Michael Kyrath, Vater einer 17-Jährigen, die durch einen migrantischen Messerstecher getötet wurde, schrieb einen Brief an Cem Özdemir und wurde dadurch bekannt, auch wenn er es nicht geplant hatte. Im Gespräch mit Petr Bystron erzählt er, wie Eltern nach einem solchen „Einzelfall“ leben.
Cem Özdemir hat öffentlich Zweifel an der Sinnhaftigkeit der gegenwärtigen Einwanderungspolitik geäußert, nachdem seine Tochter von Migranten belästigt wurde. Daraufhin schrieb ihm Michael Kyrath, Vater eines Mädchens, das mit 17 Jahren von einem Migranten ermordet wurde, einen offenen Brief, der vielfach die Gemüter erregt hat.
Zum einen, weil Kyrath dem Minister deswegen Vorwürfe machte, da er erst, nachdem er im persönlichen Umfeld betroffen war, seine Meinung geändert und Forderungen erhoben hatte, die kurz zuvor in seinen „Augen noch rechtsradikal und damit indiskutabel gewesen“ wären.
Dieser Vorwurf trifft jemanden, der sich von Amts wegen dem Allgemeinwohl verschrieben haben sollte, aber es bleibt eben menschlich, dass einen das eigene Umfeld und vor allem die eigene Familie zuerst bekümmert.
Etwas anderes und nicht zu entschuldigen ist hingegen, dass Kyrath von in dem Brief nicht genannten Personen darauf angesprochen wurde, er und seine Frau „sollten darauf achten, dass der Mord an [ihrer] Tochter nicht von Rechtsradikalen missbraucht wird“.
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Wer es war, der den hinterbliebenen Eltern diese freundliche Aufforderung übermittelte, das wollte Kyrath auch in seinem jüngsten Gespräch mit Petr Bystron nicht verraten. Auf anwaltlichen Rat verzichtet er zum jetzigen Zeitpunkt darauf, diese Personen und die Institutionen, welche sie vertreten, zu nennen. Nun, daraus kann wohl jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.
In dem Gespräch tritt uns ein sehr besonnener Mann gegenüber. Kein Wüterich, selbst wenn man das in seiner Situation verstehen könnte, sondern ein nachdenklicher Mann, der sehr darum bemüht ist, jedem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Auch Cem Özdemir, dem er es hoch anrechnet, dass der Minister ihn angerufen und sich einem längeren Gespräch gestellt hat. Auch dem Bundeskanzler Scholz, mit dem er gemeinsam diskutiert hatte, und der Landesregierung und den Behörden in Schleswig-Holstein, denen er die seelische Betreuung der Hinterbliebenen hoch anrechnet.
Kyrath ist langsam mit Schuldzuweisungen, man merkt, dass er sehr genau darüber nachdenkt, denn Personen wie Scholz oder Özdemir tragen die politische Verantwortung dafür, dass seine Tochter nicht mehr lebt, aber es waren natürlich nicht sie, die zugestochen haben. Diese Dinge beschäftigen ihn.
Ein guter Teil des Gesprächs dreht sich gar nicht um Politik. Kyrath ist niemand, der sein Innenleben ausbreitet, und Bystron führt das Gespräch zu taktvoll, um nachzubohren. Aber man bekommt doch einen Eindruck davon, was in Familien passiert, deren Kind ermordet wurde. Wie geht man mit dem ersten Weihnachten, dem ersten Geburtstag danach um? Es sind Einblicke in eine Welt, die man niemandem wünschen will. Doch diese Situationen sind inzwischen so häufig geworden, dass es ein ganzes Selbsthilfenetz gibt, in dem sich betroffene Eltern austauschen können.
Das gesamte Gespräch über merkt man, dass dieser Mann nicht politisch ist. Kyrath ist niemand, der, wie er selbst es sagt, „seine unqualifizierte Meinung reinhusten muss“, sondern ein Vater, der von dem Gefühl getrieben wird, dass er es seiner toten Tochter schuldig ist, etwas zu tun, damit Fälle wie ihrer in Zukunft nicht mehr vorkommen.