Vor 200 Jahren, am 18. Oktober 1817, versammelten sich deutsche Studenten auf der malerischen Wartburg, einer mittelalterlichen Festung hoch über Eisenach. Dieses Ereignis, das sogenannte „Wartburgfest“, wurde zu einem entscheidenden Moment der deutschen Geschichte und strahlte weit über die damalige Zeit hinaus in die Zukunft.
Zur Zeit des Wartburgfestes war Deutschland ein Flickenteppich von unzähligen Kleinstaaten. Hatte man auch Napoleon erfolgreich geschlagen, so war doch das tausendjährige heilige deutsche Reich 1806 unter dem Druck der französischen Truppen zerbrochen. Die einzelnen 39 Staaten waren nur noch lose im „Deutschen Bund“ zusammengefasst, in welchem die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen um die politische Vorherrschaft stritten. Die Ideen der Französischen Revolution hatten bereits die Köpfe der deutschen Jugend ergriffen. Die Menschen forderten Einheit und Freiheit und die Wartburg war der Ort, an dem diese Sehnsüchte zur Realität wurden. Dieses liberale Element sollte jedoch nicht überbetont werden. Gerade das gewählte Datum, der vierte Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, demonstriert, was das Wartburgfest in erster Linie war: Ein Ruf nach nationaler Stärke und Einheit.
Das Wartburgfest: Ein Funke
Über 450 Studenten von dreizehn Universitäten waren auf der Veranstaltung – einer Mischung aus Feier, Demonstration und politischer Debatte – zugegen. Da es zu dieser Zeit im deutschen Raum etwa 10.000 Studenten gab, nahm somit jeder 20. Student daran teil. Bedenkt man die beschwerliche, tagelange Anreise zu Pferd oder gar zu Fuß, eine beachtliche Anzahl. Die Studenten, angeführt von Persönlichkeiten wie dem Schriftsteller Ernst Moritz Arndt und Karl Ludwig Sand, versammelten sich, um für Meinungsfreiheit, nationale Einheit und die Abschaffung von Zensur zu kämpfen. Zu großen Teilen hatten sie in den Jahren zuvor im Soldatenkleid gegen Napoleons Truppen gekämpft. Zwar hatte sich auch der Kaiser der Franzosen um allerlei liberale Reformen in Europa bemüht, aber diese waren von den Deutschen abgelehnt worden. Gleichheit vor dem Recht, Eigentumsrechte und Reformen des Bildungs-, Wirtschafts-, Steuerwesens waren als von außen aufgezwungen empfunden worden. Die deutsche Studentenschaft wollte eigene, deutsche Reformen. Sie verbrannten deutschlandfeindliche und frankophile Schriften sowie obrigkeitsstaatlichen Symbole der Tyrannei und setzten ein Zeichen für die Freiheit des Denkens und der Rede.
Die Bedeutung für die damalige Zeit
Das Wartburgfest war ein Weckruf für die Deutsche Nation und Europa. Es führte zur Festigung von Burschenschaften und zur Verbreitung der Ideen von Ehre, Freiheit und Vaterland. Nach dem Wartburgfest wurden die dort geäußerten Positionen in einem Programm zusammengefasst, das vom Verfassungshistoriker Ernst Rudolf Huber „als das erste deutsche Parteiprogramm“ bezeichnet wurde. Die insgesamt 35 Grundsätze und zwölf Beschlüsse forderten im wesentlichen folgendes: Die kleinstaatliche Zerrissenheit Deutschlands soll einer politischen, religiösen und wirtschaftlichen Einheit weichen. Das neue zu schaffende Deutschland soll eine konstitutionelle Monarchie mit Verfassung und Volksvertretung werden. Alle Deutschen sind vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Die allgemeine Wehrpflicht ist einzuführen. Rede- und Pressefreiheit sind verfassungsmäßig zu garantieren.
Die Auswirkungen auf die Zukunft
Die Ideale des Wartburgfestes wirkten über Jahrzehnte hinweg. Sie waren ein Wegbereiter für die Revolutionen von 1848 und der damals versuchten Gründung eines großdeutschen Gesamtstaates und verwirklichten sich schließlich teilweise in der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871. Deutschland wurde zu einer geeinten Nation, und die Wartburg war der Ort, an dem dieser Prozess seinen Anfang nahm. Heute erinnert uns das Wartburgfest daran, dass der Drang nach Freiheit und Einheit des Vaterlandes eine mächtige treibende Kraft sein kann. In einer Zeit, in der die deutsche Nation mit repressiven Elementen konfrontiert ist, teilsouverän und handlungsunfähig als Statist den Lauf der Welt betrachtet, können wir aus der Geschichte lernen. Wir sollten uns daran erinnern, wie die Deutschen vor uns gegen Unterdrückung und für Freiheit gekämpft haben.
Das Wartburgfest zeigt uns, dass der Wille zur Veränderung und zur Überwindung von Hindernissen die Grundlage für eine bessere Zukunft legen kann. Es erinnert uns daran, dass wir, wenn wir gemeinsam für unsere Ideale eintreten, in der Lage sind, Großes zu erreichen. Und es ermutigt uns, die Funken der Hoffnung und des Wandels in unserer Zeit zu nähren, damit die deutsche Zukunft wieder von Freiheit und Einigkeit geprägt sein kann.