Noch heute werden die Folgen des 1938 getroffenen „Münchner Abkommen“ kontrovers diskutiert. Kein Wunder, berührte es doch elementare geopolitischen Konfliktlinien in Europa, die in abgewandelter Form bis heute gelten. Der Jungeuropa Verlag hat sich jüngst ausführlich mit dem deutschen Historiker Dr. Stefan Scheil über diesen Themenkomplex unterhalten.
In der Nacht vom 29. auf den 30. September 1938 wurde das sogenannte Münchener Abkommen zwischen dem Deutschen Reich, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien getroffen. Offiziell wurde durch dieses Abkommen die Sudetenkrise beendet. In wenigen Tagen, dem 29. September 2023, erscheint im Jungeuropa Verlag die Schrift Das Ende der Beneš-Republik. Das Münchener Abkommen und die tschechische Kollaboration im Protektorat Böhmen und Mähren des tschechischen Militärs Emanuel Moravec in einer vollständig überarbeiteten und annotierten Ausgabe. Mit dem Historiker Dr. Stefan Scheil hat der Verlag, ergänzend dazu, über das Münchener Abkommen und die unmittelbaren Folgen ausführlich gesprochen. Der Heimatkurier veröffentlicht hiermit das entstandene Gespräch mit freundlicher Genehmigung.
Fast 85 Jahre ist es her, seit das Münchener Abkommen die Abtrennung der sogenannten Sudetendeutschen Gebiete von der Tschechoslowakei besiegelte. Was für das deutsche Staatsoberhaupt Adolf Hitler ein großer Erfolg war, stellte für viele tschechoslowakische Nationalisten ein niederschmetterndes Erlebnis dar; eben auch für Emanuel Moravec, den Autor des demnächst hier im Verlag erscheinenden Bandes Das Ende der Beneš-Republik. Angesichts der umfangreichen militärischen Vorbereitungen der Tschechen auf einen deutschen Angriff, stellt sich eingangs folgende Frage: Ist Europa am 29. September 1938 womöglich knapp an einem vorzeitigen Beginn des Zweiten Weltkriegs vorbeigeschrammt?
Stefan Scheil: Das wäre theoretisch möglich gewesen. Allerdings hatten die Westmächte im Vorfeld eindeutig erklärt, nicht zur Rettung der Tschechoslowakei eingreifen zu wollen. Hitler hat dies übrigens so beschäftigt, dass er noch im Frühjahr 1945 der Meinung war, der spätere Weltkrieg wäre überhaupt vermieden worden, wenn im Jahr 1938 gegen die Tschechoslowakei Krieg geführt worden wäre, statt sich mit den Westmächten auf das Münchener Abkommen einzulassen. Mit diesem Abkommen hatte Hitler ja das Recht der Westmächte anerkannt, in Mittel- und Osteuropa, konkret in Böhmen und Mähren, neue Grenzen zu ziehen, also in einer Gegend, die er als exklusiv deutschen Einflussbereich betrachtete. Die Frage, ob das Münchener Abkommen durch Aufgabe des tschechischen Verbündeten nun den Rückzug der Westmächte aus Zentraleuropa markierte, oder im Gegenteil die Erneuerung ihrer dortigen Machtansprüche, beherrschte um die Jahreswende 1938/39 dann die Diplomatie. Frankreich signalisierte seinen Rückzug aus Osteuropa, nahm dies aber im Januar 1939 zurück und die britische Garantieerklärung für Polen beantwortete die Frage endgültig.
Für viele Deutsche unserer Zeit stellt sich die Frage, warum Hitler die Sudetendeutschen so wichtig gewesen waren. Ehrliches Interesse? Politisches Druckmittel? Geopolitische Erwägung? Und wie steht es im Vergleich mit Südtirol, das gewissermaßen »geopfert« wurde?
Hier spielt die grundsätzliche Absicht Hitlers, alle Deutschen in einem Staat zu versammeln, mit geopolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen zusammen. In einer Besprechung, die im sogenannten Hoßbach-Protokoll dokumentiert ist, hatte er seine diesbezüglichen Absichten im November 1937 skizziert. Demnach sollte der Anschluss Österreichs und der »Tschechei« den deutschen Lebensraum für »1-3 Generationen« abrunden, wenn nötig durch einen Krieg erzwungen, der irgendwann Mitte der 1940er-Jahre zu führen sei. Diese Gebietserweiterung hätte automatisch den deutschen Einfluss in Südosteuropa immens wachsen lassen und damit eine Art deutsches Imperium in Gestalt von »Mitteleuropa« erzeugt. Genau diese Option wollten aber die übrigen europäischen Mächte verhindern. Darin findet sich auch der Grund für die hartnäckige Bekämpfung jedweder Anschlussbestrebungen in der Weimarer Zeit durch die Westmächte und die erneute Abspaltung Österreichs auch nach 1945. An sich bestand kein vernünftiger Zweifel daran, dass sowohl die Sudetendeutschen wie die Österreicher in der Alpenrepublik gerne der Weimarer Demokratie beigetreten wären. Der designierte Wiener Kanzler Karl Renner hat auch noch im Frühjahr 1945 den international beschlossenen Zwang zur erneuten Unabhängigkeit Österreichs bedauert. Es sei aber nichts zu machen, da alle großen Mächte das so beschlossen hätten.
Eine so große Bedeutung hatte der Besitz Südtirols nicht, aber auch hier fürchtete man 1919 wie 1945 international jede Aufweichung der Brenner-Grenze als absolutem Ende deutscher Staatlichkeit in Richtung Mittelmeer. Hitler war bereit, diesen Preis als Gegenleistung für die italienische Hinnahme des Anschlusses Österreichs zu zahlen. Parallelen dazu wies dann weniger das Vorgehen gegen Prag als das Angebot an Polen im Herbst 1938 auf. Mit der Formel »Korridor für Polen, Danzig für Deutschland«, sollte an den Kompromiss »Südtirol für Italien, Österreich für Deutschland« angeknüpft werden.
War das Münchener Abkommen tatsächlich der vorletzte Sargnagel (nach der Zerschlagung der Resttschechei im März 1939) in die oft kolportierte Appeasementpolitik des Westens, explizit des britischen Premierministers Chamberlain?
Die westlichen Entscheidungsprozesse sind sehr komplex verlaufen. Das Münchener Abkommen brachte zunächst einmal Zeit zur Kriegsvorbereitung. Chamberlain flog von München nach Hause, und er sprach dort einerseits vom »Frieden in unserer Zeit« und verkündete andererseits ein gigantisches Rüstungsprogramm, damit man nicht mehr in die Verlegenheit komme, ein weiteres München unterzeichnen zu müssen. Letzteres schlug in Berlin natürlich ein wie eine politische Bombe und bestätigte das bei Ribbentrop wie Hitler sowieso vorhandene Misstrauen über die britischen Motive und darüber, ob die Appeasementpolitik nicht eigentlich nur eine Komödie zur Deckung von Angriffsabsichten sei.
Es spielten aber auch ganz andere Dinge eine Rolle, wie zum Beispiel die »Reichskristallnacht« wenige Wochen nach »München«, die den deutschen politischen Kredit im Ausland massiv beschädigte. Die USA zogen daraufhin ihren Botschafter endgültig aus Berlin zurück und begannen massiven Druck auf Frankreich wie Großbritannien auszuüben. Chamberlain beschuldigte später die USA ausdrücklich, ihn faktisch zum Krieg gezwungen zu haben. Das wurde auch vom damaligen Londoner US-Botschafter Joseph Kennedy so bestätigt. In Washington habe man damals geglaubt, das NS-Regime durch vereinten Druck zum Einsturz bringen zu können, sagte Kennedy 1945. Er habe gleich gesagt, das werde nicht klappen, die Deutschen würden stattdessen kämpfen und sie würden Europa über den Haufen rennen.
Emanuel Moravec beschreibt in seinem Buch die Erfahrungen mit dem Münchener Abkommen aus Sicht eines tschechischen Nationalisten. Prägend: Der »Verrat« des Westens, der die Tschechoslowakei den Deutschen kampflos preisgegeben hat. In der Folge sollte Moravec sich dann den Deutschen andienen, die nun eben zur Schutzmacht der Tschechen wurden. Wie nachvollziehbar sind solche Gedanken in dieser Zeit?
Man könnte das einen eigentümlich »tschechischen« Gedanken nennen. Polen etwa hätte zweifellos notfalls alleine gegen Deutschland gekämpft und sich keinesfalls einfach ergeben. Zudem hatte sich die Tschechoslowakei militärisch gut vorbereitet, und es bestand durchaus Aussicht auf einen beachtlichen Abwehrerfolg, der dann vielleicht doch noch ein Eingreifen anderer Länder zur Folge gehabt hätte. Allerdings dachte man in Prag offenkundig pragmatisch und glaubte, einen bewaffneten Widerstand zur Wahrung nationaler Ehre nicht nötig zu haben. Präsident Beneš verfügte über allerbeste Kontakte in die Führungsschicht der Westmächte und ging zweifellos davon aus, nach einer deutschen Niederlage sozusagen kampflos wieder in Prag einziehen zu können. Sicher gab es zu dieser Zeit aber auch viele Tschechen, die sich an die Zeiten österreichischer Herrschaft erinnern konnten und diese als nicht besonders belastend in Erinnerung hatten.
In einem Beitrag auf X haben sie kürzlich ein alternatives Geschichtsszenario umrissen: Das Deutsche Reich gewinnt den Ersten Weltkrieg, hegt Russland ein und so finden der Stalinismus und der Nationalsozialismus nie statt. Welche Rolle hätte Tschechien in diesem Szenario gespielt? Und wie gut hätten das die tschechischen Nationalisten gefunden?
Das skizzierte Szenario geht von der Situation der Jahre 1917/18 aus, als Russland tatsächlich militärisch wie politisch geschlagen war und im Frühjahr 1918 mit Deutschland den Frieden von Brest-Litowsk schloss. Damit wurden in der Tat von Finnland bis in den Kaukasus jene Länder erstmals wieder aus dem russischen Staatsverband entlassen, die es heute gibt. Georgien etwa bat noch im Oktober 1918 um Einbezug ins Deutsche Reich. Hätten die USA nicht interveniert, wäre es eventuell möglich gewesen, im Westen zu einem Kompromissfrieden zu kommen, der die Zustände in Osteuropa in etwa so belassen hätte. Aber das ist natürlich spekulativ.
Was das für die einzelnen Nationalitäten genau bedeutet hätte, stand damit sowieso noch nicht fest. 1916 war von Deutschland und Österreich schon ein Königreich Polen ausgerufen worden, mit dem die polnische Nationalbewegung nicht recht zufrieden war. Man stellte sich eher ein eigenes Imperium vor als einen rein polnischen Nationalstaat, der unter damaligen Bedingungen recht klein ausfallen musste. Ein Ausgleich der polnischen mit den ukrainischen, weißrussischen und jüdischen Interessen erwies sich als sehr schwierig für die deutsch-österreichischen Behörden, die sich während des Krieges damit befassten.
Inwieweit Nationalitäten innerhalb Österreich-Ungarns, also unter anderem die Tschechen, sich langfristig zu größerer Autonomie oder Staatlichkeit entwickelt hätten, stand noch nicht fest. Die Wiener Politik tat seit Jahrzehnten viel, um alle zufrieden zu stellen. Nach den damaligen Siedlungsstrukturen wäre wohl eher ein autonomer Status der Tschechen innerhalb des bestehenden Staatsverbands die wahrscheinliche Entwicklung gewesen. Letztlich hing das aber natürlich vom Ausgang des Krieges ab, mit dem sich die kleineren Völker dann arrangieren mussten. In jedem Fall hätte ein deutscher Erfolg im Umfang von Brest-Litowsk in Mittel- und Osteuropa wohl das allgemeine Chaos und Machtvakuum verhindert, in dem die Totalitarismen sich entwickeln konnten. Das deutsche Kaiserreich war schließlich ein vergleichsweise liberaler Rechtsstaat.
In Ihrem Buch Ribbentrop. Oder: die Verlockung des nationalen Aufbruchs gehen Sie auch auf den Vorgänger des NS-Politikers im Amt des Reichsaußenministers ein, und zwar Konstantin von Neurath. Nach seiner Ablösung durch Ribbentrop wird Neurath zum Reichsprotektor in Böhmen und Mähren ernannt. Wie ist seine Figur zu bewerten?
Neuraths Ernennung hing sicher auch mit dem Versuch zusammen, die Einrichtung des Protektorats als sozusagen normale Entwicklung darzustellen, in dem man einen altgedienten bürgerlichen Diplomaten und keinen prominenten Nationalsozialisten an diese Stelle setzte. Bemerkenswerterweise informierte die Berliner Regierung die britische Regierung vor der Einrichtung des Protektorates über den geplanten Schritt. Daraufhin erstellte das britische Foreign Office ein Rechtsgutachten, ob mit dieser deutschen Aktion gegen geltende Verträge verstoßen würde. Man kam zum Ergebnis, dies sei nicht der Fall. Das britische Kabinett beschloss daher, die Sache ohne Intervention laufen zu lassen und Premier Chamberlain gab zunächst auch eine anerkennende öffentliche Erklärung ab, als Prag besetzt worden war. Auch von britischer Seite gab es also anfangs durchaus Bereitschaft, die Protektoratsproklamation nicht zum Skandal zu machen. Dazu passte die Ernennung Konstantin von Neuraths. Allerdings blieb es fraglich, ob er über die Symbolwirkung hinaus tatsächlich die politische Praxis deutscher Herrschaft im Alltag prägen könnte.
Prägend für die deutsche Politik im Protektorat Böhmen und Mähren war weniger Neurath als sein Stellvertreter, der sogenannte Henker von Prag: Reinhard Heydrich. Ähnlich wie Sie im Falle Ribbentrops verwarf der Historiker Günter Deschner in seiner Biografie aber dieses fest eingebrannte, undifferenziert negativ gezeichnete Bild Heydrichs. Welche Rolle kam Heydrich im Spiel der deutsch-tschechisch-britischen Dynamiken zu?
Günter Deschner hat die Ansicht vertreten, dass Heydrich sein Amt im Protektorat vor allem pragmatisch anging. In der gegebenen Kriegssituation sollte dort vor allem die für Deutschland so wichtige Industrie in Ruhe produzieren, also sollten zum Beispiel anti-tschechische Provokationen von deutscher Seite möglichst unterbleiben. Die tschechischen Beschäftigten sollten so weit wie möglich unbelästigt bleiben, solange die Produktionszahlen und die Qualität stimmten. Dies hat Heydrich auch tschechischen Repräsentanten ausdrücklich in Aussicht gestellt. Seine Strategie scheint insoweit funktioniert zu haben. Die Ermordung Heydrichs erfolgte dann ja auch nicht durch innertschechischen Widerstand, sondern als britisches Kommandounternehmen. Als danach von deutscher Seite mit Massenerschießungen geantwortet wurde, hat das die Atmosphäre allerdings extrem vergiftet.
In außenpolitischen Sachfragen stimmten Ribbentrop und sein konservativer Amtsvorgänger oft überein. Man könnte meinen: Es gibt geopolitische Grundtendenzen, die jeder deutsche Außenminister instinktiv befolgt. Was sind geopolitische Grundtendenzen, die der AfD-Außenminister von seiner Vorgängerin Annalena Baerbock übernehmen wird?
In der Tat blieb nach dem Regierungswechsel von 1933 im Auswärtigen Amt erst einmal für Jahre alles beim Alten, allen voran in der Position des Außenministers Neurath, bei den Botschaftern und Staatssekretären. Ribbentrops Ernennung zum Botschafter in London 1936 und dann zum Außenminister 1938 änderte das etwas, obwohl auch er mit Ernst von Weizsäcker einen Repräsentanten des »alten« AA zum Staatssekretär machte. Ribbentrops außenpolitisches Denken kreiste sehr um die deutsche Mittellage und den daraus resultierenden Zwang für Deutschland, in West oder Ost Verbündete zu finden, oder wenigstens die offene Gegnerschaft und Einkreisung zu vermeiden. Es ist ihm jedoch nicht gelungen, in London oder Moskau dafür die nötigen Partner zu gewinnen. Nach eineinhalb Jahren als Botschafter in London zog er die Bilanz, England müsste als potenzieller Feind betrachtet werden. Es gebe nur einen sehr kleinen Teil der britischen Führungsschicht, der eventuell wenigstens solche deutschen Ziele wie eine Vereinigung mit Österreich dulden würde, also das nationalsozialistische Mindestprogramm. Vielleicht sei sogar der Krieg gegen Deutschland schon beschlossene Sache.
Ribbentrops in dieser Situation als Außenminister 1939 vollzogene Kehrtwende, den Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion zu schließen und Einflusszonen in Osteuropa abzusprechen, stellte sich letztlich als Falle heraus. Trotzdem riet er bis zuletzt von einem Erstschlag gegen die UdSSR ab und war von Hitler nur schwer von der sowjetischen Angriffsabsicht zu überzeugen.
Die Welt hat sich seitdem sehr gewandelt, aber auch ein AfD-Außenminister wird weiterhin die deutsche Mittellage als gegeben vorfinden und das Misstrauen im Ausland hinsichtlich der deutschen Absichten. Es gibt zweifellos weiter eine verbreitete Neigung, sich im Zweifel zu einer antideutschen Koalition zusammenzufinden. Für radikale Kehrtwenden deutscher Politik sehe ich da wenig Spielraum. Die russische Deutschland-Politik etwa ist heutzutage keinesfalls seriöser als die von 1914 oder 1939. Sie betrachtet eine deutsche Neuorientierung als möglichen Hebel zur Schwächung von NATO und EU und als Quelle für wünschenswerte Unruhe in Europa, nicht als Basis für eine dauerhafte Allianz. Darüber sollten keine Illusionen bestehen. Natürlich aber wird eine AfD-Außenpolitik sich wieder um deutsche Interessen und das nationale Wohlergehen kümmern müssen und können, und weniger um die Platzierung von Frauentoiletten in afrikanischen Dörfern und das, was die derzeitige Außenministerin sonst noch thematisch so umtreibt.
Zuletzt, lieber Herr Scheil, noch ein Wort zur Vertreibung der Sudetendeutschen unter Beneš: Existiert aus Ihrer Sicht eine (auch gegenseitige) europäische Pflicht der Vergebung?
Nun, vor jeder Vergebung ist zwingend die Einräumung von Schuld und Versäumnis erforderlich. Die gibt es in Tschechien allenfalls in Ansätzen. Soweit ich sehe, wird weiterhin eher von den Deutschen die stete Anerkennung von eigener Schuld erwartet. Dies gilt, obwohl tschechische Vertreibungspläne weit vor den Zweiten Weltkrieg zurückreichen. Der von Ihnen erwähnte Staatschef Beneš schlug den Westmächten im Umfeld der Verhandlungen zum Münchener Abkommen 1938 vor, das deutsch-tschechische Problem durch Grenzkorrekturen und Ausweisung von einer Million Deutschen zu lösen. Er zog Parallelen zur Vertreibung der Griechen aus der Türkei Anfang der 1920er-Jahre, die doch auch politische Beruhigung gebracht hätte. Solche Dinge müssten natürlich in größerem Rahmen ans Licht gebracht und diskutiert werden, damit überhaupt geklärt ist, wer wem was genau zu vergeben hat.
Das Interview führte Volker Zierke. Es ist zunächst beim Jungeuropa Verlag erschienen und wird vom Heimatkurier mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.