Wegen eines Hashtags vor Gericht? Im Gespräch mit Patrick Kolek alias „Wuppi“

Weil er in den sozialen Medien den Hashtag #Stolzmonat popularisierte, ermittelte der Staatsschutz gegen ihn. Ein Justizskandal sondergleichen, der ein Schlaglicht auf die sich zuspitzende Repression in der Bundesrepublik wirft. Der Heimatkurier hat nun exklusiv mit Patrick Kolek alias „Wuppi“ gesprochen.

Patrick Kolek aus Wuppertal, besser bekannt unter seinem X-Namen Wuppi, erregte im Juni letzten Jahres deutschlandweit Aufmerksamkeit mit der #Stolzmonat-Kampagne. Doch unter die tausenden Followern, die er gewann, mischte sich auch der Staatsschutz. Jetzt sollte ihm aus fadenscheinigen Gründen der Prozess gemacht werden. Wir haben mit ihm gesprochen.

Lieber Wuppi beziehungsweise lieber Patrick! Du bist in den sozialen Medien und darüber hinaus vor allem als Initiator des patriotischen „Stolzmonat“ – als Alternative zum „Pridemonth“ – bekannt geworden. Nun hast du auf X geschildert, dass du durch diese Kampagne ins Visier des Staatsschutzes geraten bist. Was steckt dahinter?

Mitinitiator, um genau zu sein! Der Youtuber Shlomo Finkelstein kam als erster auf die Idee, eine patriotische Alternative zum Pride Month ins Leben zu rufen. Ich habe die Aktion dann mit einem gezielten Skandal auf Twitter groß gemacht: Ich zitierte den Rapper Fler auf Twitter, dieser reagierte öffentlich, dann ging es los. Der #Stolzmonat war eine der erfolgreichsten politischen Kampagnen auf Social Media der letzten Jahre. Das sah man beim Staatsschutz in NRW offenbar nicht gerne, weshalb man anfing, ins Blaue gegen mich zu ermitteln. Ich habe dann nicht schlecht gestaunt, als ich eine Anzeige in den Händen hielt.

Besonders brisant ist, dass es für die Ermittlungen offenbar überhaupt keinen Anfangsverdacht der Begehung einer Straftat gab. Dennoch wurden intimste und jahrelang zurückliegende Details – welches Auto du fährst, was du gelernt hast, in welchen Telegram-Gruppen du aktiv warst – recherchiert. Ist ein solches Vorgehen überhaupt rechtlich gedeckt?

Das ist richtig! Die Ermittlung meiner Identität erfolgte ohne Anfangsverdacht einer Straftat. Als man meine Identität hatte, wollte man irgendetwas Strafbares gegen mich finden. Also ermittelte der Staatsschutz ins Blaue und fand schließlich zwei Memes, die ich 2019 und 2020 in Chatgruppen gepostet haben soll. Darin werden verfassungswidrige Kennzeichen vermutet, obwohl in einem der beiden Fälle noch nicht einmal eine Datei vorgezeigt werden konnte. Aus diesen Nichtigkeiten wollte man mir jetzt einen Prozess wegen Volksverhetzung machen. Es ist also ein Justizskandal: Auf Befehl eines namentlich bekannten Vorgesetzten beim Staatsschutz fahndete ein Ermittler nach meiner Identität und suchte dann irgendetwas, das man mir anhängen könnte. Alles nur aufgrund der Verbreitung des Hashtags #Stolzmonat. Das könnte man sich alles nicht ausdenken, wenn es nicht in der Akte dokumentiert wäre.

Ist anhand der Akte nachvollziehbar, wie die Ermittler an die jeweiligen Informationen gekommen sind – beispielsweise die Telegram-Gruppen, in denen du vor Jahren aktiv warst? Falls nein, haben du oder dein Anwalt dafür einer Erklärung?

Wie die Behörden an die Telegram-Chats gelangten, ist nicht bekannt. Wir gehen von verdeckten Ermittlungen und Vorratsdatenspeicherung aus. Zumal die Posts, die mir angelastet werden, von 2019 und 2020 stammen, aber erst 2023 gesichtet wurden. Wie die Chats zum „Tatzeitpunkt“ aussahen, kann man gar nicht replizieren. Wir haben vor Gericht auch nachgewiesen, dass diese Chats im Nachhinein geändert werden können. Das ist der nächste Skandal in diesem Fall: in Chatgruppen befinden sich stille Mitleser und Datensammler, auch dies wiederum ohne Anfangsverdacht. So wie bei mir einfach vom Vorgesetzten befohlen wurde, meine Identität zu ermitteln, und mir dann im Nachhinein etwas anzulasten, so werden auch Chatgruppen einfach ohne bestimmten Verdacht polizeilich überwacht. Befehle gelten da höher als Gesetze, und Transparenz gibt es keine. Auf die Nachfrage des Richters, wie viele Mitarbeiter des Staatsschutzes in der Abteilung des Ermittlers arbeiten, antwortete er: „Das darf ich Ihnen nicht sagen“.

Schlussendlich bist du wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung vor Gericht gelandet. Der Grund: zwei Memes, die du im Jahr 2019 (!) in einem Telegram-Chat verwendet hast. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, weil parallel ein weiteres Verfahren gegen dich läuft. Bedeutet das also, dass du nach wie vor verurteilt werden könntest? Hat das andere Verfahren ebenso einen politischen Bezug?

Das andere Verfahren hat auch einen politischen Bezug und ist ebenso haltlos. Dort erwarte ich einen Freispruch. Darum ist es aber wahrscheinlich, dass dieses Verfahren wieder aufgegriffen wird. Sobald im anderen Verfahren der Freispruch erfolgt, muss ich mich doch wieder wegen der zwei Memes, die ich 2019 und 2020 gepostet haben soll, vor Gericht rechtfertigen. Ein juristischer Wahnsinn jagt den nächsten.

Du wirst anwaltlich von Sascha Schlösser, Medienrechtsanwalt und AfD-Stadtrat in Erfurt, vertreten. Dieser hat auch eine Initiative ins Leben gerufen, die Hilfestellung bei Repressionsschlägen bieten soll. Was hat es damit auf sich?

Herr Schlösser macht ausgezeichnete Arbeit sowohl als Anwalt als auch als Stadtrat. Er hat mir immens weiter geholfen und mir den juristischen Rückhalt gegeben, den ich angesichts der wahnwitzigen Vorwürfe brauchte. Auf www.rechtshilfeinitiative.de kann seine Anwaltsinitiative unterstützt werden, ein sehr wichtiges Projekt.

Zusammengefasst bist du für einen Hashtag vor Gericht gelandet. Was sagt das über das Ausmaß der politischen Repression und die Methoden der Behörden in Deutschland aus?

Die Repressionen erreichen ein Maß, welches mit den Grundwerten einer Demokratie nicht im Einklang ist. Unsere Volksvertreter reden immer vom Rechtsstaat, den sie angeblich gegen die rechte Gefahr verteidigen würden. Aber sie beweisen immer wieder, dass sie selbst den Rechtsstaat aushöhlen. In meinem Fall haben sie einfach drauf los ermittelt, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden. Im Klartext: Sie wollten mir etwas anhängen, um mir Stress zu machen und meinen Aktivismus zu behindern. Das ist in Diktaturen so üblich, nicht in Demokratien.

Du hast neben dem #Stolzmonat bereits andere Online-Kampagnen gestartet. Wie geht es jetzt für dich weiter?

Mein Online-Aktivismus lebt davon, dass ich gegnerische Angriffe nehme und ins Gegenteil verwandle. Das habe ich bereits in mehreren Kampagnen so gemacht: Zuletzt hatte eine Polit-Agentur versucht, den Hashtag #AfDNee gegen uns ins Feld zu führen. Wir haben daraus direkt #AfDJaa gemacht und den Angriff somit in eine Pro-AfD-Kampagne umgemünzt, die deutlich mehr Resonanz erhalten hat. Dasselbe Prinzip habe ich jetzt auch angewendet: Mit der Anzeige und dem Prozess wollte man mir eine reinwürgen. Ich nutze das aber, um über die Repressionen gegen Aktivisten und Patrioten öffentlich aufzuklären. Und über 115.000 Leute haben es bereits auf X gesehen, nach nur einem Tag. Mit Online-Aktivismus erzeugen wir also Öffentlichkeit, die größer ist, als es die Mainstream-Medien leisten können. Darum mache ich auch weiter mit Social Media Kampagnen, vor allem natürlich mit dem #Stolzmonat 2024. Dieses Jahr wird die Aktion noch größer werden als letztes Jahr. Wer in den Vorbereitungen aktiv mithelfen will, kann mir auf Twitter folgen und mich dort kontaktieren.

Lieber Patrick, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei der Abwehr der Repression!

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