Systemanalyse und Macht – wo stehen wir?

Viel wird in der Rechten darüber gesprochen, was falsch läuft – wenig darüber, wie man etwas ändern kann. Wir machen damit Schluss – der dritte Teil unserer Strategiereihe beschäftigt sich mit der Frage, wie das herrschende System seine Macht aufrechterhält und wie wir daran etwas ändern können.

Wir wissen nach den ersten beiden Teilen nun, warum das rechte Lager eine Strategie benötigt und auf welches Ziel diese Strategie abzielen muss. Im dritten Teil widmen wir uns entlang des Buches von Martin Sellner einer umfassenden Analyse des herrschenden Systems sowie seiner Legitimation und der Funktionsweise der Macht. Zunächst zum status quo: Die politische Rechte ist im 21. Jahrhundert weitestgehend machtlos – unsere Gegner besitzen hingegen fast die gesamte politische Gestaltungsmacht. Diese wird durch einen „sanften Totalitarismus“ aufrechterhalten, dessen perfide Funktionsweise Sellner wie folgt skizziert:

Wahlen und Stimmung

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die Verteilung politischen Gestaltungsmacht in der liberalen parlamentarischen Demokratie des 21. Jahrhunderts durch Wahlen erfolgt. Diese Wahlen gilt es als regelmäßige „demoskopische Messungen der Stimmung“ der Wahlbevölkerung zu begreifen. Wer in der Lage ist, die Stimmung der Bevölkerung zu beherrschen, ist demnach auch in der Lage, die Wahlergebnisse und somit die Verteilung von Gestaltungsmacht zu bestimmen. Die richtige „Stimmung“ wird durch Meinungskorridore und ein „künstliches Klima“ erzeugt. Die herrschende Politik wird dadurch zum Dogma zementiert. Eine perfide inszenierte „Demokratiesimulation“ soll darüber hinwegtäuschen.

Meinungsklimaanlage

Martin Sellner bedient sich zur Veranschaulichung dieses Mechanismus der Metapher einer „Meinungsklimaanlage“: Die Außentemperatur stellt die reale Lage und die „schweigende Mehrheit“ dar, die mit der herrschenden Politik nicht einverstanden ist. Doch die „Hitzewellen“ werden im Inneren durch die vielbeschworene „Zivilgesellschaft“ beziehungsweise die „ideologischen Staatsapparate“ (Althusser) künstlich abgekühlt. Hinzu kommt, dass der in westlichen Gesellschaften vorhandene Wohlstand sowie der damit einhergehende Konsum eine „Zone der Gleichgültigkeit“ geschaffen hat, die zwar aktuell schrumpft, aber noch lange nicht verschwunden ist.

Die Grenzen des Sagbaren

Eng verknüpft mit dieser Vorstellung ist die Theorie des „Overton-Fensters“, das die Grenzen des Sagbaren markiert. Dieses Fenster hat sich in den vergangenen Jahrzehnten konsequent nach links verschoben, weshalb Ansichten, die früher „der Mitte“ zugeordnet werden, mittlerweile als rechts oder gar „rechtsextrem“ gelten. Dieser „Linksrutsch“ wurde von einer steten Verschärfung der Strafgesetzgebung begleitet, die mittels Gummiparagraphen wie dem der „Verhetzung“ ein Ausscheren aus dem Meinungskorridor konsequent juristisch zu ahnden weiß. Hier müssen auch die aktuellen Bemühungen zur Konstruktion einer Gesinnungsjustiz (Stichwort: „Hassverbrechen“, Hass im Netz, etc.) angeführt werden.

Die vier Filter der Repression

Flankiert werden Demokratiesimulation und Meinungsklimaanlage von einem Repressionsapparat, den Sellner in die „vier Filter der Repression“ unterteilt: Der soziale Druck, der zu Isolation und Spannungen im sozialen und beruflichen Umfeld führt. Der darauf aufbauende wirtschaftliche Druck, der die drohende wirtschaftliche Existenzvernichtung durch Diffamierung und „Outings“ bedeutet. Darauf folgt der terroristische Druck, der durch staatliche geduldete und „im Freien“ agierende linksextreme Gruppierungen erfolgt (Stichwort: Hammerbande). Der juristische Druck führt schließlich zu repressiven Schlägen des Staates: Meinungsdelikte, Finanzstrafverfahren oder ein juristischer Abnutzungskrieg, der den Betroffenen einen großen Teil seiner Zeit, Energie und finanziellen Ressourcen kostet.

Der Sanfte Totalitarismus

Dieses Ineinandergreifen von Meinungsklimaanlage, Demokratiesimulation und Repressionsapparat kennzeichnet den von Sellner beschriebenen „sanften Totalitarismus“. Die „schweigende Mehrheit“ ist darin kein handlungsfähiger Akteur und politischer Machtfaktor und totalitäre Sozialtechniken verhindern ihre politisch wirksame Organisation. Ziel muss es daher sein, die Meinungsklimaanlage zu sabotieren und die „Fenster des Treibhauses“ zu zerschlagen, damit das tatsächlich herrschende Klima seine Wirkung entfalten kann. Hier bringt Sellner erstmals das von Gramsci geprägte Konzept der Metapolitik ins Spiel:

„[…] im Westen bestand zwischen Staat und Zivilgesellschaft ein richtiges Verhältnis, und beim Wanken des Staates gewahrte man sogleich eine robuste Struktur der Zivilgesellschaft. Der Staat war nur ein vorgeschobener Schützengraben, hinter welchem sich eine robuste Kette von Festungen und Kasematten befand.“ (Antonio Gramsci, Gefängnishefte)

Repressiver und ideologischer Staatsapparat

Das Zitat zeigt es bereits: Wer glaubt, die Erlangung der staatspolitischen Gestaltungsmacht müsse über gewaltsame Umstürze und militante Proteste erfolgen, irrt. Vielmehr gilt es, den „Fließkreislauf der Macht“ zu begreifen. Gemäß Louis Althusser gliedert sich der Staat in einen „Repressiven“ und einen „Ideologischen Staatsapparat“. Ersterer umfasst den klassischen Exekutivapparat (Polizei, Militär, etc.), letzterer die „religiösen, schulischen, familiären, politischen, medialen, kulturellen, zivilgesellschaftlichen und teilwiese auch juristischen und politischen Institutionen“. Der repressive Apparat wird durch den ideologischen Apparat legitimiert wird, nicht umgekehrt.

Metapolitik als Grundlage von Macht

Wer also eine bestehende Ordnung – egal ob legal oder gewaltsam – umstürzt und die Macht über den repressiven Staatsapparat erlangt, OHNE zuvor die Deutungshoheit des herrschenden ideologischen Apparates durch Metapolitik angegriffen und das Fundament für eine Alternative zu ihm gelegt zu haben, dessen neue Ordnung wird keinerlei Legitimität besitzen und äußerst kurzlebig sein. Als Beispiel dafür kann die Regierung von Fidesz vor 2003, die FPÖ-Regierungsbeteiligung von 2017 bis 2019 oder das weitestgehende Scheitern der Amtszeit von Trump herangezogen werden. Die Wurzel des sogenannten „tiefen Staates“, der in diesem Zusammenhang gerne beschworen wird, liegt eben in diesem ideologischen Staatsapparat und seiner Meinungsklimaanlage.

Legitimitätsschock der herrschenden Ordnung

Vielmehr gilt es also, den Fließkreislauf der Macht zu befolgen und den Staat als Vollstrecker der herrschenden Ideologie zu begreifen. Die Macht des Volkes und der „schweigenden Mehrheit“ liegt darin begründet, dass sie direkten Zugriff und Einfluss auf diese herrschende Ideologie hat. Durch ihre schrittweise Schwächung durch koordinierte und zielgerichtete Metapolitik kann sie einen Legitimitätsschock der herrschenden politischen Ordnung bewirken. Als historische Vergleiche zieht Sellner die Reformation in Deutschland und die Französische Revolution in Frankreich heran. Beide entspringen einer geistigen, metapolitischen Revolution, die vor der Machtübernahme die Legitimität der Herrschenden untergraben und zerstört hat: „Revolution als Folge des bewaffneten Aufstands ist ein Märchen. […] Erst wenn der Zusammenbruch der Staatsmacht offenkundig ist, beginnen Rebellen, sich zu bewaffnen.“ (Hannah Arendt).

Wir wissen nun also, warum das rechte Lager eine Strategie braucht (Teil 1), welches Ziel wir mit dieser Strategie verfolgen (Teil 2) und wie das herrschende System seine Macht aufrechterhält. Im nächsten Teil klären wir, wer „wir“ als rechtes Lager überhaupt sind und welche Kräfte und Möglichkeiten wir zur Verfügung haben.

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