Der Krieg in Israel und die AfD: Ein (außen-)politischer Offenbarungseid

Nach wie vor erregt der neu entflammte Konflikt im Nahen Osten die Gemüter. Auch innerhalb der AfD kommt es zu emotionalen Parteinahmen und öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen. Luca H. von der Jungen Alternative NRW kritisiert die kriegstreiberische Rhetorik in den eigenen Reihen und warnt vor den Konsequenzen einer weiteren Eskalation des Konflikts.

Ein Kommentar von Luca H. (JA NRW)

Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass der vorliegende Beitrag weder der Parteinahme für die eine Seite noch für die andere dienen soll. Dennoch ist mir bewusst, dass derzeit jegliche Kritik an einer einseitigen Solidarisierung mit Israel auch in der AfD pauschal als Palästinenserfreundlichkeit oder gar als Antisemitismus verunglimpft wird. So wird jedoch eine objektive Betrachtung des Konflikts und eine daraus folgende Bewertung aus deutscher Sicht verunmöglicht. Man orientiert sich dabei an linksliberalen oder Neocon-Narrativen und bedient sich auch deren Instrumente der Zensur. Wieder einmal vergessen weite Teile der Partei dadurch sowohl ihren außenpolitischen wie auch ihren ideologischen Kompass in die Hand zu nehmen. Scheinbar hat man aus vergangenen Ereignissen wenig bis gar nicht gelernt.

Ein zweites 9/11

Sofort nach Beginn des Hamas-Angriffs auf Israel am vergangenen Samstag kamen Vergleiche zu den Terroranschlägen vom 11.September 2001 auf. Eine durchaus naheliegende Analogie, wenn man die Intensität der Angriffe, die relationale Zahl der Opfer und vor allem die Folgen des Angriffes betrachtet. Für uns als rechtes Spektrum ist dabei die Reaktion des eigenen politischen Lagers interessant. Hier lassen sich beunruhigende Muster wieder erkennen, die schon 2001 auf der „rechten“ beziehungsweise konservativen Seite überwiegend konsensfähig waren. Damals forderte man auch in Deutschland ein erbarmungsloses Vorgehen gegen die Hintermänner der Angriffe, wobei jeder Araber und jeder arabische Staat als potenzieller Al-Qaida-Drahtzieher gesehen wurde. Widerspruchslos unterstützte man das Vorgehen der amerikanischen Neocon-Regierung unter George W. Bush. Das Ergebnis ist bekannt: Afghanistan und vor allem der Irak fielen der US-Rache zum Opfer. Der Grundstein für die Destabilisierung einer ganzen Region, dem Nahen Osten, wurde gelegt. Mit fatalen Folgen für Europa: Der Massenansturm afroarabischer Migranten in den Jahren 2015/16 ist ohne die Angriffskriege von 9/11 nur schwer vorstellbar.

Empörung statt Zurückhaltung

Eine ähnliche Entwicklung ist nun auch nach den Hamas-Terrorangriffen zu erwarten. Die Radikalisierung ist auf beiden Seiten sichtbar. Vertreter der Hamas riefen den Freitag zu einem weltweiten „Tag des Zorns“ für Muslime aus. Weltweite Anschläge auf jüdische Einrichtungen sind zu befürchten. Israel wiederum belagert seit Tagen den Gaza-Streifen und schneidet die dortige Bevölkerung von jeglicher Versorgung ab. In New York rufen pro-israelische Demonstranten sogar offen zum Genozid gegen die Palästinenser auf. Zudem muss man sich auf ein Übergreifen des Krieges auf die Nachbarländer Syrien und Libanon einstellen. Der 7. Oktober 2023 mausert sich somit zum „10/7“. Statt hier gebotene Besonnenheit und Zurückhaltung zu zeigen, reagieren zahlreiche AfD-Vertreter in Bund und Ländern sowie besorgniserregend große Teile der Mitgliedschaft mit einer stellvertretenden Empörung, die kaum noch rational zu erklären ist.

Peinlicher Überbietungswettbewerb

Angesichts der inbrünstigen Solidarisierung hat man zuweilen den Eindruck, es wäre ihr Vaterland, welches sich nun im Krieg befindet. Scheinbar haben manche Vertreter nun endlich ihre politische Leidenschaft entdeckt. Dieses besteht darin, Interessen eines fremden Staates auf einem fremden Kontinent vehement zu verteidigen oder sie mit deutschen Interessen gleichzusetzen. Das führt dann bisweilen sogar dazu, dass man deutsches Interesse gänzlich vergisst oder ausblendet. Richtigerweise spricht man sich etwa für die Einstellungen von Finanzhilfen in die Palästinensergebiete aus. Begründet wird diese Forderung jedoch nicht mit dringend nötigen Einsparungen bei der großzügigen Entwicklungshilfe in aller Welt. Stattdessen ist der einzig angeführte Grund die Beendigung der Finanzierung von Antisemitismus und Terrorismus. Ähnlich verhält es sich, wenn AfD-Abgeordnete ein erbarmungsloses Vorgehen gegen den Gazastreifen fordern. Dabei blenden sie aus, dass damit Impulse für neue Migrationsbewegungen nach Europa und nach Deutschland gesetzt werden. Als einer der wenigen AfD-Spitzenfunktionäre fand hingegen Tino Chrupalla die treffenden Worte. Seine Forderung nach Deeskalation und Diplomatie stehen zweifellos im Einklang mit dem deutschem Interesse einer Eindämmung von Migrationsbewegungen. Dafür wird er prompt von transatlantischen Fraktionskollegen angegriffen, die  danach trachten, ihre schwache Position mit markigen Worten zu schmücken. Wie schon zu Beginn des Ukrainekrieges sind es die ungedienten Maulhelden, welche sich am vehementesten für eine militärische Eskalation einsetzen.

Übernahme linksliberaler Narrative

Wenig überraschend sind die pro-israelischen Stimmen fast ausschließlich aus dem liberalkonservativen Spektrum der Partei zu vernehmen, dessen geistige Vorväter bereits die Invasion des Irak frenetisch bejubelten. Sie bedienen sich dabei in alter Neocon-Tradition dem Narrativ der „Zivilisation gegen die Barbaren“. Demnach steht der aufgeklärte und liberale Westen auch jetzt wieder dem „unzivilisierten“ Teil der Erde im zumindest ideologischen Frontgraben gegenüber. Nicht nur nach geopolitischen Gesichtspunkten, sondern auch ideell und kulturell wird Deutschland wie selbstverständlich als Teil des liberalen Westens gesehen. Aus dieser eigenen Schwäche entspringt ein absurder Fremdpatriotismus, dem durch das Tragen von Israel-Ansteckern im Plenarsaal symbolischer Ausdruck verliehen wird. Ebenso grotesk ist die gebetsmühlenartige Rezitation der vermeintlich deutschen Staatsräson, dessen zentraler Bestandteil die Sicherheit des Staates Israels sei. Dabei versucht man gar die Bekenntnisse des politischen Gegners zu überbieten – ohne dafür jedoch dessen Anerkennung zu ernten. Wieder füttert man dadurch das Schuldkult-Narrativ von der ewigen deutschen Schuld und Pflicht. Doch konsensuale Staatsräson sollte für eine Partei, die für sich die Vertretung deutscher Interessen beansprucht, einzig und allein das Wohlergehen des eigenen Volkes sein.

Vermischung von Außen- und Innenpolitik

Neben dem angesprochenen Fremdpatriotismus spielt bei der einseitigen Parteinahme vieler AfD-Funktionäre auch eine extreme Islamfeindschaft eine Rolle. Dies kommt besonders dann zum Ausdruck, wenn Parteivertreter die Bewohner des Gazastreifens als Kombattanten betrachten. Einerseits sind die Terrorangriffe der Hamas samt Geiselnahme, Ermordung von feiernden Jugendlichen und die Beschießung von Wohngebieten selbstverständlich nicht durch das Völkerrecht gedeckt. Israelische Bombenangriffe auf Zivilisten, wie in der Vergangenheit massenhaft geschehen, oder die auch aus UN-Sicht höchst fragwürdige Blockade des Gazastreifens werden hingegen unkritisch gerechtfertigt. Zudem dient der Krieg als Projektionsfläche für innerdeutsche Verwerfungen im Zuge der arabisch-islamischen Ersetzungsmigration. Vielerorts vernimmt man innerparteiliche Stimmen, die den Krieg als Heimzahlung an die muslimische Welt sehen. Es fehlt nicht mehr viel, bis sich der erste Parteivertreter gar der immer lauter werdenden Forderung nach einer endgültigen Vertreibung der Araber aus dem Gazastreifen anschließt. Islamismus und Antisemitismus werden zudem als systemkonforme Begründung für Remigration gesehen, die sonst nur punktuell gefordert wird.

Falsche Solidarität

„Der Albtraum dauert an“, so kommentierte Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrates der Juden, den Wahlsieg der AfD in Hessen und Bayern. Es ist nicht das erste Mal, dass der Zentralrat seine offene Gegnerschaft zur AfD öffentlich erklärte. Trotzdem stimmte die AfD-Bundestagsfraktion im Innenausschuss kürzlich einer Erhöhung der Finanzmittel an den Zentralrat zu. Zynische Stimmen könnten meinen, die bald gestrichenen Palästinenser-Hilfen kommen nun unmittelbar dem Zentralrat zugute. Doch ernster gesprochen:  Die Angst vor völlig unbegründeten Antisemitismusvorwürfen hätten hier nicht zu einer unterwürfigen Solidarisierung führen dürfen.

Außenpolitisch unreif

Summa summarum beweisen weite Teile der Partei erneut ihre außenpolitische Unreife. Überspitzt ausgedrückt forderte man im Ukrainekrieg vehement eine Politik der Nichteinmischung, während man im Nahen Osten schon Bundeswehrsoldaten an der Seite der IDF kämpfen sieht. Multipolar statt unipolar soll die zukünftige Weltordnung sein – doch nun vertritt man ungehemmt die hegemoniale Ideologie US-amerikanischer Neocons. Leider handelt es sich dabei nicht nur um vereinzelte und isolierte Parteifunktionäre. Ganze Fraktionen äußerten sich in den letzten sechs Tagen unglücklich.

Deutschland und die AfD als einziger Interessenvertreter unseres Volkes täten daher gut daran, Fremdpatriotismus und Schuldkulthuldigung in den eigenen Reihen zu überwinden. Jeder Funktionär sollte sich dreimal überlegen, ob eine weitere Eskalation des Krieges trotz der Gefahr von Massenflucht zu begrüßen ist. Schlussendlich kann man es nur mit Martin Lichtmesz halten: „Uns sollte allerdings weniger bekümmern, was die (potenziell palästinensischen, Anm.) Einwanderer über Israel denken, sondern wie sie unsere eigene demographische Zusammensetzung verändern.“

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war von einer „vermeintlichen Finanzierung von Antisemitismus und Terrorismus“ die Rede. Das „vermeintlich“ war nicht Teil des Originaltextes des Autors und wurde im Rahmen der redaktionellen Korrektur des Textes hinzugefügt. Dadurch wurde jedoch auch der Sinn und Inhalt der entsprechenden Stelle – entgegen unserer eigentlichen Absicht – verändert. Das hat für Missverständnisse gesorgt, weshalb wir für diesen Fehler um Nachsehen bitten.

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