet, eine Jugendbewegung von unglaublicher Vitalität, die die Entstehung talentierter zukünftiger politischer Führungskräfte verspricht. Zemmour hat es auch geschafft einige politische, ideologische und intellektuelle Dämme zu brechen: Die Einheit der Rechten ist zwar noch nicht vollendet, aber unbestreitbar eingeleitet, sowohl in der Wählerschaft als auch durch das Zusammenkommen wichtiger Figuren auf der Rechten und bei grundlegenden Themen.

Vor kaum acht Monaten wurde der Begriff „Grand remplacement“ von der gesamten politisch-medialen Klasse als „radioaktiv“ betrachtet. Zemmour hat ihn benutzt und durchgesetzt und einige Umfragen zeigen, dass 67 % der Franzosen sich über den Bevölkerungsaustausch Sorgen machen. Zemmour hat auch ein Ministerium für Remigration vorgeschlagen, ein weiteres Tabu-Konzept: 55 % der Franzosen haben in Umfragen dieses Projekt unterstützt. 66 % der Franzosen stimmten sogar mit der allgemeinen Idee der Remigration überein, ohne unbedingt von einem Ministerium sprechen zu wollen! Zu sehen, wie unsere Ideen auf diese Weise auftauchen und ins Zentrum der politischen Debatte gelangen, ist unglaublich. Er hat das Overton-Fenster mit einer irren Geschwindigkeit verschoben. Er will Frankreich retten und nicht reformieren!

Was sind nun die Pläne von Eric Zemmour? Hat er vor, politisch aktiv zu bleiben oder sich zurückzuziehen? Wie siehst du deine persönliche Rolle im politischen Kampf in Frankreich?

Eric Zemmour hat angekündigt, dass er den politischen Kampf fortsetzen möchte. Vielleicht wird er auch für die kommenden Parlamentswahlen kandidieren, obwohl das in Frankreich nicht unbedingt notwendig ist, da wir kein Verhältniswahlrecht haben. Es ist überall sonst in Europa dank des Verhältniswahlrechts fast automatisch, dass politische Führer auch gewählte Vertreter sind; in Frankreich hängt das politische Gewicht der Partei und damit die Legitimität ihres Führers eher vom Wahlergebnis als von der Zahl der gewählten Vertreter ab. Von 2017 bis 2022 war die RN de facto die größte Oppositionspartei mit nur 8 von 577 Abgeordneten und 1 von 348 Senatoren. Emmanuel Macron wurde nie in ein anderes Amt als das des Präsidenten der Republik gewählt.

Zemmour will auch sein metapolitisches Werk fortsetzen, insbesondere durch die Ausbildung und Schulung der patriotischen Jugend. Dank ihm sind wir in einer starken Position, mit einer großen Partei, stabilen Finanzen und vielen jungen Aktivisten, die dazu prädestiniert sind, die politischen Kader von morgen zu werden. Das gibt es in Frankreich – abgesehen von der extremen Linken – kaum noch.

Was mich betrifft, so möchte ich meine Erfahrung als Aktivist in den Dienst dieser beiden Projekte stellen: Die Partei und das metapolitische Projekt, insbesondere in den sozialen Netzwerken. Ich werde an so vielen Fronten tätig sein, wie es meine Energie zulässt. Ich kandidiere auch als Abgeordneter der französischen Nationalversammlung im Wahlkreis Menton in Südfrankreich. Dort liegt die Grenze zu Italien, die viele illegale Migranten passieren, um nach Frankreich und dann weiter nach England zu gelangen.

Marine Le Pen hat in der zweiten Runde deutlich gegen Macron verloren, wie schon 2017. Gibt es also noch eine realistische Chance für die Rechte in Frankreich?

Der Wahlkampf in Frankreich ist kompliziert, weil die meisten unserer Wahlen in zwei Runden stattfinden, was dazu führt, dass wir zwar im ersten Wahlgang fast immer die Nase vorn haben, aber im zweiten aufgrund des „cordon sanitaire“ fast immer verlieren. Dieser Reflex ist jedoch im Schwinden begriffen.

Es gibt aber noch zwei weitere Gründe für die Niederlage von Marine Le Pen. Erstens ist sie nicht auf der Höhe der Zeit und jeder weiß das. Seit 2017 ist klar, dass sie nicht über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt, um das Land zu führen. Ihre Debatte mit Macron im Jahr 2022 hat es bestätigt: Sie wurde von ihm dominiert. Die Wähler werden ihr niemals mehrheitlich vertrauen. Zweitens: Sie ist nicht rechts. Und sie steht dazu, indem sie ein patriotisch-populistisches Programm mit sozialistischer Tendenz vertritt. Sie versteht nichts von einer konservativen politischen Philosophie und ist sehr etatistisch, ja sogar jakobinisch. Sie spricht so wenig wie möglich über identitätsbezogene Themen, weil sie glaubt, dass sie durch die Mitte gewinnen wird. Damit richtet sie großen Schaden an, denn ihre Wähler identifizieren sich mit ihr und Le Pen lässt sie glauben, dass die identitäre Frage zweitrangig ist.

Das Projekt von Zemmour und seinen Führungskadern, eine Partei der authentischen, einflussreichen und intelligenten Rechten zu gründen, ist daher lebensnotwendig. Es bietet den verschiedenen rechten Wählerschaften, trotz ihrer sozioökonomischen Unterschiede, endlich eine gemeinsame politische Heimat. Politik wird auf lange Sicht gemacht: Der Start ist schwächer als erhofft, aber alle Signale deuten darauf hin, dass uns die Zukunft gehört.

Wie geht es in Frankreich weiter? Vor welchen Herausforderungen steht Macron und welche Perspektiven hat das rechte Lager? Und vor allem: Wie stehen die Chancen für ein einheitliches Rechtsbündnis, das die beiden Lager Zemmour und Le Pen vereint?

In den nächsten Wochen werden wir darum kämpfen, so viele Abgeordnete wie möglich zu bekommen. Leider hat der RN ein Bündnis mit Reconquête kategorisch abgelehnt, obwohl 74 % seiner Wähler dies befürworten. Das wird unweigerlich die Stimmen der Rechten spalten und uns daran hindern, in einer Reihe von Wahlkreisen, die für uns gut wären, zu gewinnen oder uns auch nur zu qualifizieren.

Hinter dieser Entscheidung des RN steht ein doppelter Wille: einerseits, die Bewegung von Zemmour im Keim zu ersticken, um im rechten Wahlsegment keinen direkten Gegner zu haben, und möglichst viele staatliche Gelder zu erhalten, da diese nach der Anzahl der Stimmen berechnet werden. Da der RN abgrundtief verschuldet ist, braucht er eine hohe öffentliche Finanzierung, um weiterzumachen: Marine Le Pen hat daher lieber Stimmen als Abgeordnete. Das ist eine gravierende Haltung und ein echter Verrat an den patriotischen Franzosen. Hoffentlich werden sie sich dessen bewusst und begreifen, dass es höchste Zeit ist, aus der Le-Pen-Sackgasse herauszukommen.

Macron, der mit einer Mehrheit der Stimmen von Menschen gewählt wurde, die vor allem Marine Le Pen verhindern wollten, wird sich mit zahlreichen Krisen auseinandersetzen müssen, die er offensichtlich überhaupt nicht bewältigen kann. Dazu zählt insbesondere die Explosion der Energiepreise. Da es sich um seine zweite und letzte Amtszeit handeln wird – unsere Verfassung verbietet eine weitere Amtszeit – versprechen die kommenden fünf Jahre für das französische Volk äußerst brutal zu werden: Noch einmal zwei Millionen zusätzliche Einwanderer, heftige Unterdrückung von Demonstrationen, Lebenshaltungskosten, die erheblich steigen werden und so weiter. Die soziale und demographische Situation wird explosiv sein.

Viele Patrioten und Rechte in Europa haben die Wahlen in Frankreich mit großer Hoffnung auf einen möglichen Umsturz verfolgt. Wie wird sich das Ergebnis auf die politische Situation in Europa insgesamt auswirken? Und was ist deine Botschaft an diejenigen, die vom Scheitern von Zemmour und Le Pen enttäuscht sind?

Dank Zemmour haben wir im metapolitischen Kampf zwanzig Jahre aufgeholt. Er hat es gewagt, über die für uns relevanten Themen zu sprechen, und zwar in den klarsten Worten, die es gibt. Er hat die Identitätsfrage in Frankreich völlig entkrampft und gezeigt, dass eine große Mehrheit der Menschen – einschließlich derer, die nicht für ihn stimmen, einschließlich der Wähler von Macron oder der Linken – unsere Feststellung teilt: Der Große Austausch ist eine Realität und die Remigration ist die Lösung!

Auch hier gilt: Politisches Handeln erfolgt über einen längeren Zeitraum. Zemmour hat Maßstäbe gesetzt, hat Begriffen und Themen, die wir mehr als fünfzehn Jahre lang nur an den Rändern vertreten haben, zum Durchbruch in der politischen Sphäre eines großen europäischen Landes verholfen. Das ist ein Sieg für uns, ein gewaltiger Sieg, der sich zwangsläufig auf die französische und europäische Politik auswirken wird. Übrigens leisten Ungarn und Polen Widerstand, Dänemark ebenfalls, sogar Schweden wird sich seiner Fehler bewusst! Die Mentalität ändert sich überall, die Augen der Menschen öffnen sich. Langsam, vielleicht auch zu langsam, aber lasst uns lieber kleine Siege erringen als von der „großen Wende“ zu träumen. Lasst uns den Kampf unermüdlich fortsetzen, denn ein Kampf ist erst dann wirklich verloren, wenn man aufgibt!

Wir bedanken uns bei Damien Rieu für die interessanten Einblicke und wünschen ihm sowie Eric Zemmour für den politischen Kampf in Frankreich nur das Beste!

Eine weitere Analyse zum Wahlausgang und zur politischen Lage in Frankreich man hier.

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