Weidel und Chrupalla: Unkenntnis des eigenen Amtes

Für den Publizisten Johann Konstantin Poensgen zeigt der Fall rund um Maximilian Krah: der derzeitige Bundesvorstand der Alternative für Deutschland scheint nicht zu begreifen, welche Funktion er in der Partei überhaupt einnimmt. In seinem Kommentar für den Heimatkurier zieht er ein deutliches Fazit: „Der Bundesvorstand ist strategieunfähig und politisch unzurechnungsfähig“.

Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen

Die Katastrophe geht über Machtkämpfe oder Postenschacher hinaus. Damit könnte man ja umgehen. In der Politik geht es immer auch um die Karriereinteressen von Politikern. Wer sich darüber moralisch entrüstet, verlangt von Politikern für Luft und Liebe zu arbeiten.

Unfähigkeit oder Bosheit?

Wie überall, wo Menschen Macht anvertraut wird, ist in einer Parteiführung die Unfähigkeit unendlich schlimmer, als jede Bosheit. Der gegenwärtige Bundesvorstand begreift weder die eigene Lage, noch seine eigene Aufgabe innerhalb der Partei. Die gegenwärtigen Amtsinhaber scheinen in eine Parteiinstitution besetzt zu haben, ohne zu verstehen, warum diese Institution, der Bundesvorstand der AfD mit seinen zwei Sprechern, überhaupt so existiert, wie er existiert.

Die Doppelspitze

Die Doppelspitze hat man sich der Form nach bei den Grünen abgeschaut, wo sie aber einem gänzlich anderen Zweck dient. Die grüne Doppelspitze ist der Geschlechterparität geschuldet. In der AfD hat sie sich hingegen als ein sehr brauchbares Mittel erwiesen, um die gewaltigen Zentrifugalkräfte der Partei im Zaum zu halten. Die AfD ist eine Sammelpartei des Widerstandes gegen eine zerstörerische Politik. Unter normalen Umständen einer funktionierenden Demokratie, wäre die AfD mindestens zwei Parteien, vielleicht mehr.

Ein gäriger Haufen

Erst der äußere Druck des Altparteienkartells und seiner Zerstörungspolitik zwingt alle zusammen, die sich dem widersetzen. Die innere Vielfalt ist dementsprechend groß. Und aus diesem Grund erträgt die Partei keinen Einzelspitze, die einen klaren Kurs vorgibt, sehr zum Leidwesen aller, die, zu Recht oder zu Unrecht, meinen, ihr Kurs sei der alleinig richtige für die Gesamtpartei. Mit dieser Binnenpluralität muß die AfD leben und der Bundesvorstand muß diese Binnenpluralität moderieren können. Von seinem Aufbau her ist der Bundesvorstand mit seiner Doppelspitze auch auf diese Funktion eines Moderators zugeschnitten.

Ausgleich an der Spitze

Dazu gehört auch, daß die medialen und programmatischen Rampensäue der Partei keine der obersten Positionen einnehmen. Ein Maximilian Krah, oder ein Björn Höcke können bei der derzeitigen Vielfalt innerhalb der Partei nicht Sprecher werden, weil sie damit die Gesamtpartei automatisch auf den eigenen Kurs zwingen und jedem andersdenkenden Parteimitglied die Pistole auf die Brust setzen würden. Und zwar ganz von selbst, durch die medienwirksame Persönlichkeit eines solchen Bundessprechers, selbst wenn sie das nicht wollten. Wer medial stark präsent sein will, der muß auch eine starke Botschaft verkünden und das läßt sich mit dem Amt eines Sprecher, der eine so vielfältige Partei miteinander aussöhnen und im Einklang halten muß, nicht vereinbaren.

Höcke hat es verstanden

Das hat ein Björn Höcke verstanden, der sich ein Jahrzehnt betont als Landespolitiker ohne Ambitionen auf den Bundesvorsitz präsentiert hat. Krahs Bühne ist das Europaparlament und seine medialen Auftritte, von denen er einen, den TikTok-Auftritt (mit ein bisschen Hilfe aus dem Vorfeld) selbst aus dem Boden gestampft hat. Im Bundesvorstand war Krah nur Beisitzer. Gegenüber seiner Anhängerschaft, von denen sich nicht wenige einen schärferen Kurs wünschen, hat er immer und immer wieder betont, daß man auf die Gesamtpartei und ihre Binnenvielfalt, Rücksicht nehmen muß. Würde der Bundesvorstand seinerseits mitspielen, könnte dieses Arrangement wunderbar funktionieren.

Opfer der eigenen Eitelkeit

Da ist nur ein Problem: Wenn die ständig drohende Parteispaltung dadurch vermieden wird, daß man zwischen Parteiführung und medialen Aushängeschildern personell trennt, dann hat das die unvermeidbare Folge, daß mancher Nichtparteisprecher, oder gar Nichtbundesvorstand medial profilierter ist, als die Parteiführung selbst. Dieses Arrangement erfordert von der Parteiführung und vor allem den Bundessprechern also eines: Zu akzeptieren, daß es Parteimitglieder gibt, die bekannter und populärer sind, als sie selbst, die aber durch ihre Polarisierung nicht selbst Parteisprecher seien können. Wenn sie dieses Opfer der eigenen Eitelkeit nicht erbringen können, dann ist eine solche Arbeitsteilung zur Stabilisation der Partei nicht möglich.

Bundesvorstand zerstört Gleichgewicht

Aber nicht erst mit dem Schlag gegen Maximilian Krah sieht man, daß der Bundesvorstand jeden bekämpft, dessen mediales Profil ihn als Bedrohung erscheinen lässt. Damit zerstört der Bundesvorstand selbst das innerparteiliche Gleichgewicht und das Arrangement welches als einziges in der Lage ist, eine so vielfältige Partei, wie die AfD zusammenzuhalten und die systemkritischen Kräfte Deutschlands zu bündeln. Denn den so Angegriffenen bleibt ja keine andere Wahl, als den Kampf aufzunehmen. Das kann die Partei nur auseinanderreißen.

Der Bundesvorstand ist strategieunfähig

Nicht zu begreifen, worauf die eigene Position beruht, die eigene Verhandlungsfähigkeit zu zerstören, und alle vor den Kopf zu stoßen, ist das Markenzeichen des gegenwärtigen Bundesvorstandes der Alternative für Deutschland. In einem absurden Solipsismus gefangen, weigert er sich zu begreifen, daß sein Handeln beeinflußt, wie andere Akteure den Bundesvorstand behandeln. Daß sein Handeln die Handlungsmöglichkeiten anderer bestimmt. Mit anderen Worten: Der Bundesvorstand ist strategieunfähig. Ich will mich jetzt weder moralisch aufregen, noch über Verrat schimpfen. Beides wäre angebracht, aber selbst mit einem Verbrecher kann man ja verhandeln, solange er zurechnungsfähig ist. Die Katastrophe ist, daß der derzeitige Bundesvorstand politisch unzurechnungsfähig ist. Er begreift die Grundlagen seiner eigenen Existenz nicht!

Als Frauke Petry mithilfe des rechten Parteiflügels Lucke gestürzt hatte, soll sie gesagt haben: „Wenn der Höcke bleibt, bin ich nur eine Übergangslösung.“ Höcke ist immer noch in Thüringen. Daß Petry die Partei verlassen musste, hat sie allein ihrer eigenen Fehleinschätzung zuzuschreiben.

Dieser Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen ist zuerst auf dessen Substack-Blog „Fragen zur Zeit“ erschienen und wurde von uns mit freundlicher Genehmigung übernommen. Poensgen ist Politologe vom Bildungsweg, Aktivist vom Lebensweg. Auf seinem lesenswerten Blog schreibt er über Politik und Kultur in Umbruchszeiten.

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