Das Parteiausschlussverfahren gegen den Dortmunder AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich hat im gesamten rechten Lager für Empörung gesorgt. Zwei Wochen vor der Europawahl gießt der Landesvorstand der AfD NRW damit Öl ins Feuer und verstärkt das Bild einer zerstrittenen Partei. Hinter dem skandalösen Akt soll der Bonner Stadtrat und EU-Kandidat Hans Neuhoff (AfD) stecken – doch wer ist das?
Aus Parteikreisen erfuhr der Heimatkurier, dass Hans Neuhoff, Landesvorstandsmitglied und EU-Kandidat, als Stichwortgeber hinter dem angestrengten Parteiausschluss von Matthias Helferich stecken soll. Auch der neurechte Publizist und AfD-Kenner Benedikt Kaiser schreibt auf X: „Er hat alles angestoßen.“ Pikantes Detail: während das Verfahren offiziell erst gestern eingeleitet wurde, soll der WDR – der noch am Sonntag prompt berichtete – bereits am Freitag über den Schritt informiert worden sein. Doch wer ist der in der Öffentlichkeit weithin unbekannte Hans Neuhoff eigentlich?
Einstiger Höcke-Kritiker
Neuhoff bekleidet eine Professur für „Soziologie und Psychologie der Musik“ an einer Kölner Hochschule. Laut Wikipedia ist er mit einer Frau aus Burkina Faso verheiratet und hat mit ihr drei Kinder. Als Kurator habe er „kulturübergreifende Musik- und Tanzprojekte“ organisiert, bei einer Konferenz zu Weltmusik und Einwanderungskulturen forderte er, „in Deutschland geborenen Künstlern mit Migrationshintergrund gleiche Chancen bei der musikalischen Ausbildung und Berufsfindung zu ermöglichen“. Nachdem er 2017 in die AfD eingetreten war, hatte er sich zunächst als Kritiker von Björn Höcke einen Namen gemacht. 2021 scheiterte er schließlich mit einer Kandidatur für einen Listenplatz zur Bundestagswahl und orientierte sich daraufhin um.
Ein Musikprofessor erklärt die Welt
Der Musiksoziologe inszenierte sich zum Experten für Geopolitik und dockte beim neurechten Institut für Staatspolitik an. Dort hielt er unter anderem Vorträge zum Konflikt in der Ukraine. Gleichzeitig suchte er damals plötzlich den Kontakt zu Björn Höcke und arbeitete mit ihm eine „Europaresolution“ aus. Auf dem Rücken dieser beiden politischen Schwergewichte gelang dem bis dato unbekannten Professor, der von vielen als uncharismatisch beschrieben wird, schließlich im August 2023 die Wahl auf Listenplatz 8 der AfD-Europaliste.
Distanz zu Schnellroda
Benedikt Kaiser attestiert, dass Neuhoff „seine ,rechte Ader‘ sehr spät entdeckt“ habe und setzt sogleich nach: „Da haben Leute sich vergriffen.“ Und tatsächlich: Im Jänner 2024 ging Hans Neuhoff – ausgerechnet, als nach der Potsdam-Affäre der Druck auf das rechte Vorfeld massiv angestiegen war – bereits wieder auf Distanz zu Schnellroda. So beteuerte er gegenüber dem Bonner General-Anzeiger, dass das IfS zum Zeitpunkt seines Vortrags nicht als Verdachtsfall gegolten habe: „Sonst hätte ich die Einladung nicht angenommen.“
Kommunalpolitisches Totalversagen?
Doch Neuhoff gilt nicht nur aufgrund des damit zur Schau gestellten Opportunismus als umstritten. So wird der kommende Sitz im EU-Parlament nicht sein erstes Mandat sein: seit 2020 sitzt er im Rat seiner Heimatstadt Bonn. Hätten die Delegierten des Europaparteitages vor Neuhoffs Wahl einen Blick in das Bonner Ratsinformationssystem geworfen, wäre die Wahl vielleicht anders ausgegangen. Denn laut offiziellen Anwesenheitslisten hat Neuhoff an lediglich 13 von 36 Sitzungen teilgenommen. Das ist auch dem eigenen Kreisverband nicht verborgen geblieben.
Rücktrittsaufforderungen im Kreisverband
Auf einem Kreisparteitag im Mai 2024 forderten 13 Bonner AfD-Mitglieder Neuhoffs sofortigen Rücktritt aus dem Stadtrat – wegen Arbeitsverweigerung: „Eine Fehlquote von insgesamt 68 Prozent ist gegenüber unseren Wählern nicht zu vermitteln und schadet der Reputation unseres Kreisverbandes“, hieß es im Antrag. Auch im aktuellen EU-Wahlkampf – wo es immerhin um sein eigenes Mandat geht – ist von Hans Neuhoff nicht viel zu sehen. Zumindest aus dem Social Media-Auftritt seines eigenen Kreisverbandes geht hervor, dass Neuhoff bislang nur an einem einzigen Wahlkampfstand teilgenommen hat.
Wenig Interesse an Wahlergebnis?
Es ist unklar, was Hans Neuhoff dazu antreibt, ausgerechnet zwei Wochen vor der Europawahl – die ja auch seine Wahl ist – im eigenen Landesverband einen schweren Streit vom Zaun loszubrechen. „Womöglich interessiert er sich gar nicht für ein gutes Wahlergebnis seiner Partei, da ihm bereits mit rund acht Prozent der Einzug ins Europaparlament gelingen würde“, vermutet ein Parteikollege. Grundsätzlich steht zu vermuten, dass mit dem fragwürdigen Manöver, das den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte zur Folge hat, die Kandidatur Matthias Helferichs für den kommenden Bundesvorstand der AfD verhindert werden soll.
Es bleibt zu hoffen, dass die AfD NRW derartigen machtpolitischen Spielchen in Zukunft eine Absage erteilen wird.