Am heutigen 26. Oktober begeht die Republik Österreich ihren Nationalfeiertag. Wir erinnern anlässlich dessen an eine der vielen Legenden, die sich um die Entstehung des rot-weiß-roten Bindenschildes ranken und skizzieren seine weitere Geschichte. Diese zeigt eindrücklich: Die österreichischen Nationalfarben stehen stellvertretend für die tiefe Verankerung unserer Identität in der deutschen und europäischen Geschichte.
Die österreichischen Nationalfarben „Rot-Weiß-Rot“ sind, anders als die Zweite Republik, kein Produkt des vergangenen 20. Jahrhunderts. Sie gehen vielmehr mehrere hundert Jahre in die Zeit der Babenberger, also ins Mittelalter, zurück. Wenig verwunderlich also, dass sich rund um die Entstehung des charakteristischen Bindenschildes zahlreiche Mythen und Legenden ranken. Die populärste dieser Legenden geht auf die letzte Schlacht der Belagerung Akkons im Juli des Jahres 1191 zurück.
Die Belagerung von Akkon
Am 2. Oktober 1187 eroberte Sultan Saladin die heilige Stadt Jerusalem nach 88-jähriger Herrschaft von den Kreuzfahrern. Wer Lösegeld aufbringen konnte, wurde freigelassen, der Rest landete in der Sklaverei. Die Nachricht sorgte in Europa für Entsetzen. Bereits am 29. Oktober 1187 rief Papst Gregor VIII. zum Dritten Kreuzzug auf. Heerscharen von Rittern folgten seinem Ruf, darunter auch der Babenberger Leopold V., der im Jänner 1191 schließlich die Führung des deutschen Kontingents übernahm. Im selben Jahr neigte sich die bereits zweijährige Belagerung der strategisch wichtigen Hafenstadt Akkon ihrem Höhepunkt zu – am 11. Juli 1191 kam es zum entscheidenden Gefecht.
In Blut getränkt
Nach der siegreichen Schlacht soll das Waffenkleid von Leopold V. vom Blut der Feinde rot getränkt gewesen sein. Als ihm schließlich sein Schwertgurt abgenommen wurde, war am Kleid lediglich ein weißer Streifen übriggeblieben. Zur Würdigung seines bewiesenen Heldenmutes soll ihm der deutsche Kaiser Heinrich VI. anschließend ein rot-weiß-rotes Banner verliehen haben. Eine Chronik aus dem 14. Jahrhundert berichtet dazu folgendermaßen:
Man saget, daz herczog Leupolt dem land ze Oesterreich den löbleichen Schilt, ain weißen strich mit durch die roten veldung und auf dem helm ain guldein chron mit aim poschen das phansvedern, in der haidenschaft hat ervochten.
Auch im kaiserlichen Patent von 1806 heißt es über das Wappen des Hauses Österreich:
Das mittlere Feld verlieh 1191 Heinrich VI. nach einer denkwürdigen, unwiderlegten Ueberlieferung Herzog Leopold dem Tugendhaften von Oesterreich, babenbergischen Stammes, zur Verewigung des Heldenmuthes, den er bey der Belagerung von Ptolomais bewies, wo bey einem Ausfalle sein ganzes weißes Panzerhemd, bis auf die Stelle, die sein Schwertgehänge bedeckte, vom Blute der Ungläubigen gefärbt war.
Die tatsächliche Entstehungsgeschichte ist – wie so oft – umstritten und Gegenstand zahlreicher mehr oder weniger glaubwürdigen Theorien. Fakt ist, dass sich die Legende von Akkon über mehrere Jahrhunderte in den offiziellen urkundlichen Darstellungen sowie in der volkstümlichen Überlieferungen – zum Teil bis heute – gehalten hat.
Das älteste bekannte staatliche Symbol Europas
Das rot-weiß-rote Bindenschild war dabei keineswegs an das Geschlecht der Babenberger gebunden und diente bereits im 13. Jahrhundert als Territorialwappen. Auf dem Siegel des österreichischen Bannerträgers unter Ottokar II., des Grafen Otto von Plain und Hardeck, befindet sich nicht nur das dreimal gestreifte Banner, sondern auch eine Krone sowie ein Busch aus Pfauenfedern. Das Austria-Forum schließt daraus: „Damit begegnen wir der ersten deutlich erkennbaren Darstellung der österreichischen Fahne – der eindeutige Beweis dafür, dass die Farben Rot-Weiß-Rot das älteste bekannte staatliche Symbol dieser Art in Europa sind.“
Land und Donau
Von den Habsburgern wurde diese Tradition fortgeführt. In Stift Heiligenkreuz errichteten sie eine Grabstelle für die Babenberger und verzierten das dortige Brunnenhaus mit Szenen aus dem Leben Leopolds III. – inklusive des rot-weiß-roten Balkenschilds als Wappen. Darüber hinaus wurde es von Albrecht als ersten habsburgischen Herzog Österreichs als Landeswappen verwendet. Das Motiv findet sich zudem in den Wappen zahlreicher „wehrhafter Grenzstädte und habsburgischer Vorposten“ wieder. Dazu zählen etwa Laa/Thaya, Zwettl, Freistadt, Linz, Wels und Innsbruck. Der Humanist Johannes Cuspinianus, der eine 1543 erschienene Landeskunde des Herzogtums Österreich verfasste, interpretierte das rot-weiß-rote Wappen folgendermaßen: Das rote Schild symbolisiere das fruchtbare Land, der silberne Balken sei die Donau, die es quer durchfließt.
Rot-Weiß-Rot – zu Lande und auf See
Da die Habsburger nicht nur Erzherzöge Österreichs, sondern vorrangig Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren, spielte das rot-weiß-rote Bindenschild als Banner für die Schlacht eine untergeordnete Rolle. Stattdessen dominierten dort die kaiserlichen Farben schwarz und gelb. Zu Lande wurden rot-weiß-rote Fahnen im 14. Jahrhundert gegen die Schweizer Eidgenossen bei den Schlachten von Sempach und Näfels geführt. Zudem wehten die Farben „im Solde des Deutschen Ritterordens“ bei der Schlacht von Tannenberg am 15. Juli 1410. Eine wesentlich bedeutendere Rolle spielten die Farben jedoch bei den zahlreichen Schlachten und Expeditionen auf hoher See.
1535 griff Kaiser Karl V. die Türken und deren Piratenzüge an und konnte vor Goletta, dem ehemaligen Hafen von Tunis, die osmanische Flotte unter Admiar Chair-Ad-Din besiegen – von den Schiffen der „Casa d’Austria“ wehten rot-weiß-rote Wimpel. Am 7. Oktober 1571 wurde in der Schlacht von Lepanto schließlich die osmanische Vorherrschaft am Mittelmeer beendet. Das Schiff des Befehlshabers Juan d’Austria führte die rot-weiß-rote Flagge. Ebenso waren die rot-weiß-roten Farben auf den Schiffen der orientalischen Handelskompanie im 17. und 18. Jahrhundert vertreten. Das gipfelte in der offiziellen Einführung einer rot-weiß-roten Seeflagge unter Kaiser Joseph II. am 20. März 1786, die fortan für 132 Jahre die österreichische Kriegs- und Handelsflotte zieren sollte:
Die rot-weiß-rote Marineflagge beflügelte die Flotte Tegetthoffs bei der letzten Schlacht mit Holzschiffen vor Helgoland 1864 und führte sie bei der ersten Seeschlacht mit Panzerschiffen vor Lissa 1866 zum Sieg. Sie wehte von den weißen Passagierschiffen und den olivgrünen Monitoren auf der Donau und grüßte vom Turm der ersten U-Boote und vom Leitwerk der ersten Marineflieger. Die rot-weiß-rote Marineflagge schmückte die „Viribus Unitis“ ab ihrem triumphalen Stapellauf am 24.6. 1911 in Triest.
Unsere Farben als Erbe und Auftrag
Wir sehen also: Die Farben Rot-Weiß-Rot sind kein künstliches oder von außen erzwungenes Produkt der wechselhaften politischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts – die an dieser Stelle bewusst ausgeblendet werden – sondern seit Jahrhunderten Teil unseres Landes und unserer Identität. So erinnern wir am heutigen Nationalfeiertag an den in ihnen verewigten Heldenmut Leopolds V., vergegenwärtigen uns das stolze Erbe unserer Vorfahren – die unter diesem Banner glorreiche Siege erfochten und bittere Niederlagen erdulden mussten – und blicken mit Stolz und Zuversicht in die Zukunft. Unser Kampf gilt diesem Land und seinem Volk!