Die nördlich von Madagaskar gelegene Insel Mayotte sorgte unlängst für eine weitere Konfrontation zwischen dem Rassemblement National und der AfD. Doch was hat es mit der Insel auf sich und was steckt hinter der energischen Behauptung des einstigen Kolonialbesitzes durch den RN? Matisse Royer wirft in seinem Kommentar einen französisch-identitären Blick auf die Kontroverse.
Ein Kommentar von Matisse Royer
Die Vorsitzende der rechtsnationalen Partei in Frankreich, Marine Le Pen, war vor kurzem auf einer Reise nach Mayotte. Manche würden überrascht sein, dass eine solche politische Entscheidung von einer Persönlichkeit getroffen wird, die auf den ersten Blick der radikalen Rechten zuzuordnen ist. Die Wähler in Frankreich überrascht es kaum. Der RN hat sich immer für die ehemaligen Kolonien eingesetzt, so auch für Mayotte. Dies führte zu einer neuen Kontroverse mit der AfD, die auf die Kontroverse um den Begriff der Remigration folgte.
Frankreich und Mayotte
Der Streitpunkt? Marine Le Pen ärgerte sich über die AfD, ihre Verbündete im Europäischen Parlament, die sich „besser um die eigene Probleme kümmern sollte“, anstatt die Zugehörigkeit der Inselgruppe zu Frankreich in Frage zu stellen. Dennoch fordern die Vereinten Nationen durch ihre Generalversammlung Frankreich dazu auf, Mayotte an die Union der Komoren zurückzugeben. Tatsächlich hat die internationale Gemeinschaft die Zugehörigkeit Mayottes zu Frankreich nie offiziell anerkannt. Deshalb hatte die AfD im Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, zu Mayotte Stellung zu beziehen, da dies zwangsläufig eine Antwort Deutschlands an die Vereinten Nationen impliziert.
Belastung für autochthone Franzosen
Die Insel Mayotte, die sich also nördlich von Madagaskar innerhalb des Archipels der Komoren befindet, ist ein verwaltungstechnisch französisches Land. Daher kommen viele Migranten auf die Insel, um vom französischen Sozialstaat zu profitieren, sowohl Komorer von anderen Inseln als auch Afrikaner. Wer auf Mayotte geboren wird, wird nach dem Bodenrecht (ius solis) Franzose. Damit ist klar, warum die Insel eine Hoffnung für alle Afrikaner in der Region ist. Für Mayotte ist die Zugehörigkeit zu Frankreich von Vorteil – doch für den französischen Steuerzahler stellt sie ein finanzielles Massengrab dar. Die Insel ist mittlerweile so sehr zum Problem geworden, dass selbst die Mitte-Links-Regierung vorgeschlagen hat, das Bodenrecht in Mayotte abzuschaffen. So will ausgerechnet eine linksliberale Regierung das eigentlich unantastbare „ius soli“ beseitigen, während der eigentlich rechte Rassemblement National Mayotte noch näher an Frankreich heranführen möchte.
Das koloniale Erbe Frankreichs
Die Frage lautet also: „Warum will der Rassemblement National Mayotte behalten?“ Die Rechtfertigung des RN für die Kolonisierung von der Insel ist keineswegs identitär – es geht nicht um eine Herrschaftsvision oder um wirtschaftlich davon zu profitieren, da Mayotte fiskalisch nur eine Verschwendung ist. Die Vision des RN ist paternalistisch, ein Erbe der Dritten Republik und steht in Verbindung mit dem republikanischen Nationalmythos. Woraus besteht dieser Mythos? Er bezieht sich auf die Vorstellung, dass Frankreich ein Ideal für die Welt ist, eine Art universelles Vaterland, in das sich jeder assimilieren kann, der will. So stellt die „Entkolonialisierung“ für ihn ein Drama dar, da Frankreich „seine Kinder“ verlassen würde.
Frankreich als bürgerliche Nation
Man muss Frankreichs Geschichte so verstehen: es wurde durch den Staat und durch seine militärische Dominanz aufgebaut. Dadurch beherrscht Frankreich mehrere Nationen und ethnische Minderheiten, wie die Bretagne oder das Elsass. Natürlich war die Basis ursprünglich europäisch. Heute ist sie jedoch weltoffen. Zu beachten ist übrigens die folkloristische Seite: Marine Le Pen zeigt sich in traditioneller Kleidung, spricht Mahorisch, eine Bantu-Sprache. Sie zeigt sich verbunden mit der Kultur von Mayotte und signalisiert, dass sie zur französischen Kultur gehört. Wenn es jedoch um die Bretagne geht, aus der sie stammt, ist sie gegen die Förderung der bretonischen Sprache und gegen die Anerkennung des bretonischen Volkes wegen der republikanischen Einheit. Mit anderen Worten: wegen des staatsbürgerlichen Nationalismus. Die Republik hat immer einen staatsbürgerlichen Nationalismus gepflegt. Der Aufbau Frankreichs erfolgte durch Krieg. Die Einheit Frankreichs wurde also durch Gewalt erreicht, was die RN verkörpert, indem sie sich weigert, die Existenz europäischer Völker unter französischer Verwaltung anzuerkennen und daher die identitären Ausdrücke dieser Völker, wie z.B. deren Sprache, bekämpft.
Wider dem staatsbürgerlichen Nationalismus
Der staatsbürgerliche Nationalismus ist ein Ethnomasochismus, der sich selbst ignoriert. Er ist grundsätzlich antieuropäisch, denn im französischen Rahmen wird der staatsbürgerliche Nationalismus durch den Nationalmythos induziert, wobei dieser Deutsch- und Europafeindlichkeit voraussetzt. Daher ist es notwendig, den staatsbürgerlichen Nationalismus zu bekämpfen. Die rechten Parteien müssen verstehen, dass sie sich nicht entdämonisieren müssen, denn die öffentliche Meinung unterstützt sie immer mehr. Der RN könnte davon profitieren, sich von seiner deutschen Verbündeten, der AfD, inspirieren zu lassen, anstatt deren vermeintliche Radikalität zu kritisieren. Man sollte sich nicht von dem distanzieren, was die Partei und ihre Anhänger wirklich denken: „Wer sich distanziert, der hat schon verloren.“
Europas Vision und Zukunft liegen nahe
Es ist notwendig, die Politik und unsere Energie wieder auf Europa und die Interessen der Europäer auszurichten. Wir brauchen eine identitäre und europäische Vision, um den bevorstehenden Herausforderungen zu begegnen – wie zum Beispiel dem Bevölkerungsaustausch, von dem Marine Le Pen behauptet, nichts zu wissen. Für die Völker Europas ist die Remigration der Weg zum Überleben. Es geht nicht um die Ablehnung der Assimilation, sondern um ein Bewusstsein für unsere Aufnahmekapazitäten, für die Differenzierung der Einwanderungsgruppen und für die Notwendigkeit, das Sozialsystem zugunsten der europäischen Familien zu verändern. Diese Remigration ist ein integrales Konzept, das sich in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit und natürlich Identität rechtfertigen lässt. Wir haben also keine Zeit an ferne Völker zu verlieren. Fordern wir diese bürgerlichen Kosmopoliten heraus, die tief in ihren Büchern nach den Pflichten suchen, die sie sich weigern, in ihrer Umgebung anzuwenden. Ein Intellektueller liebt die Zulus, um von der Pflicht befreit zu werden, seine Nachbarn zu lieben.
Matisse Royer studiert Medizin und ist in Frankreich, etwa auf Korsika und in der Bretagne, und darüber hinaus in ganz Europa politisch aktiv.