Am vergangenen Dienstag gedachte man in Südtirol landesweit der Hinrichtung des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer vor nunmehr 214 Jahren. In ihrer Heimatgemeinde Kurtatsch hielt FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler die Gedenkrede und appellierte an ihre Landsleute: „Seien wir stolz auf dieses Land! Seien wir stolz auf unsere Geschichte! Lassen wir uns unsere Helden nicht schlechtreden!„
Der Heimatkurier veröffentlicht hiermit mit freundlicher Genehmigung die am 20. Februar in Kurtatsch gehaltene Gedenkrede von Gudrun Kofler.
Hohe Geistlichkeit, liebe Schützen und Marketenderinnen, liebe Mitglieder der Kurtatscher Vereine, Kurtatscher!
Eine Rede in seinem Heimatort halten zu dürfen, ist immer etwas ganz Besonderes, aber gleichzeitig auch eine große Herausforderung. Was erwarten sich die Menschen? Was wollen sie hören? Was beschäftigt sie an einem solchen Gedenktag?
Wir gedenken heute dem Tod des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer. 214 Jahre ist es mittlerweile her. Nichtsdestotrotz scheinen dieses lange zurückliegende Ereignis und sein Leben und Wirken dennoch weiterhin einen sehr großen Stellenwert einzunehmen und die Menschen in diesem Land nach wie vor zu beschäftigen. Kein Wunder, war und ist Andreas Hofer doch Teil einer sehr bewegten Geschichte, die gleichzeitig auch jene von uns allen hier ist. Und vieles, was die Menschen früher zur Zeit der Tiroler Freiheitskriege bewegte, reicht bis in die heutige Zeit herauf.
Den meisten der heute hier Anwesenden braucht man nicht viel über den Sandwirt zu erzählen. Das meiste ist bekannt, vor allem sein Leben, seine Rolle als Anführer der Tiroler Aufstände rund um 1809 und die Umstände seines Todes. Darum werde ich auf diese Details nicht eingehen, das haben vermutlich schon einige vor mir getan. Stattdessen wollen wir versuchen zu begreifen, was die Männer jener Zeit angetrieben hat. Was in Tirol zur Zeit der Freiheitskriege Anno Neun vor sich gegangen ist, lässt sich wohl nur verstehen, wenn man weiß, was IN unseren Tiroler Vätern war.
Neben Andreas Hofer waren es ja viele weitere, die bereitwillig in die Schlacht zogen, um die Freiheit ihres Landes zu verteidigen. So auch der Namensgeber unserer Schützenkompanie, Josef Vigil Schweiggl. Dass diese Entscheidung alles andere als leichtfertig getroffen wurde und mit großen Opfern verbunden war, zeigt etwa ein überliefertes Testament des Kurtatscher Hauptmanns, das er im zarten Alter von 24 Jahren verfasste und seiner Verlobten, seiner „Hertzalerliebsten“, wie er sie nannte, als inniges Zeugnis der Fürsorge und der Zuneigung eine beachtliche Summe vermachte. Dass ein so junger Bursch ein Testament verfasst, ist sehr ungewöhnlich und zeugt davon, dass den jungen Männern, die damals in die Schlacht zogen, wohl durchaus bewusst war, dass sie im Unterschied zum Gegner über wenig militärische Kenntnis und noch weniger geeignete Ausrüstung verfügten. Aber: ihr Antrieb war die Liebe zur Heimat und zur Freiheit sowie die Bereitschaft, die Opfer die nötig waren, zu bringen.
Wie Hauptmann Schweiggl war auch Andreas Hofer beseelt von dem Willen zur Freiheit und er war bereit dazu, dafür alles zu geben. Sogar sein Leben. Er stellte sich bereitwillig an die Seite seines Volkes, um für dieses die Freiheit und Eigenständigkeit zu verteidigen. Noch heute steht er als Synonym für Freiheitskampf, Opferbereitschaft und Heimatliebe. Und die Bewunderung und die Sympathien, die ihm zuflogen, führten schon früh dazu, dass er für seine Feinde besonders gefährlich wurde. Julius Mosen, der Burschenschafter aus Jena, der den Text unserer Landeshymne verfasste, hält sich dabei ganz an die historischen Fakten. Mit „es blutete der Brüder Herz, ganz Deutschland ach in Schmach und Schmerz“ betonte er zu Recht die große Anteilnahme der Menschen im ganzen deutschen Sprach- und Kulturraum an Hofers Schicksal.
Aber – damals wie heute – eben nicht von allen. Schon seit jeher gab es Versuche, seine Person und sein Wirken schlecht zu machen. Waren es zunächst seine Widersacher auf französischer Seite und deren Verbündete, waren und sind es in moderneren Zeiten vor allem einschlägige Historiker und ideologisierte Gruppen, die sich an Andreas Hofer, seiner Figur und seinen Gefährten abarbeiten. Die Existenz von „Helden“ soll generell abgelehnt und überlieferte Werte und „nicht passende“ politische Ansichten radikal in Frage gestellt werden. Andreas Hofer wird in jüngster Zeit geradezu als personifiziertes Feindbild der modernen Gesellschaft gesehen: er sei patriarchalisch, autoritär, gewalttätig und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht gewesen.
Als „Tiroler Taliban“ wird er von einschlägigen Journalisten und Politikern immer wieder gern bezeichnet. Wir alle kennen die islamistische Terrorbewegung, die sich so nennt, aber wenn man das Wort Taliban googelt, findet man etwa Folgendes: Der Name ist Paschtunisch und die persische Pluralform des aus dem Arabischen stammenden Wortes talib, was soviel wie „Schüler oder Suchender“ bedeutet. Ja, eine Figur wie Andreas Hofer polarisiert. Das tun Helden immer, weil sie stets Menschen auf der einen Seite haben, die sie verehren und Menschen auf der anderen, die sie bekämpfen. Das ist deren Wesen. Aber wir wissen, wie wir zu unserem Freiheitshelden stehen. Und wir lassen ihn uns auch nicht madig machen, auch wenn man es noch so oft versucht.
Und wenn das das Wort ist, das sie für Andreas Hofer gewählt haben, dann soll es eben so sein: Ein Suchender also. Beseelt von einem übermächtigen Willen nach Freiheit und auf der Suche danach, den Weg dorthin für sich und sein Volk zu finden. Die Welt war damals eine andere und auch die Probleme der Zeit waren anders als unsere heute, aber viele Dinge sind auch heute noch genauso wichtig wie damals. Damals wie heute fanden Angriffe auf unsere Unabhängigkeit statt und damals wie heute bedeutet dies ebenfalls einen Angriff auf unsere Lebensweise, unsere Traditionen, unsere Kultur und unsere Werte.
Dabei ist es nicht nur das Offensichtliche, das uns bedroht. Es ist nicht nur die fortschreitende Beschneidung der Autonomie und unserer Rechte als deutsche und ladinische Minderheit in einem fremden Staat. Auch einiges, das uns als Fortschritt und gesellschaftliche Notwendigkeit verkauft wird, bedroht unsere Freiheit, unsere Sprache und Lebensweise. Das Recht auf Gebrauch der deutschen Muttersprache ist essentiell für den Teil des Tiroler Volkes auf dieser Seite des Brenners und es ist von überaus großer Wichtigkeit, dies mit aller Kraft zu verteidigen. Ein Recht, das nicht gebraucht wird, stirbt. Das konnte und kann man in vielen Teilen dieser Erde beobachten, nicht zuletzt im Elsaß oder auch im Aostatal, das heute zu einer gewöhnlichen italienischen Provinz verkommen ist und alle französischen Wurzeln vergessen hat. Es ist also unser Recht und unsere Pflicht, am Gebrauch der deutschen Muttersprache und der deutschen Schule mit aller Kraft festzuhalten. So ist es im Übrigen mit Vielem, was wir heute als völlig normal erachten, weil Männer und Frauen vor unserer Zeit ihr Leben dafür gegeben haben, dass dies auch so sein kann. Das gilt es zu schätzen, zu bewahren und stets in mahnender Erinnerung zu behalten.
Die Geschichte dieses Landes und die Menschen darin haben die Bewohner geprägt. Ob wir das wollen oder nicht, ob bewusst oder unbewusst. Wir verstehen es, gegen Zwänge aufzubegehren. Wir sind leidgeprüft darin, dass man uns zu gern etwas aufdiktieren wollen würde. War das bei Andreas Hofer vor über 200 Jahren so, so ist es heute genauso geblieben. Aber genauso wenig wie er, wollen wir das ohne Weiteres zulassen. Wir Tiroler haben die Revolution quasi in unserer DNA. Wir lassen – ihr lasst – nicht zu, dass man alles Fremde zum Ideal erhebt, während alles Eigene abgewertet wird. Daher seid ihr heute hier und gedenkt dieses Tiroler Freiheitshelden.
Jedes andere Volk soll seine Helden haben dürfen, nur wir nicht? Die Traditionen jedes anderen Volkes sollen als schön und erhaltenswürdig gelten, nur die eigenen nicht?
Aber nicht mit uns. Unsere Geschichte hat uns geprägt. Wir kennen unsere Wurzeln und wir haben Demut davor. Demut vor diesem Heimatboden und allen, die vor uns darauf gegangen sind und wir gehen behutsam mit unserem Erbe um. Wir sind stolz auf dieses Land, unser Dorf, unsere Gemeinschaft – im besten Sinne. Denn wir lassen uns auch dieses Wort und das damit verbundene Gefühl nicht schlecht reden. Das ist es auch, was bei unseren Widersachern – wie damals gegenüber Andreas Hofer, Hauptmann Schweiggl und ihren Mitstreitern – unwillkürlich Bewunderung hervorruft.
Seien wir stolz auf dieses Land! Seien wir stolz auf unsere Geschichte! Lassen wir uns unsere Ideale und Ziele nicht madig machen – ganz egal, wie utopisch sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen. Lassen wir uns unsere Helden nicht schlechtreden! Bleiben wir wachsam! Beobachten wir die politischen Entwicklungen in diesem Land mit Argusaugen! Schlagen wir Alarm, wenn Gefahr droht und stehen wir auf, wenn es nötig ist. Die Mittel zu kämpfen und seine Werte zu verteidigen sind heute gottseidank andere, als sie zu Zeiten Andreas Hofers waren, aber sie sind nicht minder wirksam.
„Ach Himmel, es ist verspielt“, heißt es in dem schönen Lied über den Tod des Sandwirts, das wir heute noch hören werden. Ach Himmel, es ist solange nicht verspielt, solange wir uns unserer Wurzeln bewusst sind, sie mit den uns verfügbaren Mitteln verteidigen und unseren Volkshelden weiterhin jenen Platz in unserer Erinnerung einräumen, den sie verdienen. Denn wie es schon der französische Literaturnobelpreisträger Rolland treffend ausdrückte:
„Ein Held ist einer, der tut, was er kann. Die anderen tun das nicht.“
Hoch Tirol!