VS-Beobachtung von Junge Alternative & Co – Im Gespräch mit Daniel Fiß

Die Junge Alternative wird seit einigen Tagen hochoffiziell vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Grund? Ihr vermeintlich „rechtsextremes“ Volksverständnis. Daniel Fiß, ehemaliger Obmann der Identitären Bewegung Deutschland, kennt diese Argumentation nur zu gut: Er selbst hat deshalb über fünf Jahre lang gegen den VS prozessiert und dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen. Wir haben mit ihm über die fragwürdige Rolle der Schlapphüte, die Notwendigkeit des juristischen Widerstandes sowie die angesichts dessen drängende theoretisch-weltanschauliche Aufgabe des rechten Lagers gesprochen.

Geht es nach dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz, sind Volk und Heimat „gesichert rechtsextrem“. Nur so ist es zu erklären, weshalb die Behörde kürzlich nicht nur die Junge Alternative, sondern auch den Verein „Ein Prozent“ sowie das neurechte „Institut für Staatspolitik“ hochoffiziell unter Beobachtung stellte. Wir haben diesbezüglich bereits mit Anna Leisten, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Alternative, über die unmittelbaren Konsequenzen dieser Entscheidung gesprochen. Nun konnten wir Daniel Fiß für ein Gespräch gewinnen, der in seiner ehemaligen Funktion als Obmann der Identitären Bewegung Deutschland (IBD) über fünf Jahre lang gegen die Schlapphüte prozessierte.

Heimatkurier: Lieber Daniel! Am 26. April gab das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt, die Junge Alternative als „gesichert rechtsextrem“ einzustufen – ebenso wie den Verein „Ein Prozent“ sowie das neurechte „Institut für Staatspolitik“. Hat dich diese Mitteilung überrascht? Wie lässt sich aus deiner Sicht ihr Zeitpunkt erklären – war hier etwa das Umfragehoch der AfD im Osten ausschlaggebend?

Daniel Fiß: Wirklich überraschend war die Entscheidung weder für mich noch für andere Beobachter. Insbesondere weil die vorherige Verdachtsfallbeobachtung auch an gewisse Fristen gebunden ist, wonach sich der „Verdacht“ der Verfassungsfeindlichkeit entweder bestätigt oder eben nicht. Angesichts der Leitung des Verfassungsschutzes und auch des Innenministeriums und seiner Anti-Rechts Agenda war es wohl auch jedem klar, in welche Richtung die Entscheidung gehen würde. Für die Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ braucht es dann auch nicht wirklich eine zusätzliche Radikalisierung. Es reicht dem Amt behelfsweise völlig aus, dass inhaltliche Positionen weiterhin vertreten werden.

Die Begründung dieser Entscheidung durch den VS ist bemerkenswert: Die konkreten Aktivitäten und Handlungen spielen bei allen drei Akteuren höchstens eine Nebenrolle, stattdessen wird primär ihr „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“ – also ein Volksbegriff, der die Deutschen über die Staatsbürgerschaft hinaus definiert – problematisiert. Wie lässt sich diese Begründung aus deiner Sicht erklären?

Die Erklärung ist bereits aus der Beobachtung der Identitären Bewegung Deutschland bekannt und Dreh- und Angelpunkt, auf dem eigentlich alle Begründungsstränge des VS aufbauen. Die vermeintlich juristische Rückendeckung holt sich der VS dabei aus dem NPD-(Nicht)-Verbotsurteil aus dem Jahr 2017 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das BVerfG hat dabei festgestellt, dass ein ausschließlich nach ethnischen Kriterien definierter Volksbegriff, der diese ethnische Komponente auch an die staatsbürgerlichen Rechte knüpft, verfassungsfeindlich sei. Dieses Verständnis ist durchaus noch einleuchtend. Natürlich brauchen Mechanismen der Staatsbürgerschaftsvergabe auch Kriterien, die über rein ethnische Komponenten hinausgehen. Die untere Gerichtsbarkeit und der VS interpretieren aus dem Urteil jedoch eine grundsätzliche Verneinung des ethnischen Volksbegriffes und lassen hierbei jegliche Differenzierung vermissen. Die Vorstellung eines ethnisch-kulturell definierten Volkes sei per se verfassungsfeindlich. Außerhalb der Summe der Staatsbürger auf dem Gebiet der BRD gäbe es kein anders zu definierendes Volk. Damit spiegelt der VS jedoch nur die Position der NPD und sieht damit das Volk als formalisiertes Konstrukt ohne Geschichte, Herkunft, Tradition und Kultur.

Die Gerichte haben in den Urteilen zur IB-Beobachtung auch keine Grauzonen, Übergänge oder Differenzen zugelassen. Ein ethnisch-kultureller Volksbegriff verstoße auch dann gegen die Garantie der Menschenwürde, wenn dieser nicht absolut gelte. Es wurde der IB sogar als „entlarvend“ ausgelegt, dass sie das Volk eben nicht wie die alte Rechte ausschließlich als genetische Biomasse betrachtet. Durch diesen Hinweis auf die Ablehnung des reinen Biologismus wurde uns unterstellt, wir würden immerhin zu Teilen das Volk auch als Herkunfts- und Abstammungsgemeinschaft betrachten. Wir erleben also beim VS und in der Gerichtsbarkeit die totale Negation des Volkes in seiner historischen Existenz, die natürlich älter ist als das Grundgesetz selbst. Dass diese Prämissen natürlich mit einer Reihe von Widersprüchlichkeiten verbunden sind, scheint die Gerichte kaum zu interessieren. Welches und wie definierte Volk soll denn die Grundlage für das Grundgesetz gewesen sein? Welches und wie definierte Volk soll die Grundlage für die Deutsche Einheit 1990 gewesen sein? Wir haben im Prozess angeführt, dass die Väter des Grundgesetzes damals sicherlich keine multikulturelle und multiethnische Einwanderungsgesellschaft im Blick hatten. Auch das wurde abgewiesen, da es ja um die totale Antithese zu den Verbrechen des NS ging. Warum aber ausgerechnet die multikulturelle Gesellschaft das Gegenbild zum NS darstellen soll, bleibt das Geheimnis des Gerichts

Viele Kommentatoren haben bereits zu Recht festgestellt, dass genau jener Volksbegriff, der für den Verfassungsschutz nun als Grund für die Rechtsextremismus-Einstufung genannt wird, in anderen juristischen Zusammenhängen der BRD durchaus eine Rolle spielt. Etwa, wenn es um die Rechte von Minderheiten (Sorben), Flüchtlinge (Kurden als Volksgruppe) oder die Deutschen im Ausland geht – hier fördert man sogar explizit deren „ethnokulturelle Identität“. Wie lässt sich diese Schizophrenie erklären? Und kann sie als Hebel für die juristische Anfechtung der VS-Entscheidung dienen?

Diese Hebel haben wir natürlich angebracht und sie offenbaren durchaus die Schwächen der VS-Argumentation. Sie helfen sich aber damit aus, dass dies lediglich entweder historische Sonderfälle wären oder lediglich auf nationale Minderheiten zutreffen, was auf die Mehrheitsbevölkerung nicht anwendbar wäre. Das deutsche Volk könne nicht als Träger von Minderheitenrechten klassifiziert werden. Bei den Spätaussiedlerregulierungen kommt hinzu, dass diese nicht mit der Zielsetzung des ethnisch-kulturellen Volkserhalts geschaffen wurden. Es ist dennoch absurd, dass man durchaus bereit ist, Sonderfälle anzuerkennen, aber im gleichen Atemzug den ethnisch-kulturellen Volksbegriff grundsätzlich abzulehnen, selbst wenn dieser nur als Differenzierungskriterium zwischen Staatsbürgerschaft und historischer Kontinuität angewendet wird. Die Gültigkeit des ethnischen Volksbegriffes wird somit auf der Mikrodimension bejaht und auf der Makroebene aber verneint. Das ist in vielerlei Hinsicht schon logisch inkongruent.

Uns allen ist klar: Der Verfassungsschutz ist keine objektive, unabhängige Behörde, sondern ein Herrschaftsinstrument des etablierten Systems. Spätestens seit Corona gibt es auch in der Bevölkerung ein wachsendes Misstrauen gegen die Schlapphüte – bereits Ende 2020 vertrauten ihnen nur noch 42 Prozent der Ostdeutschen und gerade einmal 51 Prozent aller Bundesbürger. Warum sollte man aus deiner Sicht überhaupt den Fehdehandschuh aufnehmen, anstatt den VS einfach VS sein zu lassen?

Der juristische Kampf ist überhaupt erst die Ebene, wo der VS unter Rechtfertigungszwang steht und sich nicht einfach nur auf ein paar Textbausteine aus seiner PR-Abteilung verlassen kann, die auch von einem Praktikanten der Amadeu Antonio Stiftung formuliert sein könnten. Zugleich ist die juristische Auseinandersetzung ein wichtiges Signal an die eigenen Unterstützer und das Sympathisantenumfeld, dass man nicht bereit ist, sich in das gesellschaftliche Ghetto und die Isolation abschieben zu lassen. Ich mache mir nach über fünf Jahren Prozessführung gegen diese Behörde zwar keine großen Erfolgsillusionen mehr, aber der juristische Kampf ist eben eine wichtige Abwehrstellung und auch ein Vehikel für die politische Auseinandersetzung, die man parallel führen muss und dabei natürlich auch Arbeitsweise und Funktion dieses VS-Apparats in Frage stellt.

Du selbst bist mit der Materie bestens vertraut – den jahrelangen, juristischen Kampf gegen die Beobachtung der Identitären Bewegung durch den Verfassungsschutz hast du bereits erwähnt. Auch damals argumentierte die Behörde mit dem Volksbegriff. Bitte schildere unseren Lesern kurz deine Erfahrungen. Welche juristischen Knackpunkte gibt es? Und welchen Rat hast du angesichts deiner Erfahrung an die JA und AfD? Was muss sie tun, welche Fehler müssen vermieden werden?

Die Hintergründe zum ethnisch-kulturellen Volksbegriff habe ich ja bereits ausgeführt. Die IB ist damals auch ohne größere Erwartungen in dieses Verfahren gegangen. Wir haben auch nach dem Austausch der ersten Schriftsätze zwischen den Anwälten schnell erkannt, dass das inhaltliche Zentrum der ethnisch-kulturelle Volksbegriff sein muss. Darin sehe ich auch den Fokus auf künftige Verfahren, die noch viel stärker auch wissenschaftliche Problemstellungen in diesen Fragen mit in das Verfahren einführen müssen. Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass auch die Kanzlei des VS ihre Hausaufgaben gemacht hat. Das sind durchaus Anwälte, die gewisse Problemstellungen erkennen und scharf argumentieren können. Es gibt aber durchaus Schwachpunkte (siehe Minderheitenrechte oder der Verweis auf die migrationspolitische Praxis in Ländern wie Israel, Dänemark, Japan und Ungarn). Hier gibt es durchaus noch mehr argumentative Ressourcen und Potential für künftige Verfahren.

Du selbst hast auf Twitter angemerkt, dass das rechte Lager bereits angesichts des IB-Prozesses alle Ressourcen in das Thema des Volksbegriffes stecken hätte müssen. Provokant gefragt: Warum eigentlich? Ist es nicht ohnehin „selbstverständlich“, was uns als Volk ausmacht? Lenkt zu viel Theorie und Abstraktion hier nicht vom Wesentlichen ab?

Das Dilemma des Volksbegriffes besteht ja einerseits in seiner einerseits klar instinktiven Wahrnehmung, die die Menschen tagtäglich als Lebenspraxis in Sprache, Sitten und sozialen Interaktionen vollziehen und andererseits in seiner schwer zu fassenden Definition, die natürlicherweise immer Graubereiche und Abstufungen beinhaltet. Für den VS ist die Sache natürlich einfach. Zum deutschen Volk gehört jeder, der die formalen Kriterien der rechtlichen Staatszugehörigkeit besitzt. In der Neuen Rechten ist die Debatte aber schon komplexer. Parallelgesellschaften, Islamisierung und so weiter zeigen für uns, dass echte kulturelle Identifikation und Staatsbürgerschaft zwei völlig unterschiedliche Vermittlungsebenen der Zugehörigkeit zu einem Volk vermitteln können. Diese verschiedenen Ebenen müssen auch in einem juristischen Verfahren klarer und konkreter durch historische Beispiele und die Praxis in anderen Ländern klarer abgebildet werden.

Die Erarbeitung eines Volksbegriffes für das 21. Jahrhundert – eine große Aufgabe. Was muss hier aus deiner Sicht konkret (!) geschehen? Welche Probleme hat man als rechtes Lager zu lösen und welche Möglichkeiten gibt es dafür? Und welchen Zeitraum braucht es dafür realistischerweise?

Ich denke kaum einer macht sich noch große Illusionen darüber, dass die Migrationspolitik der letzten Jahrzehnte nicht auch dauerhaft ihren kulturellen Fußabdruck in unseren Völkern hinterlassen wird. Die Frage ist nur, wie groß dieser Abdruck sein darf, sodass wir als europäische Mehrheitsgesellschaften selbstbestimmt und souverän überleben können. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache sind natürlich auch die Fragen nach der ethnokulturellen Identität, Herkunft und Assimilationspolitik zu behandeln. Wir werden keine abstrakten und romantisierenden Debatten mehr über die „Volksseele“ oder ähnliches, sondern eher über den demographischen Selbstbehauptungswillen für Volk und Nation führen. Das alles im Spannungsfeld einer globalisierten Welt.

Lieber Daniel, danke für das Gespräch!

Auf seinem Feldzug-Blog veröffentlicht der Politikberater und Medienagentur-Inhaber regelmäßig Analysen über das politische Geschehen in Deutschland und Europa. Ein Blick lohnt sich!

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