Ob Mark Zuckerberg nun bereut, daß er während der Covidzeit auf Wunsch der Regierung Biden zensiert hat, ist nebensächlich. Wichtig ist, wohin sich die Techelite politisch entwickelt und dafür ist sein Reuebekenntnis ein guter Indikator. – Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen
Mark Zuckerberg hat jetzt eine Stellungnahme gegen Zensur in Amerika veröffentlicht und sich für seine Beteiligung an der Zensur während der Covidzeit entschuldigt. Sofort wurden Stimmen laut, daß das ein bisschen spät sei. Daß Zuckerberg seine Begeisterung für das freie Wort mal drei Jahre früher hätte entdecken können. Doch darum geht es nicht. Es geht nicht um Zuckerbergs private Meinung. Zuckerbergs Erklärung ist ein Zeitdokument, das zeigt, wie sich der Wind dreht.
Nein du kannst nicht in Zuckerbergs, oder Musks Kopf schauen
Diskussionen um mächtige und bekannte Milliardäre arten in aller Regel zu Debatten um den Charakter und die geheimen Absichten der betreffenden Personen aus. Bei Elon Musk ist das immer am ausgeprägtesten: Fans, wie Gegner behaupten nichts weniger, als in seinen Kopf hineinschauen zu können. Der ganze Streit dreht sich dann um die Frage, was er wirklich will. Was sind seine Pläne? Bei Musk selbst könnte das sogar die richtige, doch weil wir keine Gedanken lesen können, letztlich doch zwecklose Frage sein. Niemand kann wissen, was Musk wirklich von den gegenwärtigen politischen Zuständen hält. Und wenn man es wüsste, dann wüsste man immer noch nicht, was er unter welchen Bedingungen zu tun bereit wäre. Hat er Twitter gekauft, weil er weltanschaulich von der überragenden Bedeutung der Redefreiheit überzeugt ist? Wenn nicht, wenn er es als reines Machtmittel gekauft hat, was sind dann seine Pläne? Wofür steht er dann ein? Das kann keiner abschließend sagen, aber jeder kann munter drauflos spekulieren.
Bedeutende Persönlichkeiten sind die Schwachstelle jeder politischen Prognose, einfach weil sie zu unberechenbar sind. Manchmal hat man eine Art Zeitkapsel welche verrät, wie jemand gedacht hat, bevor er im vollen Licht der Öffentlichkeit stand. Peter Thiel etwa schrieb 2007 einen Essay mit dem Titel „The Straussian Moment“ in dem er im wesentlichen die Ansicht vertritt, daß liberale westliche Gesellschaften mit der Wahrheit über ihre eigenen Grundlagen nicht umgehen können und jeder Denker oder Staatsmann das bei seinen öffentlichen Äußerungen berücksichtigen muß. Man ziehe daraus seine Schlüsse wann immer man Thiel heute reden hört.
Die allermeisten Milliardäre sind keine Übermenschen
Man muß aber nicht so tun, als könne man hinter die Stirn von Menschen blicken, die was immer man sonst von ihnen halten mag, sicher zu denjenigen auf der Welt gehören, die Intelligenz und praktische Energie am besten miteinander vereinen. Denn trotzdem sind die allermeisten Milliardäre keine Übermenschen. Vor allem aber sind ihre Äußerungen und Entscheidungen oft stärker von gesellschaftlichen Bedingungen bestimmt, als das bei einem normalen Menschen der Fall ist. Wer ganz oben steht, von dem wird auch ganz besonders erwartet, daß er sich an die Regeln des Systems hält. Gerade die Reichen und Mächtigen sind da oft am wenigsten frei. Das ist übrigens nicht einmal nur auf der allerhöchsten Ebene so, das sieht man schon bei recht normalen Leuten. Ein Handwerker kann sich viel eher erlauben Rechts zu sein, als jemand aus dem mittleren Management. Weiter oben nimmt der Konformitätsdruck zu und die allermeisten beugen sich. Das ist auch der Grund für das erwiesene Phänomen, daß intelligente Leute im Schnitt konformistischer sind, als weniger intelligente. Wer intelligent ist, steht oft in der gesellschaftlichen Schichtung weiter oben und er bewegt sich in Kreisen, beruflich wie privat, in denen ideologische Linientreue eher verlangt wird, als in den unteren Schichten. Auf dem Bau interessiert es keinen, wenn Landser aus der Anlage dröhnt. Ein Wissenschaftler, Schriftsteller, aber auch ein Manager kann für eine harmlose Bemerkung gecancelt werden, wenn er Pech hat.
Auch die da oben folgen meist der Herde
Wenn sich deshalb ein wichtiger Mensch zu kontroversen Themen äußern sollte man weniger darüber nachdenken, was dieser Mensch nun in seinem Herzen denkt, sondern es einfach mal als das nehmen, was es wohl zuallererst ist: Ein Ausdruck seiner Position in der gegebenen Lage. Und die ist öffentlich einsehbar.
So ist das auch mit Zuckerberg, also schauen wir uns seine Erklärung einmal an:
Zuerst fällt der Adressat auf: Jim Jordan, Vorsitzender des Justizausschusses im amerikanischen Repräsentantenhaus ist einer der lautstärksten Vertreter des rechten, trumpistischen Flügels der republikanischen Partei. Zuckerbergs Erklärung ist eine Antwort auf eine Anfrage von Jordan im Rahmen von Untersuchungen dieses Ausschusses. Zuckerberg ist also nicht eines Morgens aufgewacht und hat den Drang verspürt sein Gewissen zu erleichtern. Er handelte in Reaktion auf eine Untersuchungsanfrage, die an ihn herangetragen wurde. Aber, nichts hätte ihn daran gehindert mit leeren Plattitüden zu antworten. In Sachfragen hätte er vermeiden müssen sich durch Falschaussagen strafbar zu machen, das hätte dann ein Anwaltsteam für ihn erledigt. Der Anlaß trat von außen an ihn heran aber Zuckerberg selbst hat sich dazu entschlossen der Antwort die Form eines persönlichen Bekenntnisses zu geben. Vor allem aber hat ihn niemand gezwungen eine politische Seite zu wählen. Oder besser: Die Seiten zu wechseln.
Zuckerberg wechselt die Seiten
Denn das ist der Kern des ganzen Textes: Zuckerberg wechselt politisch entweder die Seiten, oder versucht zumindest sich in die Neutralität zurückzuziehen. Wie alle Technologieunternehmen ist auch Meta von guten Beziehungen zu den politischen Machthabern abhängig. Sei es, weil sie auf irgendeinem Wege Staatsgelder erhalten, sei es, weil sie günstige Regulation und Aufsicht benötigen, um operieren zu können. Zuckerberg ist vor allem immer noch der Vorstandsvorsitzende eines Milliardenkonzerns und muß als solcher handeln. Wenn er öffentlich der amtierenden Regierung schweres Fehlverhalten vorwirft, dann heißt das vor allem erst einmal, daß er nicht glaubt, daß diese Regierung noch lange an der Macht bleiben wird.
Was wirft Zuckerberg nun konkret auf? Zuckerberg nimmt zu drei Themengebieten Stellung: Erstens die Zensur in der Covidzeit. Zweitens die der Schattenbann gegen Material zu Korruptionsvorwürfen gegen die Familie Beiden und insbesondere zum Burisma Skandal bei dem es um die Frage geht, wie um alles in der Welt Joe Bidens Sohn Hunter im Verwaltungsrat des ukrainischen Gasanbieters Burisma gelandet ist. Drittens den Beitrag der Chan Zuckerberg Intitiative, der privaten Wohltätigkeitsorganisation von Zuckerberg und seiner Frau, zur „Unterstützung der Wahlinfrastruktur“ während der letzten Wahl.
Zum ersten Punkt schreibt Zuckerberg: „2021 übten hochrangige Vertreter der Regierung Biden, einschließlich des Weißen Hauses monatelang wiederholt Druck auf unsere Teams aus um bestimmte Inhalte zu COVID-19 zu zensieren und drückten starke Unzufriedenheit mit unseren Teams aus, wenn wir andere Meinung waren, als sie.“ Auch bei einer direkten Anfrage des Justizkomitees hätte Zuckerberg weder die Regierung derartig belasten, noch überhaupt das Wort „Zensur“ verwenden müssen. Ein Zuckerberg, der auf der Seite der Regierung Biden und der dahinter stehenden Machtnetzwerke bleibt, aber auf eine ärgerliche Anfrage antworten muß, hätte von Inhaltsmoderation, oder andren Euphemismen gesprochen und davon, daß man mit der Regierung Biden fruchtbar zusammengearbeitet hat.
Betreffs der Korruptionsvorwürfe gegen die Familie Biden sagt Zuckerberg, daß das FBI diese Geschichten zu russischer Desinformation erklärt habe, später aber habe sich herausgestellt, daß sie das nicht gewesen seien. Zuckerberg sagt nicht direkt, daß die Korruptionsvorwürfe stimmen, damit würde es sich selbst in juristisch wie politisch angreifbare Position bringen, aber er impliziert es durchaus. Auch das hätte er nicht tun müssen.
Was schließlich die Aktivitäten der Chan Zuckerberg Intitiative während der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2020 anbelangt, so erklärt er, daß er um seine parteipolitiche Neutralität zu wahren, solcherlei bei dieser Wahl nicht wiederholen werde.
Machtnetzwerke verschieben sich. Wohin? Das wird man sehen.
Mit dieser Erklärung hat Zuckerberg sich nicht einfach von dem schwerdementen Biden, verabschiedet, sondern ein gehöriges Stück Distanz zwischen sich und die Machtnetzwerke gebracht, die Biden 2020 gegen Trump durchgeboxt und ihn seither an der Macht gehalten haben. Gleichzeitig versucht er sich bei Trump und den Leuten um ihn herum zumindest die Tür offenzuhalten. Man redet oft von den Eliten und das zu Recht. Doch die Eliten sind kein monolithischer Block. Gerade jetzt lösen sich alte Netzwerke und Strukturen auf, neue werden gebildet. Das führt weder automatisch zu „unserem“, noch zu „deren“ Sieg. Die Welt hat mehr als eine Dimension. Aber Zuckerbergs Erklärung zeigt wie sehr die Dinge doch in Fluß geraten sind. Angesichts eines unerträglichen Status Quo keine schlechte Entwicklung.