In Afrika finden gravierende Umwälzungen statt: In Zusammenarbeit mit der EU diente der Niger bislang als Bremsblock für afrikanische Migranten aus dem südlichen Teil des Kontinents. Durch den kürzlich erfolgten Putsch verändert sich das geopolitische Schachfeld – mit möglicherweise fatalen migrationspolitischen Folgen für Europa.
Bis Mitte der Neunziger Jahre galt der Wüstenstaat Niger als Tourismusziel. Doch mit dem Aufstand der Tuareg änderte sich die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes. Denn die politische Unruhe durch wachsende Kriminalität und Dschihadismus machte den zentralafrikanischen Staat für Reisende zunehmend unattraktiv.
Migrations- und Schlepperwesen
Als Folge etablierte sich das Migrations- und Schlepperwesen als neuer Wirtschaftszweig. Doch mit einem 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur strikten Strafverfolgung von Schleusern änderten sich die Vorzeichen abermals. Das Gesetz resultierte aus einem Pakt zwischen der von einer gigantischen Migrationswelle überschwemmten EU und dem Niger. Gegenstand dieser Vereinbarung waren europäische Hilfsgelder im Gegenzug für die konsequente Bekämpfung der Schlepperei durch die Regierung des Nigers.
Grenzen retten Leben
In den letzten acht Jahren sollen in diesem Rahmen knapp 1 Milliarde Euro in den Niger geflossen sein, wie die WOZ berichtet. Anhand von Zahlen der UN-Migrationsorganisation IOM erwies sich diese Strategie als erfolgreich: Von 2016 zu 2017 konnten die Aufgriffe illegaler Migranten um 77 Prozent gesenkt werden. Die Behauptung, Migrationsbegrenzung sei realpolitisch nicht umsetzbar, erweist sich damit erneut als Augenwischerei. Zudem wird deutlich, dass der Anreiz für die lebensgefährliche Reise durch die Wüste – und weiter über das Mittelmeer – deutlich gesenkt wird. Stattdessen wird es für die Afrikaner erstrebenswerter, sich auf eine Perspektive in ihrer Heimat zu besinnen und somit zu einem wirtschaftlich nachhaltigen Aufbau vor Ort beizutragen.
Putsch der nigrischen Regierung
Vor zwei Wochen wurde bekanntlich geputscht und das Land von General Abdourahamane Tchiani in ein Militärregime verwandelt – mit betont anti-westlicher Ausrichtung. Unterstützung erhält er von Mali, Guinea, Burkina Faso und Algerien. Nicht nur die russischen Söldnertruppen Wagner, sondern auch Russland selbst bieten sich als Partner an. Die zunächst überrascht wirkende EU reagierte zunächst mit der Einstellung ihrer Finanzhilfen. Die westkontrollierten ECOWAS-Staaten der Westküste, allen voran Ghana und Nigeria, drohen mit einem Einmarsch in das Land. Wie die Sache auch immer ausgehen mag: Der unlängst noch als Stabilitätsanker geltende Staat befindet sich nunmehr in einer chaotischen Lage.
Anstieg des Migrationsdrucks
Für Europa könnte das einen enormen Anstieg des Migrationsdrucks. zur Folge haben. Rund 40 Prozent der geleisteten Finanzhilfen flossen direkt in Grenzkontrollen und den Strafvollzug gegenüber Schleppern. Wenn diese Gelder nun ausbleiben, macht sich Europa erpressbar. Denn mit der Übernahme der Macht haben die dezidiert anti-westlichen Putschisten auch die Kontrolle über die Zuwanderungsströme gewonnen. In Zukunft könnte also die alte Route über die Oase Agadez inmitten des Nigers wieder zur Autobahn für Migranten werden, so wie in den Jahren vor 2015. Ein Vergleich mit dem Sturz Gaddafis in Libyen drängt sich auf – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen.
Afrikanischer Patriotismus als Hoffnung?
Angesichts dieser Bedrohung müssen Deutschland und Europa einen Weg finden, mit der veränderten Situation umzugehen – und dürfen sich nicht mehr bedingungslos der Geopolitik des Westens unterwerfen, die angesichts der Umwälzungen in Afrika zunehmend fragwürdig erscheint. Denn während die USA und ihre Partner weiter auf Sanktionen und Konfrontationskurs setzen werden, gilt es hierzulande souverän zu entscheiden und primär hinsichtlich der eigenen Interessen abzuwägen. Dazu könnte der junge Staatschef Burkina Fasos einige Anregungen geben.
Gemeinsame Vision: Afrikaner in Afrika
Im Rahmen eines Afrikagipfels in Russland spricht er sich in einer Art und Weise gegen Massenmigration aus, die mit einem europäischen Patriotismus und der Forderung nach Remigration vereinbar wäre. Er träumt von einer Zukunft, in der es nicht mehr notwendig sei, dass Afrikaner den Ozean überqueren müssen. Seine Rede schloss er mit den Worten: „Ruhm für unsere Völker, Würde für unsere Völker, Sieg für unsere Völker. Heimat oder Tod!„