19. Jänner 1946 – Die Vertreibung der Ungarndeutschen

Heute vor 78 Jahren, am 19. Jänner 1946, begann die Vertreibung der Ungarndeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Während in Ungarn anlässlich dessen seit 2013 ein eigener Gedenktag abgehalten wird, ist das Schicksal der sogenannten Donauschwaben hierzulande beinahe völlig in Vergessenheit geraten. Dr. Peter Wassertheurer zeichnet für den Heimatkurier die wichtigsten historischen Stationen der Entwicklung dieser deutschen Volksgruppe nach.

Dr. Peter Wassertheurer

Die Geschichte der Ungarndeutschen im 20. Jahrhundert ist eng mit den historischen Entwicklungen Zentral- und Südosteuropas verwoben, von denen auch andere deutsche Volksgruppen aus diesem Raum in unterschiedlicher Qualität beeinflusst wurden. Ansiedlung – Assimilation – Vertreibung bildeten wichtige gemeinsame Eckdaten ihrer Geschichte. Die Ungarndeutschen entstammten jenen deutschen Siedlern, die nach der Zurückdrängung der Osmanen aus dem Königreich Ungarn im 18. Jahrhundert von den Habsburgern angesiedelt worden waren. Blickt man in die Ära der ersten Türkenbelagerung Wiens von 1529 zurück, wurde Ungarn nach der verlorenen Schlacht bei Mohács 1526 von den Osmanen besetzt und stand beinahe 150 Jahre lang unter der Herrschaft der Hohen Pforte. 1683 standen die Türken neuerlich vor Wien. Die erfolgreiche Schlacht am Kahlenberg vom 12. September 1683 brachte mit bairisch-polnischer Unterstützung den Sieg über Kara Mustafa. Die Niederlage der Türken löste bei den Habsburgern eine militärische Gegenoffensive aus, die bis zur Schlacht bei Zenta 1718 andauerte. Den kaiserlichen Truppen gelang es an der Theiss, unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen neuerlich die Türken zu schlagen und den Frieden von Karlowitz zu erzwingen. Das Haus Habsburg erhielt Ungarn und Siebenbürgen zurück und dehnte seine Herrschaft weit nach Südosteuropa aus.

Die drei Schwabenzüge

Wien betrieb nach dem Ende der türkischen Herrschaft in Ungarn einen wirtschaftlichen Wiederaufbau und siedelte deutsche Bauern an, um Sümpfe und versteppte Landstriche nutzbar zu machen. Für die mehr als 200.000 Deutschen, die im Zuge der legendären Drei großen Schwabenzüge gekommen waren, wurden vom Wiener Impopulationsamt folgende Siedlungsgebiete ausgewählt: a.) das Mittelgebirge mit den Schwerpunkten Buchenwald (ung. Bákony), Schildgebirge (ung. Vértes) und Ofner Bergland (ung. Budai Hegység) mit den wichtigen Zentren Wesprim (ung. Veszprém), Stuhlweißenburg (ung. Székesfehérvár), Gran (ung. Esztergom), Ofen (ung. Buda) und Pest, b.)  die Komitate Tolnau (ung. Tolna), Branau (ung. Baranya) und Schomodei (ung. Somogy)  in der Schwäbischen Türkei, c.) das ostungarische Komitat Sathmar, d.) Slawonien und Syrmien, e.) die Batschka (ung. Bácska, serb. Bačka) und e.) das Banat. Den deutschen Siedlern wurden für die ersten fünf Jahre Steuerfreiheit zugesichert sowie Haus und Hof mit Ackerland zugeteilt. Die Bevölkerungsdichte der deutschen Siedler unterschied sich je nach zugeteiltem Gebiet und zeigte für die Ansiedlungszeit folgende Aufteilung: Banat 85.000, Batschka 35.000, Sathmar 7.000, Syrmien-Slawonien 15.000, Schwäbische Türkei 30.000 sowie Mittelgebirge 35.000.

Ansiedlung der Deutschen im Königreich Ungarn / Foto: Privatarchiv Wassertheurer

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Bevölkerung des Königreichs Ungarn von 3,5 auf 9,2 Millionen angewachsen, die deutsche auf 1,3 Millionen angestiegen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden sie als Donauschwaben bezeichnet. Die Donauschwaben waren daher nach den Siebenbürger Sachsen und den Zipser Sachsen die dritte große deutsche Volksgruppe im ehemaligen Königreich Ungarn. Eine kleine Gruppe bildeten in Siebenbürgen dann noch die evangelischen Landler, die im 18. Jahrhundert aus dem Land ob der Enns (Oberösterreich) ins ungarische Königreich umgesiedelt wurden.

Die Magyarisierung und der Ausgleich 1867

Die militärische Niederlage Österreichs in Solferino 1859 schwächte das absolutistische System der Habsburgermonarchie. Spätestens nach der Niederlage gegen Preußen bei Königgrätz (tsch. Hradec Králové) von 1866 sah sich das Herrscherhaus gezwungen, den Ungarn umfangreiche Zugeständnisse zu machen. Die Monarchie wurde in ein duales Staatsgebilde mit zwei Staatsgrundgesetzen umgebaut und schuf die Österreichisch-Ungarische Monarchie mit gemeinsamen Agenden. Dazu gehörten die Außen-, Kriegs- und dafür erforderliche Finanzpolitik. Kaiser Franz Joseph wurde am 8. Juni 1867 zum König von Ungarn gekrönt, Siebenbürgen dem ungarischen Königreich eingegliedert – bis 1881 auch die gesamte Militärgrenze. Am 25. Juni 1868 kam es dann zum ungarisch-kroatischen Ausgleich. Er regelte die Anbindung von Kroatien-Slawonien als politische Nation an Ungarn. Das ungarische Staatsgrundgesetz erklärte alle Einwohner zu Mitgliedern der ungarischen Staatsnation und machte das Ungarische zur alleinigen Staatssprache. Das Nationalitätengesetz von 1868 garantierte immerhin den Gebrauch der eigenen Muttersprache im Schulunterricht, in der Kirche und gegenüber den Behörden. Die deutschen Volksgruppen verfügten aber über keinen einheitlichen Siedlungsraum, wodurch eine Abstimmung gemeinsamer Interessen kaum möglich war. In der Wahrnehmung vieler Magyaren waren die Deutschen aufgrund kultureller Verflechtungen ohnehin keine Minderheit, sondern Ungarn mit deutscher Abstammung.

1879 und 1883 verabschiedete das ungarische Parlament Schulgesetze, die den verpflichtenden Gebrauch der ungarischen Unterrichtssprache auch in den deutschen Volksschulen und Gymnasien verlangten. Außerdem hatte sich die deutsche Lehrerschaft einer ungarischen Sprachprüfung zu unterziehen. Die Einführung der ungarischen Amtssprache erhöhte den Druck auf die anderssprachigen Nationalitäten, die einen verstärkten Assimilationsdruck befürchteten. Die Magyarisierung war eine bewusste Reaktion auf die demografischen Verhältnisse im Königreich Ungarn um 1840. Von den 14 Millionen Einwohnern waren nur 6 Millionen Magyaren, die sich gegenüber den nichtmagyarischen Bevölkerungsgruppen in der Minderheit befanden. Die deutschen Volksgruppen umfassten zu diesem Zeitpunkt eine Größenordnung von 1,3 bis 1,5 Millionen, die Rumänen von 2,2  Millionen, die Slowaken von 1,7 Millionen, die Kroaten von 1, 2 Millionen und die Serben von 800.000 Bewohnern. Im Gegenzug weckte die Magyarisierung den Deutschen eine verstärkte Verteidigungsbereitschaft der eigenen nationalen Identität. So erarbeitete Rudolf Brandsch aus Siebenbürgen gemeinsam mit Edmund Steinacker aus der Zips für die Deutschen im Königreich Ungarn ein Nationalitätenprogramm, das weitreichende Forderungen enthielt, nämlich: a.) eine strikte Ablehnung der magyarischen Zwangsassimilation, ohne die Loyalität gegenüber der ungarischen Staatsmacht in Frage zu stellen, b.) die Förderung des deutschen Nationalbewusstseins durch eine gezielte Presse- und Kulturarbeit und c.) den Ausbau eines genossenschaftlichen Agrarsystems nach Vorbild des Deutschen Reichs. Anfang des 20. Jahrhunderts konnte bei den Donauschwaben im südungarischen Raum eine leichte Abschwächung der Magyarisierung festgestellt werden. Zum eifrigsten Mitstreiter Steinackers zählte u.a. der Donauschwabe Adam Müller-Guttenbrunn aus dem Banat, der die Geschichte und die Traditionen der Donauschwaben zum Gegenstand seines literarischen Schaffens machte.

Der Vertrag von Trianon 4. Juni 1919

Trianon bedeutete für Ungarn einen Verlust von 70 Prozent seines ehemaligen Territoriums und 60 Prozent seiner ehemaligen Bevölkerung. Das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) bekam das Westbanat, die Batschka, die südliche Baranya, Kroatien-Slawonien, Medjimurje (Murinsel) und Prekmurje (Übermurgebiet) zugesprochen. Siebenbürgen, das Kreischgebiet, das Marmarosgebiet, das östliche Banat und die Bukowina fielen an das Königreich Rumänien. Die ebenfalls aus dem Erbe der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie hervorgegangene Tschechoslowakei erhielt das gesamte slowakische Gebiet und die Karpato-Ukraine. Der Grenzstreifen im Westen der Komitate Wieselburg (ung. Mosonmagyaróvár), Ödenburg (ung. Sopron) und Eisenburg (ung. Vasvár) kam als Burgenland an Österreich – Ödenburg blieb nach einer Volksabstimmung am 14. Dezember 1921 mit einer Mehrheit von 64 Prozent bei Ungarn. Die geopolitische Neuordnung des Donau- und Karpatenraums nach 1918 hatte große Auswirkungen auf die ethnischen Strukturen in den Nachfolgestaaten. Nur etwa 25 Prozent der zwei Millionen Deutschen, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs auf ungarischem Boden gelebt hatten, blieben als Minderheit dem ungarischen Staat erhalten. Die deutschen Siedlungsgebiete im Trianon-Ungarn konzentrierten sich auf die Komitate Tolnau und Branau in der Schwäbischen Türkei, das ungarische Mittelgebirge und das Gebiet um Ödenburg. Ungarn hatte sich genauso wie die anderen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie gegenüber dem Völkerbund vertraglich zum Schutz der ethnischen Minderheiten verpflichtet. Der Minderheitenschutz wurde jedoch als eine interne Angelegenheit betrachtet – das galt auch bei den anderen Nachfolgestaaten. 1926 trat Deutschland dem Völkerbund bei und erhielt eine Schutzmachtfunktion für die deutschen Volksgruppen in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa. 

Im Trianon-Ungarn lebten nach der Volkszählung von 1920 über 551.000 Deutsche, von denen eine Mehrheit von 56 Prozent als Bauern oder Landarbeiter tätig war. Eine Minderheit von 25 Prozent gehörte dem Industrieproletariat an, immerhin 15  Prozent waren als Unternehmer tätig. Nur 4 Prozent der Ungarndeutschen verfügten über eine akademische Ausbildung, zu einem nicht unwesentlichen Teil als katholische Geistliche. In den städtischen Ballungszentren, wo der Assimilationsdruck am höchsten war, nahm das Deutschtum stärker ab als in den agrarisch strukturierten, ländlichen Gebieten. Die ersten Ansätze einer autonomen deutschen Minderheitenbewegung im neuen Trianon-Ungarn erfolgten unter der Regierung von István Bethlen. Geführt wurde sie von Jakob Bleyer, der 1921 das „Sonntagsblatt für das deutsche Volk in Ungarn“ herausbrachte, das in erster Linie an das schwäbisch-bäuerliche Lesepublikum gerichtet war. Die Ziele Bleyers waren neben dem Ausbau des deutschen Schulwesens ein gezieltes Fortbildungsprogramm für das eigene Bauerntum, dem auch er entstammte. Das Deutschtum in Ungarn sollte durch die Heimatliteratur und landesweite Kulturveranstaltungen gestärkt werden. Zu Umsetzung seiner ambitionierten Ziele gründete Bleyer am 15. Juni 1923 den „Ungarländischen Deutschen Volksbildungsverein“ (UDV). 1926 gelang es Bleyer, über die Liste der Regierungspartei ins ungarische Parlament zu kommen, wo er die im UDV formulierten Ziele vertrat. Bleyer selbst sah sich als ungarischer Patriot mit deutscher Herkunft.

Donauschwäbische Bauern in den 1930er Jahren / Foto: Privatarchiv Wassertheurer

Die völkisch orientierten Erneuerer der 1930er Jahre suchten unter Franz Basch hingegen die politische Konfrontation mit der Staatsmacht und formierten sich in der „Volksdeutschen Kameradschaft“. 1938 wurde von Basch der „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ (VDU) ins Leben gerufen und im April 1939 von den ungarischen Behörden genehmigt. Basch verließ die bisherige Konsenspolitik, wie sie Bleyer betrieb, und orientierte sich am nationalsozialistischen Vorbild. Basch erhob als Führer des VDU eine Reihe weitreichender Forderungen gegenüber der ungarischen Regierung, nämlich 1. die Anerkennung der deutschen Volksgruppe als Rechtspersönlichkeit, 2. die Lösung der Schulfrage im Sinne des geforderten Muttersprachenunterrichts, 3. der ungehinderte Ausbau eines deutschen Pressewesens, 4. das Recht zur Gründung von Vereinen, 5. die Einführung der deutschen Predigtsprache und 6. das Recht zur Gründung einer volksdeutschen Partei. Basch erklärte, dass die Volkstreue eine der Staatstreue ebenbürtige Pflicht darstelle. Dieses Doppelbekenntnis, das zwischen Staatsloyalität und völkischer Treue unterschied, war vielfach die Ursache für das magyarische Misstrauen gegenüber der ungarndeutschen Volksgruppe. Die bilateralen Spannungen, die in den Jahren 1936 bis 1938 zwischen der Regierung von Kálmán Darányi und der nationalsozialistischen Führung in Berlin herrschten, wurden nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 und der militärischen Zerschlagung der Ersten Tschechoslowakischen Republik rasch beglichen, nachdem Ungarn mit dem Ersten Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 die südlichen Gebiete der Slowakei zugefallen waren. Budapests Annäherung an die NS-Herrschaft war wesentlich von der Absicht einer Revision des Vertrags von Trianon bestimmt, die man mit reichsdeutscher Unterstützung zu erreichen glaubte. Ungarn war folglich zu weitreichenden Zugeständnissen der ungarndeutschen Volksgruppenführung gegenüber bereit. Berlin sah sich als Schutzmacht und begann, die Minderheitenpolitik als außenpolitisches Instrument zu nutzen.

Die Ungarndeutschen und der Zweite Weltkrieg

Im deutsch-ungarischen Volksgruppenabkommen vom 30. August 1940 garantierte Budapest, dass den Angehörigen der deutschen Volksgruppe durch ihr Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung keine Nachteile erwachsen können. Mit diesem Vertrag war der Schutz des deutschen Volkstums „in die Hand des Führers“ gelegt worden. Gleichzeitig wurde die Loyalität der Ungarndeutschen gegenüber dem ungarischen Staat nicht in Frage gestellt. Im November 1940 trat Ungarn dem Dreimächtepakt Deutschland, Italien und Japan bei, und ungarische Truppen beteiligten sich im April 1941 an der militärischen Zerschlagung Jugoslawiens. Ungarn annektierte das Baranyadreieck und die Batschka. Der VDU konnte nun unter Mithilfe der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi) in eine elitäre Organisation nach nationalsozialistischen Vorgaben umgebaut werden. Ähnlich wie in Rumänien und Jugoslawien traten ab 1941 junge Ungarndeutsche zunächst freiwillig den Verbänden der Waffen-SS bei. Schon am 1. Februar 1942 unterzeichneten Budapest und Berlin ein Abkommen zur Bildung einer deutsch-ungarischen Musterungskommission, die es dem NS-Staat ermöglichte, Ungarndeutsche für den Dienst bei der Waffen-SS zu verpflichten. Anderseits dienten Ungarndeutsche aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft auch in der ungarischen Armee. Nach einer amtlichen Zählung vom 28. Dezember 1943 standen 22.125 Ungarndeutsche in den Reihen der Waffen-SS, 1.729 dienten in der Deutschen Wehrmacht und 459 in anderen wehrähnlichen Verbänden. Etwa 35.000 von ihnen entschieden sich für die ungarische Armee. Die Rekrutierungsforderungen Berlins und die drohende Niederlage Hitlers trübten das Verhältnis Berlins zum ungarischen Verbündeten. Am 19. März 1944 kam es schließlich zur Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen. Ab September 1944 rückte die Rote Armee auf ungarisches Staatsgebiet vor. Reichsverweser Miklós von Horthy bot Stalin einen Sonderfrieden an, wurde aber sofort von deutscher Seite abgesetzt. Die Nachfolge trat in Abstimmung mit Berlin der Führer der ungarischen Pfeilkreuzler, Ferenc Szálasi an. Anfang Oktober 1944 stieß die Rote Armee in den Südosten Ungarns vor und eroberte das Banat und die Batschka. Daraufhin ordnete die VoMi im Herbst 1944 die Evakuierung der deutschen Bevölkerung aus Südungarn an. Davon waren 50.000 Ungarndeutsche betroffen. Nach der sowjetischen Besetzung Budapests im Februar 1945 kam es zu größeren Fluchtbewegungen. Zuvor waren rund 25.000 ungarndeutsche Zivilpersonen aus der Schwäbischen Türkei, Südwestungarn und der ungarischen Batschka zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert worden.

Vertreibung und das Potsdamer Abkommen

Anfang August 1945 wurde in Potsdam von den Alliierten nach eigenem Wortlaut die humane und geordnete Aussiedlung der deutschen Restbevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn beschlossen. Budapest nahm hier eine Sonderstellung ein, da es ein Verbündeter des Dritten Reichs gewesen war. Treibende Kraft zur Aufnahme Ungarns in dieses Abkommen soll die Sowjetunion gewesen sein. Bereits im Frühjahr 1945 hatte die sowjetische Führung von Budapest Vorbereitungen für eine massenhafte Vertreibung der Ungarndeutschen verlangt.  Am 22. Dezember 1945 verabschiedete die ungarische Nationalversammlung eine entsprechende Verordnung über die Umsiedlung der deutschen Bevölkerung Ungarns nach Deutschland. Ausgenommen von dieser Verordnung waren vor allem Personen a) die ihr 65. Lebensjahr schon vor dem 15. Dezember 1945 vollendet hatten b) die ein aktives Mitglied einer demokratischen Partei oder wenigstens seit 1940 Mitglied einer in den Verband des Gewerkschaftsrates gehörenden Gewerkschaft waren oder c) die sich zwar zur deutschen Muttersprache, aber zum ungarischen Volkstum bekannt hatten, wenn sie glaubhaft nachweisen konnten, dass sie wegen ihrer nationalen Treue zum Magyarentum Verfolgungen erlitten hatten. Bereits zuvor war am 15. März 1945 festgelegt worden, dass der Grundbesitz der Landesverräter, der führenden Pfeilkreuzler, der Nationalsozialisten und anderer Faschisten, der Mitglieder des Volksbundes, ferner der Kriegsverbrecher und Volksfeinde konfisziert werde. Für die zwangsweise Umsiedlung nach Deutschland wurde derjenige ungarische Staatsbürger verpflichtet, der sich bei der letzten Volkszählung zur deutschen Volkszugehörigkeit oder Muttersprache bekannt hatte oder der seinen magyarisierten Namen wieder in einen deutsch klingenden ändern ließ, ferner derjenige, der Mitglied des Volksbundes oder einer bewaffneten deutschen Formation  wie der SS gewesen war.

Ungarndeutsche Opferbilanz

Bereits das deutsche Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte wies in seiner Veröffentlichung zur Vertreibung der Ungarndeutschen von 1956 auf die Schwierigkeiten hin, die sich bei der Berechnung der Opfer ergab, da kaum verlässliche Zahlen zur Verfügung stehen. Vergleicht man das Schicksal der Ungarndeutschen von 1944/45 mit anderen Volksdeutschen, zeigt sich ein wesentlicher Unterschied. Es gab keine wilden Vertreibungen mit Völkermordcharakter, wie in der Tschechoslowakei vom Blutsommer 1945 mit 270.000 sudetendeutschen Opfern. Es gab auch keinen Holodomor, wie ihn Tito nach Stalins ukrainischem Vorbild mit 5 Millionen Hungertoten zu verantworten hatte. In den jugoslawischen Konzentrationslagern kamen zwischen Herbst 1944 und 1946/47 mehr als 50.000 Donauschwaben durch brutale Gewalt, Hunger oder Seuchen ums Leben. Dieser Umstand darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ungarndeutsche Volksgruppe durch entschädigungslose Zwangsenteignungen und durch die Aberkennung der Staatsbürgerschaft mit dem Verlust sämtlicher bürgerlicher Rechte nachhaltig zerstört wurde.

Ungarndeutsche Flüchtlinge, 1945 / Foto: Privatarchiv Wassertheurer

Die organisierte Umsiedlung begann im Januar 1946 und wurde noch im gleichen Jahr beendet. 1950 befanden sich bereits 177.000 Ungarndeutsche in Deutschland, von denen 135.000 in der amerikanischen Besatzungszone angesiedelt wurden. Das österreichische Innenministerium zählte 1951 knapp über 16.000 ungarische Volksdeutsche. Demnach hatten die ungarischen Aussiedlungsverordnungen nach 1945 mindestens 190.000 Angehörige der deutschen Volksgruppe betroffen. Hier sind allerdings noch die vor der organisierten Umsiedlung aus Ungarn geflüchteten und evakuierten Personen hinzuzurechnen. Damit ergibt sich eine Gesamtzahl von 240.000. Die ungarndeutsche Volksgruppe hatte außerdem 5.000 bis 8.000 gefallene Soldaten zu beklagen. Von den 30.000 kriegsgefangenen und 25.000 zivildeportierten Ungarndeutschen waren nach sowjetischen Angaben in den menschenunwürdigen Arbeitslagern mindestens 6.000 ums Leben gekommen.

Ungarndeutsche Vertriebene, 1946 / Foto: Privatarchiv Wassertheurer

Nimmt man die Volkszählung in Trianon-Ungarn als Grundlage und zieht sämtliche Verluste, die die ungarndeutsche Volksgruppe durch den Krieg, durch die Zwangsdeportation in die Sowjetunion oder durch die Nachkriegsereignisse erlitten hatte, errechnen sich 240.000 Ungarndeutsche, die nach Abschluss der staatlich organisierten Vertreibung Ende 1946 in Ungarn geblieben sind. Bei der Volkszählung von 1949 bekannten sich im kommunistischen Ungarn aus Furcht vor Repressalien zunächst nur mehr 22.455 Personen zur deutschen Volkszugehörigkeit. Erst 1949/50 erhielten die Angehörigen der deutschen Volksgruppe die ungarische Staatsbürgerschaft zurück.

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