Die AfD und ihr ambivalenter Umgang mit dem Begriff Remigration

Die Potsdam-Kampagne hat den Begriff der Remigration in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt und dem rechten Lager damit eine einzigartige metapolitische Möglichkeit eröffnet. Doch nun mehren sich die Anzeichen dafür, dass Teile der AfD den Begriff künftig meiden wollen. Was steckt dahinter und welche Gefahren drohen? Heimatkurier-Chefredakteur Philipp Huemer ordnet die Lage in seinem Leitartikel ein.

Glaubt man einem Bericht des Nachrichtenportals The Pioneer vom 25. März, soll sich Alice Weidel bei einem „Lunch“ mit Journalisten in Berlin angesichts sinkender Umfragewerte zuletzt besorgt gezeigt haben: „Weidel sagt: ‚Remigration‘ werde in der Öffentlichkeit mit Deportation gleichgesetzt. ‚Die Verwendung des Begriffs halte ich für unklug.‘ Intern habe sie das klargestellt.“ Will die Führung der AfD zukünftig also auf den Begriff verzichten? Auf eine Anfrage des Heimatkuriers, ob dieser Bericht den Tatsachen entspricht, antwortet Weidels Pressesprecher wie folgt: „Frau Weidel plant nicht, den Begriff ‚Remigration‘ aus beschlossenen Programmen und Konzepten der Partei zu tilgen.“

Verweigerter Applaus

Szenenwechsel: am vergangenen Mittwoch hat der fraktionslose AfD-Abgeordnete Matthias Helferich anlässlich der Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik im Deutschen Bundestag eine Rede zur grassierenden Ausländerkriminalität gehalten. Sie endete mit der Forderung: „Remigration, millionenfache Remigration“. Die zehn anwesenden Mandatare der AfD-Bundestagsfraktion verweigerten allesamt kollektiv den Applaus. Zufall oder Konsequenz der „internen Klarstellung“ von Alice Weidel? Der Heimatkurier hat bereits vergangenen Freitag bei allen zehn Abgeordneten angefragt und bislang keine Antwort erhalten. Bei einer weiteren Rede Helferichs am Freitag gab es vereinzelt Applaus.

Defensive Definition von Höcke

Am vergangenen Donnerstag traf AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke schließlich in einem brisanten TV-Duell auf den Thüringer CDU-Chef Mario Voigt. Höcke dominierte die Debatte im ersten Abschnitt klar – bis zum Thema Remigration. Höcke versuchte sich an einer neuartigen Definition, die auf zahlreiche Außenstehende allerdings defensiv und ausweichend wirkte. Im Heimatkurier-Podcast äußerte Politanalyst Daniel Fiß die Vermutung, dass hier möglicherweise die Rücksicht auf parteiinterne Diskussionen eine Rolle gespielt haben könnte. Noch kurz nach der Correctiv-Kampagne hatten sich die östlichen Landesverbände in einer gemeinsamen Erklärung klar zum Begriff bekannt und sechs konkrete Versprechen genannt. Diese hätte Höcke im TV-Duell anführen können.

Aufgabe des Begriffs wäre fatal

Diese drei Episoden lassen durchaus die Frage aufkommen, welchen Umgang die AfD mit dem Begriff künftig pflegen will. Der Publizist Martin Sellner, der im deutschsprachigen Raum als Pionier des Begriffs gilt und zuletzt ein Buch mit dem Titel „Remigration. Ein Vorschlag“ veröffentlichte, äußerte sich zuletzt in einer Audioanalyse zur Causa. Darin warnt er davor, dass die Aufgabe des Begriffs einem „Ritterschlag für Correctiv“ gleichkäme. Der politische Gegner verfolge stets das Ziel, genuin rechte Begriffe zu bekämpfen und ihr Eindringen in die politische Debatte zu verhindern. Gebe man hier nach, erleide man nicht nur Verluste, sondern bestätige den Gegner auch in dessen Taktik.

Zwei Anti-Remigrations-Lager

Konkret nennt Sellner zwei Lager innerhalb der AfD, die den Begriff Remigration aktuell in die Mangel nehmen würden: zum einen liberalkonservative, transatlantisch ausgerichtete Kreise, die die AfD von genuin rechten Inhalten „säubern“ und die Partei zu einer CDU 2.0 transformieren wollen. Zum anderen gäbe es aber auch Kräfte, die die AfD in eine „traditionalistisch-konservative“ Richtung drängen würden. Die Partei solle nach deren Vorstellung maßgeblich geopolitisch und anti-imperialistisch bzw. multipolar ausgerichtet sein. Die Themen Migration und Demografie sollen hingegen abgeschwächt und ausgeblendet werden, um potenzielle migrantische Wähler nicht zu verschrecken. Offen vertreten wird diese Strategie kaum, lediglich Frederic Höfer habe sie in seinem Buch „Feindbild Islam als Sackgasse?“ propagiert. Zuletzt hatte Hans-Thomas Tillschneider vor einer „Remigrationsfalle“ gewarnt.

Strukturelle Schwäche der AfD

Der bereits erwähnte Politanalyst Daniel Fiß hat im Heimatkurier-Podcast darüber hinaus auf eine strukturelle Schwäche der AfD im Umgang mit dem Begriff hingewiesen. Zwar habe man Remigration bereits seit Monaten in Wahlkampfreden verwendet, doch kaum ernsthaft versucht, ihn sauber zu definieren. Dadurch hätte man der Gleichsetzung des Begriffs mit „Abschiebungen“ den Boden bereitet, die auf der einen Seite zur Liberalisierung und Neutralisierung des Begriffs führen und andererseits – paradoxerweise – dem gegnerischen Framing „millionenfacher Deportationen“ zumindest ein Stück weit dem Boden bereiten würde.

Ein ganzheitliches Konzept

Um dieser Zwickmühle zu entgehen, so Fiß, müsse man betonen, dass es sich bei Remigration um ein ganzheitliches Konzept handelt. Abschiebungen sind zwar ein Teil davon, machen aber nicht ihren Kern aus. Vielmehr beschreibt der Begriff ein Bündel an Maßnahmen und Steuerungsprozessen, die zu einer Umkehrung der Migrationsströme und zur Überwindung der demographischen Krise führen sollen. Die Identitäre Bewegung Deutschland schreibt dazu auf ihrer Kampagnenseite: Remigration umfasst eine strenge Grenzpolitik, eine Reform des Staatsbürgerschafts- und Asylrechts, die Abschiebung der Illegalen, eine Leitkultur und Rückkehranreize. Durch eine Umkehrung der Push- und Pullfaktoren soll langfristig erreicht werden, dass Deutschland auch in Zukunft das Land der Deutschen bleibt und die Fehlentwicklungen und Bruchstellen der früheren Migrationspolitik behoben werden.

Kurskorrekturen reichen nicht aus

Die AfD habe es laut Fiß bislang verabsäumt, das deutlich klarzustellen, etwa in ihrem Positionspapier, das nach Potsdam „hektisch zusammengezimmert“ worden wäre. Diese Entwicklung hat der Polit-Kommentator Edmund Dietz bereits Ende Jänner für den Heimatkurier analysiert: so haben maßgebliche Wortführer der AfD, von Gottfried Curio über Bernd Baumann bis zu Marc Jongen, den Begriff als Reaktion auf die Correctiv-Kampagne in defensiver und entschärfender Absicht auf Abschiebemaßnahmen reduziert. Er kommentierte: „Dennoch hat die Partei einen metapolitischen Raumgewinn erneut verstreichen lassen. Man hat sich in Teilen stattdessen zurückgezogen und sich in voreiligem Gehorsam der politischen Korrektheit unterworfen. [….] Es reicht nicht mehr aus, ein paar Kurskorrekturen vorzunehmen. Die Ausweisung von 300.000 Abschiebepflichtigen ist insgesamt ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Positive Gegenbeispiele

Doch sowohl Sellner als auch Fiß sind grundsätzlich optimistisch, dass sich der Begriff mittel- bis langfristig durchsetzen wird – auch in der AfD. Tatsächlich gibt es dafür zahlreiche Beispiele. So äußerte der Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier gegenüber dem bereits erwähnten The Pioneer, dass die Partei beim Begriff Remigration „selbstbewusst in die Offensive gehen“ sollte. Matthias Helferich hat bereits im Dezember eine Kampagnenseite mit dem Titel „Vision? Remigration!“ gestartet. Die Ostverbände haben sich im Jänner – wie bereits erwähnt – in einer gemeinsamen Stellungnahme klar zum Begriff bekannt („Remigration ist das Gebot der Stunde!“) und diesen auch äußerst umfassend definiert. Die AfD Brandenburg hat dieser Erklärung bereits am vergangenen Wochenende Taten folgen lassen ein Wahlprogramm beschlossen, das unter anderem ein „Remigrationsprogramm 2029“ enthält.

Die Aufgabe des Vorfeldes

Klar ist: der Kampf um die Deutungshoheit über den Begriff Remigration ist noch nicht entschieden – weder innerhalb, noch außerhalb der Partei. Umso klarer hat das Vorfeld des rechten Lagers nun die Aufgabe, inhaltlich nach zu schärfen und den Begriff nicht nur zu definieren, sondern ihn mit konkreten Inhalten und Forderungen zu füllen. Der Heimatkurier als Vertreter einer rechten Gegenöffentlichkeit wird sich dieser Aufgabe in den kommenden Wochen verstärkt widmen. Denn für uns steht nach wie vor fest: „Remigration wird der bestimmende Begriff für Europa im 21. Jahrhundert sein oder Europa wird nicht mehr sein.“ Unterstützen Sie uns dabei!

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