Geht es nach den österreichischen Landeshauptleuten, soll der Besuch einer KZ-Gedenkstätte oder eines jüdischen Museums für neue Staatsbürger zukünftig verpflichtend werden. Die ÖVP erkennt in dieser Verankerung des Schuldkults einen Beitrag zur „Integration“ – und entlarvt damit ihr neurotisches Verständnis der eigenen Identität.
Bereits im vergangenen Herbst präsentierte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine „Null-Toleranz-Initiative“ im vielbeschworenen „Kampf gegen den Antisemitismus“: „Wer Mitglied unserer Gesellschaft werden will, der muss die historische Verantwortung, die Österreich als Staat trägt, auch als Staatsbürger mittragen“, so Mikl-Leitner damals im O-Ton.
Beitrag zur Integration?
Als Resultat wurde auf der jüngsten Konferenz der Landeshauptleute beschlossen, dass der Besuch einer KZ-Gedenkstätte oder einer vergleichbaren Einrichtung (wie etwa ein Jüdisches Museum) für Neo-Österreicher – von denen immer mehr afroarabischer Herkunft sind – zukünftig verpflichtend sein soll. Auch die eigenen Schüler sollen derartige Besuche zumindest einmal absolvieren müssen: „So wollen wir einen wirkungsvollen Beitrag leisten, um unsere Grundprinzipien und Grundwerte besser zu vermitteln.“
Schuldkult als Lackmustest
Weitere Verschärfungen beim Zugang zur Staatsbürgerschaft wurden – trotz der rapide steigenden Antragszahlen – nicht beschlossen. Wie in der Bundesrepublik Deutschland – dort hat man Fragen zum Staat Israel und jüdischen Sportvereinen in den Einbürgerungstest aufgenommen – ist nicht die Identifikation mit der österreichischen Geschichte und Kultur, sondern die Verinnerlichung des herrschenden Schuldkults der Lackmustest für die Verleihung des höchsten Guts der Republik.
Wende in der Identitätspolitik
Die ÖVP entlarvt damit ungewollt, dass sie den Kern der eigenen Identität offenbar im Schuldkult – und nicht in der über tausendjährigen Geschichte unseres Landes – erkennt. Die durchschaubare Forderung der Volkspartei nach einer gesetzlich verankerten „Leitkultur“ als „nationales Kulturgut“ richtet sich damit selbst. Es braucht stattdessen eine Wende in der Identitätspolitik und eine Abkehr von der Schuldneurose, die insbesondere auf die Jugend verheerende psychologische Auswirkungen ausübt.