Bundeswehr in Australien: Säbelrasseln der Wertepartner im Indopazifik

Die Bundeswehr nimmt aktuell an einer militärischen Übungsreihe in Australien teil, um ihr „Engagement“ im Indopazifik unter Beweis zu stellen. Doch dient das dem deutschen Volk und der Souveränität des deutschen Nationalstaates? Nein, ganz im Gegenteil, meint Marvin T. Neumann in seinem Kommentar.

Ein Kommentar von Marvin T. Neumann

Infanteristen der Bundeswehr nehmen an »Talisman Sabre 2023« in Australien teil, um die »Interoperabilität mit Bündnis- und Wertepartnern innerhalb und außerhalb der NATO« zu festigen. Es ist das erste Mal, dass deutsche Kampfeinheiten auf dem ozeanischen Kontinent an Übungen teilnehmen.

Doch warum sollte die Bundesrepublik Deutschland daran interessiert sein, eine strukturelle Verflechtung der eigenen Streitkräfte mit anderen Streitkräften, auch außerhalb der NATO-Allianz, zu forcieren? Und weshalb ausgerechnet in Australien, am anderen Ende der Welt?

Weil die Region im Indopazifik laut Generalleutnant Mais »von wesentlicher Bedeutung für die Gestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert« sei. Auf gut deutsch bedeutet das: Die USA müssen ihre größten Konkurrenten, in diesem Fall vor allem China, ausschalten, ehe ihre Weltmacht komplett zerbricht, und wir werden als brave Vasallen dabei zur Seite stehen.

Die geopolitische Feindbestimmung

Polemisch? Sicherlich. Die europäische Rechte streitet spätestens seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs wieder intensiver über Fragen zur Westbindung, dem amerikanischen Hegemon und die korrekte geopolitische Feindbestimmung aus eigener Sicht. Man kann sich das zurechtlegen wie man möchte – keine dominierende Macht auf dem Globus interessiert sich aktiv für die Interessen einheimischer Europäer. Auch Russland und China nicht. Es gibt allerdings nur einen Machtblock, der aktiv gegen diese Gruppe und ihren Selbsterhalt handelt. Und das ist der woke US-Westen.

Dieser steht nun aber nicht auf dem Zenit seiner Macht, sondern hisst seine Regenbogenflaggen, um die Schatten an allen Rändern des Imperiums zu verbergen. Die multipolare Welt dämmert und das Zeitfenster zum Handeln wird kleiner. Nun ist der Proxykrieg in der Ukraine schon keine tagesaktuelle Angelegenheit mehr, die Spannungen zwischen Israel und dem Iran fast in Vergessenheit geraten und auch die Angst vor der Eskalation der Taiwan-Frage ist den realen Ängsten vor Wohlstandsverlust und Messerangriffen in den öffentlichen Verkehrsmitteln gewichen (22 Prozent für die AfD bundesweit sind kein Zufall). Aber die Konfrontationsgefahr ist damit nicht aus den Tagungsräumen der Thinktanks und Militärbehörden verschwunden. Der Indopazifik bleibt der Raum, in dem eine direkte Konfrontation zwischen China und den USA am wahrscheinlichsten ist.

Rivalität zwischen USA und China

Das wissen auch die Offiziere der Bundeswehr. »Der Raum ist institutionell und normativ wenig durchdrungen und von stark zunehmenden Rüstungsdynamiken geprägt. Das ist eine schwierige Gemengelage. Sie wird zusätzlich durch die sich weiter zuspitzende ideologische, politische, wirtschaftliche und militärische Rivalität zwischen den USA und China überlagert.« Aber natürlich gibt es keine neutrale, oder besser gesagt, nationale deutsche Perspektive auf diese Situation. »Deutschland stellt sich seiner Verantwortung für völkerrechtliche Prinzipien wie territoriale Integrität und Freiheit. Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea – diese Nationen sind Wertepartner Deutschlands.« Wertegefasel, das heißt Westbindung in Gestalt der Unterwürfigkeit. Gemeinsame Interessen und der »Ausbau der starken Verbindungen, die zwischen den Nationen bestehen« sei der Grund, weshalb Deutschland sich in diesem Raum einmische. Dass man auch gemeinsame Interessen mit China, Deutschlands größtem Handelspartner, hat? Irrelevant. Es geht um Werte, nicht um nationale Interessen. »Zurückliegende Konflikte, aber auch die Folgen des aktuellen Ukraine-Krieges wirken sich auf die Stabilität im Indo-Pazifik-Gebiet aus« – dass diese Instabilität auch etwas mit bestimmten »Wertepartnern« zu tun haben könnte, kommt natürlich nicht in den Sinn.

Deutschland als Vasall

Die Teilnahme der Bundeswehr an dieser Übung und die offiziellen Verklärungen sind ein exemplarisches Beispiel für die tatsächliche Gestalt des westlichen Militärbündnisses und der deutschen Rolle darin. Hier trifft die Realität der NATO als militärisches Instrument der US-amerikanischen Weltpolitik auf die Schwätzerei vom alternativlosen Verteidigungsbündnis, wie sie auch in den Reihen der AfD so gern als »Realpolitik“ bemüht wird (ungeachtet der Tatsache, dass der Begriff der Realpolitik in der Bismarckschen Tradition eben nicht die Unterwürfigkeit vor dem Status Quo oder Fremdbestimmungsmächten bedeutet).

Die politische Elite der BRD, welche die »dienende Führungsrolle« (Habeck) gegenüber Washington als Leitprinzip deutscher Innen- wie Außenpolitik begreift, zündelt schon eine ganze Weile im Indopazifik. Dass der Auftritt der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses und bekannte Rüstungslobbyisten, Strack-Zimmermann, in Taiwan zu Beginn des Jahres völkerrechtswidrig war, interessiert in Berlin niemanden – Völkerrecht ist natürlich nur dann zu bemühen, wenn der Hegemon es in Anspruch nehmen kann. Die bundesdeutsche Teilnahme in Australien soll so auch nicht die letzte Episode des Säbelrasselns im Indopazifik gewesen sein. Es bedürfe nun einer »regelmäßigen Konsolidierung und Weiterentwicklung gemeinsamer Werte und Fähigkeiten«. Die Formung des woken Werteblocks unter amerikanischer Dominanz gegen die neuen Kräfte der multipolaren Welt schreitet voran und die BRD steht als Lieblingsvasall der US-Eliten natürlich auch mit größten Bemühungen zur Seite.

Hilfstruppe im Dritten Weltkrieg

Das ist es, was als »Zeitenwende« ausgerufen wurde: Berlin wird nun alle Bemühungen in die geostrategischen Ziele der USA (Unterstützung der Ukraine, deutsche Truppenstationierung an der Ostflanke der NATO in Litauen, Bereitstellung von Fähigkeiten im Indopazifik usw.) investieren. Eine Hinwendung zu genuin deutschen, nationalen Interessen – und damit die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr vor Angriffen auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik – war nie wirklich realistisch. Das demonstrative Desinteresse der politmedialen Eliten der BRD an dem Angriff auf kritische deutsche Infrastruktur in der Ostsee durch westliche »Partner« machte dies auch für den letzten deutlich.

Was deutsche Bundeswehrsoldaten als Teil dieser »Allianz«, wie sie sich nun mal im Zuge der 2020er gestaltet, tun dürfen, ist als Hilfstruppe im Dritten Weltkrieg an der indopazifischen Front aushelfen oder als erste im offenen Konflikt zwischen Russland und der NATO bluten. Was sie nicht dürfen, ist erfolgreich das deutsche Staatsgebiet beschützen – egal vor wem. Wem dient also dieses »Bündnis« aus deutscher Sicht? Dem deutschen Volk und der Souveränität des deutschen Nationalstaates sicherlich nicht, ebenso wenig den Angehörigen von dienenden Soldaten der Bundeswehr, die im Ernstfall an der weit entfernten Front den Kopf für das Überleben der amerikanischen Hegemonie und ihrer »internationalen wertebasierten Ordnung« hinhalten dürfen.

„Machen Sie sich keine Illusionen“

Und an dieser Stelle soll Joschka Fischers Aussage aus einer Sitzung der Enquetekommission Afghanistan des Bundestages von Anfang Juli in Erinnerung gerufen werden. Auf Fragen, weshalb man in Berlin im Umgang mit dem Auslandseinsatz nicht einfach anders (vielleicht ja sogar gegen US-Interessen) handeln konnte, sagte dieser: »Machen Sie sich mal keine Illusionen, was unsere Abhängigkeit von den USA betrifft!« Diese seien sehr groß und deutsche Handlungsspielräume daher sehr gering. Kurz gesagt: Wir sind Vasallen. Wenn wir irgendwo antanzen sollen, dann tun wir das.

Im Prinzip wird im Indopazifik nur ein potenzieller Kriegsschauplatz vorbereitet. Die wertefetischisierende Rhetorik kaschiert lediglich den globalistischen Anspruch, der sich gegen gänzlich souveräne Systeme, andere Weltanschauungen und Staaten durchsetzen will. Die wachsamen Zeitgenossen dürfen also ihr Augenmerk durchaus auf den Vorhof Chinas richten. Beim Zündeln wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die etablierte Altparteienoligarchie der Bundesrepublik und die Führung der von ihnen geleiteten Streitkräfte anschließen.

Der Moment der Opposition

Das ist der Moment der Opposition. Sicherlich: Ob sich die AfD einen NATO-Austritt ins Programm schreibt oder nicht – solche Entscheidungen fallen nicht auf Parteitagen oder per formalem Parlamentsbeschluss. Solche Dinge werden im Hintergrund über Jahre hinweg vorbereitet, durch eine weitsichtige und fähige Diplomatie (also nicht durch NGO-Praktikant*innen wie Baerbock). Nur um jemals dorthin zu kommen, muss eine berechtigte Ablehnung der realexistierenden NATO im öffentlichen Bewusstsein Einzug halten, gerade auch als europäische Projektion. Es muss letztendlich um eine europäische Sicherheitsarchitektur gehen, in der Deutschland mehr als nur Waffenlager, Drehscheibe und Hilfspersonal stellt. Auch diese schwierige Aufgabe hat die AfD zu erfüllen, wenn sie wirklich die volle Souveränität Deutschlands herstellen und eben keine Meloni-Mogelpackung sein will.

Die Zeit wird’s zeigen. Der Indopazifik wird auf jeden Fall noch heißer – und das liegt nicht am Klimawandel.

Marvin T. Neumann arbeitet als persönlicher Referent für den Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck und war zuvor in der Jungen Alternative aktiv.

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