Neun Leben aufgebraucht

Er galt als Vorbote einer neuen Ära: linksliberal, jung und metrosexuell. Nun geht mit Justin Trudeau ein Relikt der liberalen Epoche. Doch er hat sich lange gehalten, viel zu lange.
– Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen


Wenn irgend ein westlicher Politiker den Geist der 2010er verkörpert hat, dann war das Justin Trudeau. Der Tom Cruise der Politik, nur das er schlechter gealtert ist und die Church of Scientology den woken Kult aller Voraussicht nach überleben wird. Ein Schauspieler ist auch an Trudeau verloren gegangen, doch seine Rollen waren weder der Maverick noch der letzte Samurai, sondern ein dummer August, der sich für den Weißclown von trauriger Gestalt hält. Bei Staatsbesuchen in der dritten Welt machte er sich bisweilen mit Aufzügen zum Affen, welche er für die traditionelle Kleidung der Eingeborenen hielt und in echt progressiver Manier gab es einmal einen hirnverbrannten Blackfacing Skandal, als Bilder von früher auftauchten in denen er sich das Gesicht schwarz angemalt hatte, bevor irgendein Dauerbeleidigter entschieden hatte, daß das nicht mehr geht.

Wie bei viele Liberalen gerade seiner Generation, Justin Trudeau wurded 1971 geboren, verbarg sich auch bei ihm unter den peinlichen Allüren und dem Newmaleäußeren (Weiß überhaupt noch jemand, was ein Newmale ist? Als Trudeau 2015 Premierminister wurde, da war das die Zukunft der Männlichkeit!), das passiv-aggressive Autokratentum einer Personalabteilungsleiterin. Während der Coronazeit gehörte Turdeaus Kanada zu den härtesten Ländern. Teilnehmer ans den Trucker-Protesten gegen die Maßnahmen ließ er nicht nur von der Polizei zusammenknüppeln. Unter Trudeaus Ägide wurde Kanada das erste westliche Land in dem Menschen auf Anordnung der Regierung die Bankkonten gesperrt wurden. Das änderte nichts daran, daß sie Trudeau kurz darauf inhaltlich den Protesten beugte und die Coronamaßnahmen aufhob. Trudeau war ein kleinlicher Tyrann, aber auch ein Feigling und den Mut auch gegen den Widerstand weiter Teile der Bevölkerung durchzuziehen, hatte er genausowenig, wie die Verfechter der allgemeinen Impfpflicht in Österreich und der Bundesrepublik.

Sein Abtritt war so lächerlich, wie seine gesamte politische Karriere: Er nahm den Hut, nachdem Donald Trump ihn im Internet getrollt, die Eingliederung Kanadas in die Vereinigten Staaten vorgeschlagen und Trudeau als Gouverneur des Staates Kanada betitelt hatte. Natürlich war das nicht die Ursache, bestenfalls der Anlaß. Seine eigenen Abgeordneten hatten endlich genug, weil die liberale Partei in den Umfragen eine Schlappe nach der nächsten einstecken muß. Aber in Erinnerung bleiben wird er als die peinliche Witzfigur im Norden, die Trump noch vor seiner Amtseinführung abgeräumt hat.

Das würde zu einem Politiker passen, der neun Monate regiert hat. Nicht neun Jahre! Justin Trudeau, der lächerlichste aller Politiker, der vom liberalen Zeitgeist der 2010er Jahre in die Position eines Regierungschefs gespült wurde, war auch einer der zähsten. Das gibt zu denken. In Deutschland konnte man die Fragilität der Ampelkoalition lange vor dem Haushaltsstreit daran erkennen, daß Annalena Baerbock nicht nur Außenministerin wurde, sondern Außenministerin blieb. Jeder Kanzler, der auch nur einigermaßen fest im Sattel sitzt, hätte sich einer derartig peinlichen Gestalt als oberster Diplomatin des Landes schnellstens entledigt. Daß Olaf Scholz das nicht tat, sagte eigentlich schon alles über seine Regierung. In Kanada war jemand vom ähnlichem Fremdschämpotenzial neun Jahre lang nicht Minister, sondern Regierungschef.

Daß er ausgerechnet nach neun Jahren abtritt, verstärkt nur das Memehafte an Trudeaus ganzer Gestalt. Er hatte wirklich neun politische Leben. Obwohl er über eine beispiellose Verschlechterung der Lebensverhältnisse präsidiert hat, die vor allem die jungen Leute betraf, die ihn doch eigentlich unterstützen sollten, hat er lange genug durchgehalten, um ernsthaften Schaden anzurichten. Lassen wir die Einwanderungszahlen einmal beiseite, inzwischen ist jeder vierte Bewohner Kanadas im Ausland geboren, die Wohnraumverknappung hat inzwischen sehr ernsthafte Ausmaße angenommen und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtsituation ist nicht in Sicht. „Wenigstens hat er das Gras legalisiert“ sagen heute ehemalige Trudeauwähler in Anspielung auf das einzige Wahlversprechen, das er gehalten hat.

Der Mann ist eine völlige Nullität, doch er blieb. Neun Jahre lang. Daß er jetzt gehen muß liegt nur daran, daß es nicht mehr weitergeht, die Reserven, die die liberalen Faxen erlaubt hatten sind aufgebraucht. Solange diese Reserven aber noch da waren, solange war Trudeau unangreifbar. Das verrät etwas sehr wesentliches über linksliberale Politik unserer Zeit. Über woke Politik, auch wenn dieser spezielle Begriff wider aus der Mode kommt:

Diese Politik immunisiert sich selbst durch die eigene Unernsthaftigkeit. Es ist weder Schalk, noch Humor oder Satire, sondern der stupende Willen, die Politik als ein Kindergartenspiel zu behandeln, inklusive dessen, daß man sich in die Ecke stellt und schmollt, wenn man nicht bekommt, was man will. Wer jemals der Sitzung eines Studentenparlamentes beigewohnt hat, der wird wissen, was ich meine.

Doch Menschen können sich an sehr vieles gewöhnen und der Liberalismus hat Politik auf dem Niveau einer Baerbock, oder eines Trudeau normalisiert. Solange sie in ihrem Privatleben über die Runden kommen, regen sich die allermeisten Menschen gar nicht mehr darüber auf. Worin unterscheidet sich für sie ein Premierminister von irgendeinem anderen Clown, der im Fernsehen kommt? Wenn eine politische Erscheinung längerfristig vorhanden ist, dann hat dies immer einen Grund. Auch wenn man das betreffende Phänomen für abstoßend, lächerlich oder brandgefährlich halten mag. Der Linksliberalismus existiert, weil es ihm gelingt das was man einmal staatsbürgerliche Verantwortung genannt hat zu betäuben, es durch beständigen Blödsinn abstumpfen zu lassen, bis kein Gefühl mehr dafür vorhanden ist, daß ein Justin Trudeau vielleicht zum Skilehrer taugt, aber nicht zum Premierminister.

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