Seit Montag herrscht im patriotischen Lager der Ausnahmezustand. Hintergrund: der Rausschmiss des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der EU-Delegation, die unglückliche Rolle von René Aust und die harschen Reaktion darauf in den sozialen Medien. Heimatkurier-Chefredakteur Philipp Huemer wirft angesichts dessen einen Blick auf die wahren Nutznießer der Intrige – und auf das, was jetzt zu tun ist.
Ein Kommentar von Philipp Huemer
Wie berichtet, hat das vorläufige Ausbooten von AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zu einem bislang ungeahnten Aufstand von Parteibasis und Vorfeld geführt, der sich vor allem auf X und anderen sozialen Medien entladen hat. Flankiert wurde das von zahlreichen Kritikern innerhalb der Partei, etwa von Sachsens Landeschef Jörg Urban und der AfD Bayern sowie einer Petition vier einflussreicher alternativer Medien.
Aust im Fokus der Kritik
Im Fokus der Kritik – die viele für überzogen halten, genau so viele aber auch als gerechtfertigte Notwehr betrachten – stand vor allem der Thüringer AfD-Landesabgeordnete René Aust. Dieser dürfte sich trotz deutlicher Warnungen im Vorfeld von der Parteispitze für das Manöver einspannen haben lassen – und hat dafür im Netz nun die volle Quittung präsentiert bekommen. Als die Stimmung bereits wieder am Abflauen war, hat zu allem Überdruss die AfD Thüringen mit einer kameradschaftlich gemeinten, aber im Ergebnis unglücklichen – weil am Kern des eigentlichen Themas vorbeigehenden – Stellungnahme wieder Öl ins Feuer gegossen.
Rechtes Lager muss zusammenfinden
Soweit, so schlecht. Doch unabhängig von individuellen Schuldzuweisungen – egal in welche Richtung – sollte nun die Frage im Raum stehen, wie man als rechtes Lager wieder zusammenfindet und die Front gegen den eigentlichen innerparteilichen Gegner stärkt. Damit sind jene Kräfte und Netzwerke gemeint, die nach einigen Jahren der Stille und Hintergrund-Aktivität nun erneut den innerparteilichen ‚Kampf gegen rechts‘ ausgerufen haben und in diesem Sinne etwa den Parteiausschluss von Matthias Helferich vorantreiben. Genau diese Akteure – die maßgebliche Rolle von Martin Vincentz, Hans Neuhoff und Kay Gottschalk haben wir bereits beleuchtet – sind es auch, die hinter dem Manöver gegen Krah stehen und Aust lediglich vorgeschoben haben – möglicherweise genau deshalb, um ihn nach getaner Arbeit wieder fallen lassen zu können.
Die Rolle der Parteispitze
Auch die Spitze rund um Alice Weidel und Tino Chrupalla bekleckert sich in diesem Spektakel nicht mit Ruhm. Den „situationselastischen“ Umgang von Tino Chrupalla mit Maximilian Krah und den Angriffen des politischen Gegners auf ihn hat Kollege Michael Scharfmüller (Info-DIREKT) bereits ausführlich seziert. Laut parteiinternen Quellen dürfte bei Chrupalla dafür vor allem die Angst vor möglicher parteiinterner Konkurrenz aus dem Osten bestimmend sein – weshalb es ihm durchaus gelegen kommen könnte, dass nicht nur Krah abgesägt wurde, sondern in diesem Zug René Aust gleich „mitverbrannt“ wurde.
Frust durch Wahlkampfsabotage
Die Parteispitze ist es schließlich auch, die das kommunikative Desaster vor und während des Wahlkampfes sowie den katastrophalen Umgang mit den vorhersehbaren Attacken des politischen Gegners zu verantworten hat. Nur durch dieses seit Jänner in aller Deutlichkeit zu beobachtende Fehlverhalten – das von Beobachtern als unsolidarisch, strategielos und maßgeblich von Eigeninteressen geleitet charakterisiert wird – konnte überhaupt eine derart angestaute Frustration entstehen lassen, die sich nach dem endgültigen Rausschmiss von Krah aus der Delegation schließlich auf René Aust entladen hat. Das darf man – bei aller Kritik an der überschießenden Rhetorik in den sozialen Medien – keineswegs vergessen.
Die Nutznießer
Was bleibt also jetzt von der Intrige übrig? Ein Konflikt zwischen Krah und Aust, zwischen Sachsen und Thüringen – also zwischen rechts und rechts. Kein Wunder, dass die Presse das bereits genüsslich ausschlachtet und von einer Selbstzerfleischung des „völkischen Lagers“ spricht. Hans Neuhoff wähnt sich Gerüchten zufolge bereits als neuer Delegationsleiter in Brüssel. Und seine Hintermänner in NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz, die Meuthen-Anhänger im Bundesvorstand sowie die notorischen „Zeltpinkler“ (Benedikt Kaiser) reiben sich eifrig die Hände.
Vermittlung im Hintergrund
Doch glücklicherweise gibt es in der Partei ausreichend konstruktive Kräfte, die das Problem frühzeitig erkannt und im Hintergrund an einer Lösung gearbeitet haben. Genau das dürfte dazu geführt haben, dass es gestern Abend ein Gespräch zwischen Maximilian Krah und René Aust gab, wie das COMPACT-Magazin berichtet. Es bleibt zu hoffen, dass die bestehenden Konflikte dort ausgeräumt und die Wogen geglättet werden konnten. Denn von einer zerstrittenen Rechten profitieren am Ende nur jene, die drauf und dran sind, im innerparteilichen Kampf gegen rechts alle Hemmungen fallen zu lassen.
Neue Generation im Netz
Was nun? Zunächst braucht es eine ehrliche Manöverkritik aller Beteiligten – ohne einseitige Schuldzuweisungen in eine Richtung. Es gilt anzuerkennen, dass sich auf X und in den sozialen Medien ein spezifisches rechtes Vorfeld und Publikum gebildet hat, das sich nicht einfach durch als boomeresk wahrgenommene „Ermahnungen“ und „Disziplinierungen“ stillschalten lässt. Hier paart sich grundsätzliches Denken und idealistischer Einsatz mit einer offensiven und von der Netzsubkultur geprägten Rhetorik – was ein enormes Potenzial für virale Kampagnen ergibt (Stichwort: Stolzmonat). Etwaige Konflikte und Missverständnisse zwischen diesem Feld und dem restlichen Vorfeld resultieren nicht zuletzt auch aus Generationenkonflikten. Hier braucht es Brückenbauer, die respektiert werden und im Ernstfall vermittelnd eingreifen können.
Unterschiedliche Dynamiken
Andererseits muss den Protagonisten dieses Online-Aktivismus auch klar sein, dass politische Organisation und soziale Dynamiken innerhalb einer realexistierenden Gemeinschaft anders funktionieren als das weitestgehend anonyme Netz. Was dort als gerechtfertigte, lustige oder „stabile“ Provokation erscheinen mag, wird bei realen Akteuren als beispielloser Affront und Angriff auf die eigene Ehre wahrgenommen – mit entsprechenden Gegenreaktionen. Die eigenen Kampagnen können damit rasch nach hinten losgehen und – gerade in diffusen Gemengelagen – den gegenteiligen Effekt auslösen. Nur wer beide Ebenen versteht und beherrscht, kann das Potenzial des Netzaktivismus auch tatsächlich produktiv und effizient nutzen.
Angriff auf die Hintermänner
Darüber hinaus gilt es nun, jeglichen Fokus auf die Netzwerke, Hintermänner und Erfüllungsgehilfen zu richten, die die Partei von rechten Kräften säubern und nach dem nächsten Bundesparteitag eine vollständige Abkehr vom Vorfeld – egal ob online oder realexistierend – durchsetzen wollen. Sie müssen aus der Anonymität geholt, klar benannt und schließlich bekämpft werden. Denn eine solche Entwicklung würde die AfD um Jahre zurückwerfen und die geleistete Aufbauarbeit in den letzten Jahren zunichte machen. Ganz Europa und insbesondere die Jugend zeigt, dass die Uhren längst anders ticken. Verhelfen wir der neuen Zeit daher zum Durchbruch – auch innerhalb der AfD.