Junge Nationalisten und Kameradschaften mobilisieren in Sachsen mehrere Hundert Menschen zum Gegenprotest gegen den Christopher Street Day. Der Demonstrationsstil setzt auf maximale Provokation und „Szene-Happening“, das vor allem junge Leute anzieht. Daniel Fiß ordnet das Geschehen ein.
In Leipzig wollten am vergangenen Wochenende etwa 300 Personen gegen den örtlichen Christopher Street Day (CSD) protestieren. Beflügelt von einem Mobilisierungserfolg im sächsischen Bautzen nur eine Woche zuvor, versuchte ein Sammelsurium aus Jungen Nationalisten (JN), dem Dritten Weg, lokalen Kameradschaftsbündnissen und allem, was man unter dem Sammelbegriff „Alte Rechte“ zusammenfassen kann, erneut eine Machtdemonstration auf die Straße zu bringen. Die Dynamik dieses Protestgeschehens hat insbesondere aufgrund des recht jungen Altersschnitts der Demonstranten manche Beobachter überrascht. Erleben wir hier eine Renaissance altrechter Protestkultur?
Bis 2014 war das rechte Demonstrationsgeschehen vorwiegend von der alten Rechten dominiert. Erst mit dem Aufkommen von PEGIDA konnte dieser enge Szenekorridor aufgebrochen werden, wodurch ein neues, attraktiveres und anschlussfähigeres Bild rechter Demonstrationen etabliert werden konnte.
Wie Bautzen und Leipzig jedoch zeigen, hat die altrechte Szene keine neue Strategie, Taktik oder ideologische Erneuerung vorgenommen. Der Mobilisierungserfolg knüpft an die gleichen alten Muster wie in den letzten Jahrzehnten an: maximale Provokation, Szenebespaßung, Subkultur und ziellose Radikalität. Dies mag bei jungen Leuten eine gewisse Faszination ausüben, doch es führt schlussendlich in eine große Sackgasse, an deren Ende diese Proteste nur bereitwillig die Karikatur liefern, die sich das linke Establishment als mahnende Projektionsfläche wünscht. Bekleidung in martialischer Horrorfilm-Optik, halbironische NS-Slogans, Hitlergrüße und dazwischen eine aus dem AfD-Onlineshop bestellte „Unser Land zuerst“-Fahne sind genau die Bilder, die es braucht, um rechte Politik ganzheitlich zu diskreditieren und zu beschädigen.
Das System will alte und neue Rechte stets als Einheit darstellen. Das Establishment trifft keine Unterscheidung zwischen Identitärer Bewegung, Die Heimat (ehemals NPD), Junge Alternative, Dritter Weg und AfD. Doch sollten wir uns deshalb lapidar mit einem „Für unsere Gegner sind wir sowieso alle Nazis“ abfinden? Mitnichten. Die Adressaten einer Weltanschauung, eines politischen Stils und einer metapolitischen Strategie sind nämlich nicht unsere Gegner, sondern die Deutschen und Europäer, die sich für den Erhalt ihrer Heimat und Identität einsetzen. Dazu braucht es weder offen noch verklausuliert einen positiven Rückbezug auf die NS-Ideologie. Die Selbsterhaltung unseres Volkes ist nicht an die Rehabilitierung von Ideologien aus dem letzten Jahrhundert gebunden.
Das System hat eine Falle aufgestellt, in die die Nachkriegsrechte seit 1945 immer wieder zuverlässig hineintappt. Der beständig verschärfte Kampf gegen rechts, politische Korrektheit und die antifaschistische Staatsräson sollen zu Überreaktionen provozieren, die am Ende die metapolitische Machtstruktur unserer Gegner nur noch weiter verstärken. Dort, wo dieses simple Reiz-Reaktionsschema mit einer authentischen und anschlussfähigen Rechten durchbrochen wurde, wird mit viel Propaganda oder eben auch installierten Provokateuren nachgeholfen. Die Neue Rechte ist keine taktische Neuerfindung der NS-Subkultur, sondern ein eigenständiges Spektrum mit klarem weltanschaulichem Kompass, selbstbewusstem Stil und Auftreten sowie eigenen Ideen.
Die jungen und zu großen Teilen noch minderjährigen Leute, die in Bautzen und Leipzig auf die Straße gingen, taten dies nicht, weil sie einem strategischen Ziel folgen würden. Sie mögen auf politischer Sinnsuche sein und ein patriotisches Grundempfinden haben. Die Provokationen und politischen Erlebniswelten aus Rechtsrock, Szenekleidung und Kameradschaft mögen für die entsprechenden Dopamin-Kicks sorgen, doch die Strukturen dieser Szene zerfallen in der politischen Wirkungslosigkeit, wenn sie immer wieder mit offenen oder konkludenten NS-Ideologiefragmenten verkleistert werden. Dann bleibt nur noch Ghetto und Selbstisolation, worüber man in Rechtsrockliedern voller Stolz die eigene Standhaftigkeit besingen kann, aber den Kampf für die Zukunft unseres Volkes gegen Szenefetisch und ideologische Borniertheit eingetauscht hat.