Der „Assad-Fluch“ ist als Meme inzwischen ein volles Jahrzehnt alt: der syrische Bürgerkrieg begann 2011 und es steht nicht in Aussicht, dass Assad verschwinden wird. Doch erst jetzt beginnt in der Europäischen Union das Umdenken: sieben Staaten fordern in einem Brief Verhandlungen über Rücknahmeabkommen.
Als der „Arabische Frühling“ auch nach Syrien kam, stellte sich die Europäische Union auf die Seite der Aufständischen gegen die Regierung Bashar el-Assad. Der Krieg gipfelte im kurzen Siegeslauf des Islamischen Staates 2014. Seit dessen Niederschlagung sitzt Assad wieder fest im Sattel. Die „Freie Syrische Armee“ und ähnliche Rebellengruppen, die einmal den wohlwollenden Blick westlicher Demokratieexporteure auf sich zogen, sind längst Teil der Zeitgeschichte. Syrien bleibt zwar weiter zersplittert, weil Rußland und die Türkei den Konflikt im Norden eingefroren und auch die Amerikaner noch einen Teil im Osten des Landes besetzt halten, aber die Zeit, in der ein Sturz der syrischen Regierung ernsthaft ins Auge gefasst werden kann, ist seit einem Jahrzehnt vorbei.
13 Jahre ohne Botschafter
Trotzdem haben die meisten europäischen Staaten bis heute keine normalen diplomatischen Beziehungen zu Syrien. In den Jahren nach 2011 hatte man die Botschafter abgezogen um seine Unterstützung der Rebellen zu signalisieren. Doch weder die Niederlage der Rebellen, noch die massiven Ströme von Asylanten aus Syrien haben hier zu einem Umdenken geführt. Die moralische Signalwirkung scheint wichtiger gewesen zu sein. Inzwischen hat selbst Erdogan den Fehler erkannt und betreibt die Normalisierung der Verhältnisse zwischen den beiden Staaten. Eine gemeinsame Initiative aus Österreich, Italien, Griechenland, Zypern, Kroatien, Slowenien, der Slowakei und Tschechien, versucht nun auch die Europäische Union von dem zu überzeugen, was seit einem Jahrzehnt Wirklichkeit ist.
181.000 syrische Asylanträge, allein 2023
Der wichtigste Grund für dieses späte Umdenken ist der immer noch anhaltende Migrationsdruck. 181.000 Asylanträge stellten tatsächliche oder angebliche Staatsbürger Syriens allein im Jahr 2023. Damit ist Syrien nach wie vor Spitzenland bei der (offiziellen) Herkunft von Asylforderern in der Europäischen Union. Jetzt sei es „höchste Zeit, unsere Syrien-Politik auf Herz und Nieren zu überprüfen“ um eine „sichere, freiwillige und würdevolle Rückkehr von syrischen Flüchtlingen“ zu ermöglichen, so der österreichische Außenminister Schallenberg (ÖVP) in einem gemeinsamen Papier mit seinem italienischen Kollegen Antonio Tajani.
ÖVP gegen bilaterale Rückführungsabkommen
Einen Antrag der FPÖ auf den Abschluss von bilateralen Rückführungsabkommen, lehnte die ÖVP allerdings erst im Juni diesen Jahres ab. Wie ernst es den eifrigen Wahlkämpfern der ÖVP also mit den Rückführungen tatsächlich ist, wird man sehen müssen. Der nächstgrößte Posten auf der Asylstatistik ist Afghanistan, mit 114.000 Anträgen EU-weit im Jahr 2023. Auch hier fordert die FPÖ Verhandlungen mit den Taliban, die nun einmal die Regierung von Afghanistan stellen. Die Taliban sind seit 2021 wieder an der Macht. Angesichts des Ansturms kann Europa es sich nicht erlauben, im Jahr 2031 erstmals darüber nachzudenken, wieder mit der Regierung in Kabul zu reden.