Acht Staatsrechtsprofessoren beantragen eine Distanzierung von ihrem Kollegen Ulrich Vosgerau: weil er „seine Expertise […] zur Verfügung stellt“. Es ist schwer, darin keinen Angriff auf das Recht auf einen Anwalt zu sehen.
Bei der diesjährigen Tagung der Vereinigung der Staatsrechtslehrer am 9. Oktober in Luzern soll ein neuer Punkt in die Tagesordnung aufgenommen werden. Acht Professoren ersuchen eine offizielle Distanzierung von einem Mitglied des Verbandes, dem Kölner Privatdozenten Ulrich Vosgerau. Inzwischen haben sich laut FAZ über 120 Juristen diesem Aufruf angeschlossen.
Vosgerau wurde als Prozessvertreter der AfD bekannt
Der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau ist vor allem in den letzten beiden Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Der Privatdozent aus Köln vertrat die AfD und einige ihrer Mitglieder, darunter Björn Höcke, in zahlreichen Prozessen. Er selbst referierte bei dem von Correctiv ausspionierten Vortragsabend in Potsdam über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Briefwahl. Hinterher klagte er erfolgreich gegen die Verbreitung der Deportationslüge durch verschiedene Medien.
Acht Professoren gegen Vosgerau
Jetzt versuchen acht Professoren zu erwirken, dass sich die Vereinigung der Staatsrechtslehrer von Vosgerau distanziert. Ein Ausschlussversuch erfolgte bereits kurz nach der Correctiv-Veröffentlichung, scheiterte aber daran, dass keine der Kriterien, welche die Vereinssatzung für den Ausschluss eines Mitglieds vorsieht, erfüllt waren. Der Text der Antragsteller wurde der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Verfügung gestellt. Darin heißt es:
„Nach unserer Überzeugung hat sich Ulrich Vosgerau in den letzten Jahren zunehmend als Begleiter rechtsextremer Kräfte in Verfassungsfragen gezeigt. In dieser Rolle hat er an dem Treffen des ‚Düsseldorfer Forums‘ am 25. November 2023 in Potsdam teilgenommen, zu dem auch der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner als Redner eingeladen war. Wir distanzieren uns davon, dass ein Mitglied der Staatsrechtslehrervereinigung seine Expertise jenen Kräften zur Verfügung stellt, die dieses Wissen dazu nutzen, die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung im rechtsextremen Sinne zu unterminieren.“
Was soll das heißen, „stellt seine Expertise zur Verfügung“?
Den letzten Satz muss man zweimal lesen. Er ist sehr schwammig formuliert. Man muss ihn schon über alle Gebühr wohlwollend interpretieren, um in der zur Verfügung gestellten Expertise allein Vosgeraus Vortragstätigkeit zu sehen. Dann wäre die Forderung der acht Professoren zwar auch vollkommen lächerlich, aber die um ein Vielfaches naheliegendere Deutung zeichnet ein katastrophales Bild vom Zustand der deutschen Juristenschaft: Seine Expertise stellte Vosgerau nämlich in allererster Linie als Anwalt zur Verfügung.
Das wäre Jakobinermentalität
Wenn Schwerverbrecher, Kindermörder oder Mafiabosse vor Gericht stehen, dann beschweren sich juristische Laien bisweilen darüber, dass diese Leute auch noch Anwälte finden. Selbst dieser Unmut des Mannes auf der Straße ist bestenfalls psychologisch verständlich und darf niemals zur juristischen Maßgabe werden. Hier aber haben wir es mit acht Staatsrechtsprofessoren und 120 weiteren Juristen zu tun, bei denen sich der Eindruck kaum vermeiden lässt, sie wollten allen Ernstes eine Rüge gegen einen Juristen erwirken, weil er als Anwalt Mandanten vertreten hat. Das wäre die Mentalität der Jakobiner, die dem Anwalt Ludwigs XVI., der übrigens der Großvater Alexis de Tocquevilles war, gleich mit den Kopf abschlugen.
Die Initiatoren und Unterzeichner haben sich zu erklären
Die Initiatoren und Unterzeichner haben sich vor der Öffentlichkeit, vor ihren Berufskollegen und vor allem Herrn Vosgerau selbst zu erklären, was sie ihm denn nun eigentlich vorwerfen. Dass eine Juristenvereinigung das Recht auf einen Anwalt unterminiert, indem sie Rügen gegen ihre Mitglieder für die Übernahme bestimmter Mandate ausspricht, ist vollkommen inakzeptabel.