Bisher enttäuschte Giorgia Meloni vor allem in der Migrationsfrage, nun entpuppt sie sich auch auf dem erinnerungspolitischen Feld als Mogelpackung. Nach deutschem Vorbild treibt sie in der italienischen Hauptstadt die Zementierung des Schuldkults in Form eines „Shoa“-Museums voran. Nach über einem Jahr muss man festhalten: Italien erlebt einen Linksrutsch unter einer vermeintlich rechten Regierung.
Wie groß war doch die Freude über den Wahlsieg der italienischen Rechten unter Giorgia Meloni vor rund einem Jahr! Noch größer waren nur die in sie gesteckten Erwartungen. Endlich würde sie die mediterrane Migrationsroute nach Europa schließen und Italien zu einem Vorreiter der Remigration machen. Sie würde den Kulturkampf mit den eurokratischen und linksliberalen Eliten des Landes aufnehmen und für die Renaissance einer patriotischen Gegenkultur in Europa sorgen. Heute muss man jedoch feststellen: All diese großen Hoffnungen wurden nicht nur enttäuscht – Meloni brachte in vielen Bereichen sogar das genaue Gegenteil der Erwartungen. Die Zahl der Migranten steigt und steigt. Meloni kündigte den Import von „Fachkräften“ an und zeigte sich als knallharte Transatlantikerin. Nun hat sie vor, auch deren Geschichtsbild weitestgehend zu übernehmen.
Ein „culto della colpa“?
Bisher war vor allem Deutschland für seinen selbstzerstörerischen Umgang mit der eigenen historischen Identität bekannt. Italien jedoch pflegte trotz seiner faschistischen Geschichte nie einen derart neurotischen Umgang mit seinem Erbe – bislang. Denn nun stimmte das italienische Parlament unter Federführung der (pseudo)rechten Fratelli d’Italia dem Bau eines „Shoa“-Museums in Rom zu. Sicher nicht zufällig soll das Museum in unmittelbarer Nähe zu Mussolinis ehemaliger Villa entstehen. 26 Jahre lang stand der Bauvorschlag zur Debatte, wurde aber nie umgesetzt – bis ihn Meloni Anfang dieses Jahres wiederbelebte. Rund zehn Millionen Euro will der italienische Staat in das Projekt investieren. Beobachter sehen das als Beginn einer „Aufarbeitung“ der faschistischen Vergangenheit. Möglicherweise wird damit gleichzeitig der Grundstein für einen Schuldkult italienischer Prägung gelegt.
Kurz- statt langfristig
Anders als Viktor Orban begibt sich Meloni somit nicht auf Konfrontationskurs mit den westlichen Eliten. Stattdessen sucht sie mit diesen den Schulterschluss, um nicht vom Futtertrog europäischer Wirtschaftshilfen abgedrängt zu werden. Dem bisher ausbleibenden wirtschaftlichen Aufschwung opfert sie damit eine große Chance zur Errichtung der Festung Europa. Und dennoch – Meloni kann trotz ihres Verrats an den eigenen Wahlversprechen auf hohe Zustimmungswerte bauen. Die Fratelli kommen in aktuellen Umfragen auf 28 Prozent. Meloni selbst gilt immer noch als populärste italienische Politikerin. Grund dafür ist wohl das noch erbärmlichere Bild, welches die Opposition abgibt. Auch punktuelle Seitenhiebe gegen die EU und das Spielen mit in Italien weit verbreiteten antideutschen Ressentiments dürften dabei eine Rolle spielen.
Melonisierung als abschreckendes Beispiel
Ein durchschaubares Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen. Summa summarum fehlt Meloni schlichtweg das nötige weltanschauliche Fundament sowie das strategische Geschick, um als italienische Vorreiterin für Remigration und Grenzschutz zu handeln. Fraglich ist überdies, wie lange ihre Popularitätswerte noch stabil bleiben. Spätestens mit dem Aufkommen noch größerer Migrationswellen wird Melonis Kurs auch für ihre Anhänger untragbar werden. Die Wortneuschöpfung der Melonisierung jedenfalls steht bereits jetzt für die Entfernung von der eigenen rechten Programmatik zugunsten einer systemkonformen Machtbeteiligung.