Der nordrhein-westfälische AfD-Landesverband befindet sich nach dem jüngst eingeleiteten Parteiausschlussverfahren gegen Matthias Helferich im schwelenden Lagerkampf. Nun dreht der Landesvorstand um Martin Vincentz weiter an der Eskalationsspirale – und schreckt laut Kritikern auch vor Willkürmaßnahmen nicht zurück.
Gestern Nachmittag beschloss man die Amtsenthebung des Siegener Kreisvorstandes unter Christian Zaum, der nun auch als Sprecher des rund tausend Mitglieder zählenden Bezirksverbands Arnsberg abgesetzt wird. Vor wenigen Stunden beschloss der Landesvorstand daraufhin die Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens gegen Zaum und entzog ihm nach gängiger Art die Mitgliedsrechte. Die (vorgeschobenen) Gründe sind in beiden Fällen womöglich ähnlich. Entgegen der Anweisung des Landesvorstandes hatte der Kreisvorstand Siegen die Aufnahme mehrerer problematischer Antragsteller in die AfD nach rechtmäßiger und korrekter Bearbeitung abgelehnt.
Feindliche Übernahme
Problematisch deshalb, weil es sich dabei um Antragsteller handelt, die aus dem Umfeld der Partei „Die Basis“ stammen und einem Aufruf ihrer Partei folgen sollen. So tauchten im Laufe des letzten Jahres Nachrichten und Videos aus dem Umfeld der Partei auf, in denen eine Übernahme des AfD Kreisverbandes Siegen propagiert wird. Coronakritische Spaziergänger und „Basis“-Sympathisanten werden zum AfD-Beitritt aufgefordert, mutmaßlich um darüber kommunale Mandate zu erringen und diese danach an „Die Basis“ zu überführen. Zur Erinnerung: die „Die Basis“ befürwortet eine multikulturelle Gesellschaft und steht damit diametral zum politischen Programm der AfD. Eine Flutung des Kreisverbandes Siegen mit „Basis“-Sympathisanten ist daher nicht im Sinne der Partei.
Doktor ohne Studium
Etwa 60 Aufnahmeanträge wurden im vergangenen Jahr über Vermittlung des Siegener AfD-Mitglieds Henning Zoz gestellt. Zoz steht über seinen coronakritischen „Siegener Autokorso“ im engen Kontakt zur „Basis“. Immer wieder fiel er in der Vergangenheit durch einige Kontroversen auf. Bei der Bürgermeisterwahl in Siegen 2020 trat er er als „Dr. Henning Zoz“ auf, ohne nach eigenen Angaben je studiert zu haben. Wie im Landesverband NRW nicht unüblich, besuchte Henning Zoz den russisch besetzten Donbass, wo er sich mit Separatistenführern traf. Wer die Hintergründe um das Umfeld der Antragsteller und Henning Zoz kennt, wird schnell erkennen, dass es dem Landesvorstand von NRW keineswegs nur um das Wohlergehen der Partei gehen kann. Sowohl die Außendarstellung als auch die innere Geschlossenheit des Kreisverbands Siegen hätten bei einer anderen Vorgehensweise ihres Vorstandes großen Schaden davongetragen.
Machtausbau mit der Brechstange
Gräbt man in der jüngeren Parteigeschichte etwas nach, offenbaren sich die Hintergründe. Es ist kein Zufall, dass es einen Kreisverband trifft, der dem Landesvorstand kritisch gegenübersteht. Kreissprecher Christian Zaum selbst kandidierte noch im Februar für den Landesvorstand, gegen den Willen von Parteichef Vincentz. Der von Zaum geführte Bezirk Arnsberg gilt dem Landesvorstand zudem als oppositioneller Bezirksverband, in dem auch das Vorgehen gegen Matthias Helferich überwiegend abgelehnt wird. Seit Jahren wird Zaum sowohl in Siegen als auch im Bezirk Arnsberg als Sprecher bestätigt und genießt augenscheinlich das Vertrauen der meisten Mitglieder.
Beginn einer Säuberungswelle
Doch damit soll nach dem Willen des Landesvorstandes nun Schluss sein. Was Wahlversammlungen und demokratische Entscheide nicht schaffen, führt man mittlerweile über willkürliche Ordnungsmaßnahmen herbei, so parteiinterne Kritiker. Solange ein solches Vorgehen keine Konsequenzen erfährt, dürfte damit laut Beobachtern nur der Beginn einer groß angelegten Säuberungswelle gegen unliebsame „Parteifreunde“ eingeläutet worden sein. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich kritisiert dahingehend auf X das Schweigen der Parteispitze und des Bundesvorstandes und sieht sogar den Wahlantritt der AfD NRW zu den Bundestagswahlen 2025 gefährdet.