„Die Polen haben 1683 Wien befreit!“ – so lautet ein gängiger Mythos über die Schlacht am Kahlenberg. Die historische Realität ist komplizierter: Zwar hatte der polnische König Jan III. Sobieski den Oberbefehl inne, doch stellten deutsche Truppen insgesamt zwei Drittel des Entsatzheeres. Wir skizzieren in diesem Beitrag ihren oft vernachlässigten Anteil an der Befreiung Wiens.
Viel wurde in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten über die Schlacht am Kahlenberg geschrieben. Während der polnische Anteil den meisten bekannt ist, wissen nur die wenigsten um den deutschen Beitrag an diesem glorreichen Sieg. So nahmen an der Schlacht etwa 45.000 deutsche Infanteristen und Kavalleristen teil, womit die Deutschen knapp zwei Drittel des gesamten Heers stellten. Insgesamt setzte sich das Entsatzheer folgendermaßen zusammen:
Die Schlacht dauerte knapp zehn Stunden. Die Kaiserlichen sowie die aus Bayern, Franken, Sachsen, Badenern, Schwaben, Lothringern und Hessen bestehenden deutschen Truppen erkämpften sich ganze sechs Stunden lang, auf sich allein gestellt, den Weg vom nordöstlichen Wienerwald durch die türkischen Linien. Das deutsche Kontingent befreite auf ihrem Vormarsch zur Stadtmauer somit Nussdorf, Heiligenstadt und die heute noch so genannte Türkenschanze – und trug so maßgeblich zur Vorentscheidung der Schlacht bei.
Der „Rote König“
Unter den unzähligen Leistungen der Deutschen sticht außerdem der Durchbruch zum Schottentor hervor. Dieser wurde von Markgraf Ludwig von Baden persönlich geführt. Die Türken nannten ihn aufgrund seiner Kleidung den „roten König“. Es war auch dieser Markgraf, der als erster Offizier mit seinen badischen Kämpfern an die Wiener Stadtmauer gelangte – unter dem frenetischen Jubel der seit über 60 Tagen belagerten Wiener Bevölkerung.
Deutsche unterstützten polnische Husaren
Etwa zur gleichen Zeit erreichten die an der rechten Flanke kämpfenden Polen das Schlachtfeld bei Dornbach. Anders als erwartet konnten sie aufgrund des schwierigen Terrains der Weinberge sowie den Schluchten des Wienerwaldes ihre Kavallerie nicht wie gewohnt entfalten. Gleich vier deutsche Infanteriebataillone eilten deshalb zu den feststeckenden Polen. Sie unterstützten das Errichten ihrer gewohnten Formation und schafften damit die notwendige Abhilfe im Kampf gegen die tatarischen Reiter. Der Kommandant des Heeres und König der Polen Sobieski lobte die Hilfe der deutschen Regimenter sogar mit den Worten: „Die deutschen mit meinen Truppen vereinigten Regimenter folgen mir mit einer ‚docilite‘, wie ich es bei meinen eigenen nie gesehen habe.“
Ein europäischer Kraftakt
Abschließend betrachtet ist es sinnlos, die an der Befreiung Wiens beteiligten Völker gegeneinander auszuspielen. Neben den Deutschen und Polen beteiligten sich auch Tausende Saporoger Kosaken an der Schlacht, welche dafür sowohl im Wiener Türkenschanzpark als auch am Leopoldsberg mit einem Denkmal gewürdigt werden. Auch andere Angehörige der Reichsvölker, wie etwa Kroaten, kämpften und machten sich als begabte Reiter ebenso einen Namen wie Venezianer und Savoyeraner, die sich einer Legende nach sogar als erste in die Schlacht stürzten. Gemeinsam verteidigten die Völker Europas vor den Toren Wiens ihre Freiheit, Heimat und Identität und machten sich so zu unsterblichen Vorbildern:
„Nur durch eine gewaltige deutsche und europäische Kraftanstrengung war es gelungen, die Türkennot zu überwinden und die Zukunft des Reiches als der zusammenfassenden Kulturidee der europäischen Nationen zu sichern.“ (Thor von Waldstein)