Mit der Auflösung der Jungen Alternative endet ein von viel Idealismus getragenes Projekt an den Machtrealitäten innerhalb der AfD. Als einzige Machtgrundlage für eine echte Alternative bleiben die Landesverbände.
—Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen
Wer die Agonie der Jungen Alternative über das letzte Jahr hinweg etwas verfolgt hat, konnte beobachten, wie die Jugendorganisation als eigenständiger Akteur an den kalten Machtrealitäten scheiterte – und zwar weniger an denen zwischen Opposition und den Repressalien des Systems, sondern an denen innerhalb der AfD selbst.
Vor knapp einem Jahr konnte ich selbst Zeuge werden, wie ein der Jungen Alternative durchaus zugeneigter Parteifunktionär der versammelten patriotischen Jugend zu erklären versuchte, dass ihr Idealismus ja aller Ehren wert sei, sie aber gegenüber dem Bundesvorstand der Alternative für Deutschland schlichtweg keine Verhandlungsmacht hätten. Man kann nicht sagen, dass diese Belehrung gut aufgenommen worden wäre.
Was die grundsätzliche Idee des „Juso“-Modells anbelangt, also die offizielle Angliederung der Jungen Alternative an die Mutterpartei, so teile ich hier vollkommen die Meinung Benedikt Kaisers oder Tomasz Froelichs, dass es sich hier um eine notwendige Maßnahme handelt, da ein bloßer Verein – was die Junge Alternative zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtlich betrachtet ist – durch bloßes Dekret aus dem Innenministerium verboten werden kann. Anders als Compact wird sich die Junge Alternative aber nicht darauf herausreden können, dass sie eigentlich kein Verein sei. Damit wäre der Prozess bei einem Vereinsverbot um inhaltliche Fragen zu führen, nicht um formaljuristische. Unter einem Regime, das den Begriff des deutschen Volkes zunehmend kriminalisiert, sind die Aussichten dabei minimal.
Doch die Art und Weise, wie die Übernahme der Jungen Alternative in die AfD geschehen soll, ist mehr als bitter. Dass der Vorsitzende der neuen Jugendorganisation im Bundesvorstand der Mutterpartei nur einen Beisitz ohne Stimmrecht erhält, ist noch das geringste aller Übel. Dass die Bezeichnung „Junge Alternative“ und das über Jahre aufgebaute Flammenlogo aufgegeben werden sollen, ist nicht nur ein Stoß vor den Kopf für alle Aktiven der JA; es verrät, dass manchen Personen hier eben nicht an einer Eingliederung der JA gelegen ist, um sie vor dem Dekret des Innenministeriums zu schützen, sondern an der Gründung einer anderen, ihnen willfährigeren Organisation. Das Schlimmste aber ist, dass nicht geklärt ist, wie die Übernahme von JA-Mitgliedern, die bisher nicht Mitglieder der AfD sind, vonstattengehen soll – und ob überhaupt.
Hier zeigt sich eines der Erbübel der AfD, der Krebsschaden, der vielleicht mehr als alles andere an dieser Partei frisst, ohne je im Rampenlicht zu stehen: Die Aufnahmepraxis ist in einem grotesken Maße Mittel des innerparteilichen Machtkampfs geworden. Wobei an dieser Stelle einmal ausgesprochen werden muss, dass es hier keine so klare Trennung in eine integre Junge Alternative und eine korrumpierte AfD gibt, wie sich das mancher vorstellt. In Rheinland-Pfalz, wo ich die Verhältnisse aus eigener Anschauung kenne, ist es für einen jungen Patrioten einfacher, in die AfD als in die JA aufgenommen zu werden. Aber damit ist die JA Rheinland-Pfalz nur traurige Normalität. Und wir sprechen hier noch gar nicht von der Unvereinbarkeitsliste, deren Anwendung bei der Übernahme von JAlern in die AfD Benedikt Kaiser fürchtet. Die allein macht gewiss, dass die Eingliederung der Jungen Alternative in die Mutterpartei zu einer automatischen Säuberung wird – einer Säuberung, bei der sich die Verantwortlichen noch nicht einmal die Hände schmutzig zu machen brauchen.
Aber abseits davon ist in der AfD die Annahme oder Ablehnung von Aufnahmeanträgen vielfach zu einem Mittel degradiert, mit dem die Mehrheiten für den lokalen Klüngel abgesichert werden. Da geht es oft genug nicht einmal mehr um Landesverbände, sondern um den Kreisvorsitz in Hintertupfingen, der so lange sicher ist, wie nur die Freunde des derzeitigen Kreisvorsitzenden in Hintertupfingen aufgenommen werden. Eine Konsequenz ist, dass die abgelehnten Bewerber aus Hintertupfingen ihren Aufnahmeantrag beim Kreisverband Vordertupfingen einreichen. Die eine Hälfte von ihnen hat sich wenigstens pro forma für einen Monat auf die Adresse eines Freundes in Vordertupfingen umgemeldet, die andere Hälfte nicht. „Da kann man nichts gegen tun, das machen ja alle“, wurde mir einmal zu diesem Thema gesagt.
Es mangelt jetzt nicht an Vorschlägen für Forderungen, welche die Junge Alternative nun für die Vereinigung mit der Partei stellen sollte – was die Junge Alternative als Gegenleistung für ihre Auflösung und Integration in die AfD vom Bundesvorstand verlangen solle. Da sind viele wünschenswerte Ideen, darunter eine, die mir besonders sinnvoll, aber leider auch besonders unrealistisch erscheint: nämlich die Aufnahme von Anwärtern bis 36 Jahren dann auch in die alleinige Entscheidungsbefugnis der neu zu gründenden Jugendsektion zu geben. Ganz unabhängig vom Alter: Die Aufteilung der Aufnahmebefugnis für denselben Verband anhand irgendwelcher Kriterien wäre schon ein Segen, weil sie die Bildung von persönlichen Hochburgen über inzestuöse Aufnahmepraktiken erschweren würde.
Nur ist die Führung der Jungen Alternative nicht in der Situation, dem Bundesvorstand irgendwelche Bedingungen abzuverlangen. Es erginge ihr dabei nicht anders als Selenskyj, wenn er den Rückzug der russischen Truppen und selbst die Herausgabe der Krim zur Vorbedingung von Friedensgesprächen macht. Egal, ob man hier ein moralisches Recht hat: Wer kein Druckmittel in der Hand hat, macht sich mit solchen Forderungen nur lächerlich.
Für alle, die tatsächlich eine alternative Politik wollen, muss das Ende der Jungen Alternative eine ernüchternde Wirkung haben. Es zeigt, dass es mit Idealismus nicht getan ist, sondern dass jede Politik eine Machtbasis braucht. Ein Jugendverband hat diese nicht – jedenfalls nicht über die Abstimmungsmacht seiner Mitglieder in der Mutterpartei hinaus. Nicht, wenn die Gegner überhaupt kein Problem damit haben, den Jugendverband im Zweifelsfall plattzumachen oder – was schlimmer ist – vor sich hin siechen zu lassen, weil sie die politische Jugendarbeit sowieso als Störfaktor betrachten. Der derzeitige Bundesvorstand der Alternative für Deutschland hat genauso viele Gründe, einen Jugendverband zu akzeptieren, den er nicht an der kurzen Leine hält, wie Wladimir Putin dafür, die Krim wieder herauszurücken.
Eine Alternative, die diesen Namen verdient, kann nur von einem Ort aus aufgebaut werden – und der ist trotz allem Idealismus nicht die Jugendpolitik, sondern die Landespolitik. Im Gegensatz zu einem Jugendverband haben Landesverbände eine sehr starke Autonomie, die von der Bundesebene auch nicht aufgehoben werden kann, denn sie beruht nicht allein auf der Satzung der AfD, sondern auch auf dem deutschen Parteienrecht. Deshalb sind stabile Landesverbände das einzige wirkliche Bollwerk gegen diejenigen, deren Vorstellung von innerparteilicher Demokratie als Tyrannei der 51 Prozent für alle internen Krisen der letzten zehn Jahre verantwortlich ist.
Wer sich für eine Alternative einsetzen will, die diesen Namen verdient, der sollte dies dort tun, wo nicht eine unglückliche Abstimmung im Bundesvorstand die Arbeit von Jahren einreißt. Das bedeutet aber: Klarer Blick auf Machtverhältnisse und Machtstrukturen. Als die Frage nach der Zukunft der Jungen Alternative ernster wurde, gab es eine Reihe von Gesprächen deren Inhalt nicht die Frage war, was die JA selbst tun könnte. Jeder wusste, dass sie keine Verhandlungsmacht innerhalb der Partei hatte. Stattdessen fragte man sich, was dieser oder jener Landesvorsitzende für die JA tun würde. Denn ein Landesverband hat tatsächlich Macht. Es wird an der Zeit, dass diese Erkenntnis Richtschnur des Handelns wird.