Die Bluttat von Solingen hat tatsächlich die Republik erschüttert. Nicht bloß im Sinne der emotionalen Phrase, sondern sie hat tatsächlich den Diskurs verändert. Die Union geriert sich nun auf einmal als liberalkonservative Partei der Einwanderungsvernunft. Selbst bei den Grünen fragen sich manche, wie es weitergehen soll.
Die Grünen sind die Seele der bundesdeutschen Altparteien. Die Union mag sich mit Recht als die staatstragende Partei der BRD fühlen, weil sie die organisatorische und verwalterische Hauptlast stemmt. Was immer das in einem System, das auf falschen Fundamenten aufgebaut ist, wert ist. In den Grünen hat sich dieses falsche Fundament dieser Republik kristallisiert: Selbstvergessen, migrationsbesoffen, schuldkultig und mit jener unerträglichen moralischen Besserwisserhaltung derjenigen, die sich keine fünf Sekunden um die Folgen ihres Handelns scheren.
Technokratische Restvernunft gegen grünen Irrsinn
Gleichzeitig haben sich die Grünen zur Partei der managerialen Elite entwickelt. Nicht, dass sie deswegen irgendein langfristiges Problem angehen würden, außer den Klimawandel, der sich so wunderbar dazu eignet, mehr Macht bei sich selbst und ihren Behörden zu sammeln. Wenn die Probleme aber anbrennen, dann kommen doch die Technokrateninstinkte durch, irgendeine provisorische Lösung zu erarbeiten, mit der das Problem auf das nächste Quartal verschoben werden kann.
Wirklichkeit lehrt Fakten
Das jahrelange Paradebeispiel dafür war der 2023 aus der grünen Partei ausgetretene Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer. Nach dem Anschlag von Solingen scheint der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz in Palmers Fußstapfen treten zu wollen: „Wer den Kern unserer offenen Gesellschaft bewahren will, wird an relevanten Verschärfungen in der Asyl-, Migrations- & Sicherheitspolitik nicht umhinkommen. Am besten gelingt uns das in einem großen demokratischen Schulterschluss, Regierung & Opposition, Bund & Länder“, erklärte er. Es ist wohl kein Zufall, dass beide, Palmer wie Bayaz, aus Baden-Württemberg kommen, wo die Grünen die CDU inzwischen als tragende Partei abgelöst haben. Anderswo und auch im Bund sind die Grünen in der Position des kleineren Koalitionspartners und Königsmachers, der seine ideologischen Herzensanliegen mit der Drohung des Koalitionswechsels durchdrücken kann, ohne wirklich Verantwortung zu übernehmen. In Baden-Württemberg als einzigem Bundesland stehen die Grünen mit eigenem Namen für die Folgen der Politik ein, die ihre Partei mehr als alle anderen zu verantworten hat.
Es bleibt absurd, auf eine Realowende bei den Grünen zu hoffen
Deshalb ist es auch sehr symbolisch, wer Bayaz gleich darunter widerspricht: der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt.
Jemand, der für gar nichts die Verantwortung trägt, außer dafür, sich in Brüssel und Straßburg in die Anwesenheitslisten einzutragen, um seine Tagesdiät nicht zu versäumen. In einer Sache hat Marquardt dann aber doch recht: „Der nationale Spielraum zu Asylrechtsänderungen ist durch GEAS [Gemeinsames Europäisches Asylsystem] jetzt sehr gering.“ Aus diesen und tausend anderen Gründen bleibt es absurd, auf eine Realowende bei den Grünen zu hoffen, auch wenn das manchem Palmer-Fan aus der Coronazeit schwer fallen wird. Was aber möglich ist, ist sind Zerwürfnisse innerhalb der Partei zwischen regierenden Verantwortungsträgern, vor allem aus Bade-Württemberg, und dem ideologischen Kern der Partei.