Nach dem Terrorattentat in Solingen ist eine Debatte über die politischen Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten entbrannt. Dabei dienen vor allem die sicherheitspolitischen Forderungen immer wieder als Beruhigungspille für das Volk
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat am Sonntag-Abend in einer ARD-Polittalksendung die Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit der Altparteien treffend auf den Punkt gebracht: „Aus Solingen lässt sich nichts lernen.“ Drei Menschen sind tot, mehrere schwerverletzt. Die Reaktion der Chefin einer Regierungspartei ist jedoch nur das Eingeständnis eines fehlenden Lerneffekts. Esken mag damit aber vielleicht ehrlicher sein als manche ihrer Parteikollegen. Olaf Scholz versprach in Solingen eine baldige Verschärfung des Waffenrechts. CDU-Politiker wollen sich nun für mehr Videoüberwachung und Polizeipräsenz im öffentlichen Raum einsetzen. Weitere Bürgermeister deutscher Städte wollen Solingen nun als Anlass für die Ausweitung von „Messerverbotszonen“ nutzen. Schon 2016, nach dem bisher größten islamistischen Anschlag auf deutschem Boden, am Berliner Breitscheidplatz, wusste sich die Politik nicht anders zu helfen, als mit der Aufstellung von massiven Pollern auf belebten Plätzen.
Der ethnokulturelle Blindfleck
Die konservative Law-and-Order-Politik ist reine Symptombekämpfung und ein Offenbarungseid für die Handlungsunfähigkeit des Establishments.
Der große Blindfleck bleibt das ethnokulturelle Spannungsfeld, in dem die sozialen Konfliktherde, Verteilungskämpfe, Religionen und Lebenswelten aufeinanderprallen. Vermeintlich „Konservative“ wollen die ethnischen Schockmomente wie bei einem Wasserrohrbruch mit immer mehr billigen Klebeband verdichten. Doch die Klebeschichten platzen immer wieder auf, solange man Problemstellungen der Migrationspolitik meint mit einem mehr an Sicherheit zu lösen.
Das Sicherheitsdispositiv hat die Funktion, Ethnizität aus der Politik herauszuhalten. Die CDU hat dieses Spiel perfektioniert und sich so als Partei der inneren Sicherheit profiliert. Wenn die Gründe der Unsicherheit tabuisiert sind, kann man natürlich endlos Sicherheit…
— Dimitrios Kisoudis (@kisoudis) August 24, 2024
Vertrauensgesellschaften als Basis des sozialen Friedens
Die Grundlage unserer Lebensart sind sogenannte „High-Trust-Societys“ die von einem breit geteilten ethischen Kodex ausgehen. Der moralische Konsens muss nicht erst durch Institutionen und Verwaltungen produziert werden, sondern wird als natürliche Komponente bereits vorgefunden. Mehrere Soziologen und Ethnologen haben sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt. Zerbricht diese gesellschaftliche Vertrauensbasis kann man entweder politisch an der Ursachenbekämpfung beginnen oder muss aufwändig einen künstlichen Vertrauenszustand herstellen, der Sicherheit und Wohlstand simuliert.
Wer Ethnizität und Kultur aus der öffentlichen Sicherheitsdebatte ausblendet wird in einem symbolpolitischen Hamsterrad verharren. Man muss die Basis von Sicherheit und Unsicherheit auch anhand der bevölkerungspolitischen Komponente betrachten. Über diesen Weg verstehen wir wie sich Parallelgesellschaften bilden können, wie Islamismus entsteht und Gewaltexzesse im öffentlichen Raum stattfinden. Kein Heer an Sozialarbeitern wird den Islamismus besiegen. Keine Investitionsgießkanne für Straßen und Schulen wird ethnokulturelle Parallelgesellschaften aufbrechen. Es braucht eine neue identitäre Bevölkerungspolitik mit Remigration als migrationspolitischem Paradigmenwechsel.