Während er Raketenbau, Tesla, Twitter und die Weltpolitik jongliert, ist Elon Musk in einen skurrilen Videospielskandal verwickelt.
Einer der, bei Lichte besehen, auffälligsten Merkwürdigkeiten an Elon Musks öffentlicher Persona ist die Behauptung, in einigen kompetitiven Videospielen weit oben auf der Weltrangliste zu stehen. Neben mehreren Unternehmen, der neuen amerikanischen Regierung, dem H-1B-Streit, täglichem Getwitter und theologischen Gesprächen mit Alice Weidel soll er auch noch die Zeit haben, einer der besten Spieler von Diablo 2, Diablo 4 sowie Path of Exile 2 zu sein.
Kompetitive Videospiele erfordern an der Spitze Vollzeit
Der dafür nötige Zeitaufwand ist es, der diese Behauptungen so unglaubwürdig macht. Kompetitive Videospiele sind wie jeder Sport: Wer sie zur Entspannung oder auch als leidenschaftlicher Amateur spielt, wird einigen Erfolg und hoffentlich seinen Spaß daran haben, aber an die Spitze schafft man es nur, wenn man sie Vollzeit betreibt. Denn die Konkurrenz macht es Vollzeit. Die Spitzenränge bestehen aus Leuten, die entweder als Profispieler von Preisgeldern oder als Streamer von ihren Werbeeinnahmen leben. Eine dritte Kategorie bilden die Arbeitslosen der unterschiedlichen Vermögensklassen. Diese Leute stecken jeden Tag ihre acht bis zehn Stunden in ihren Erfolg.
Vor diesem Hintergrund sind Musks Behauptungen nicht glaubwürdiger, als wenn er behaupten würde, er sei ein Schachgroßmeister oder einer der besten Fußballer der Welt. Ganz unabhängig davon, ob man ihm das Talent zutraut, er kann einfach nicht die Zeit dafür haben. Aber er schien es doch beweisen zu können. Immer wieder veröffentlichte er kurze Videos oder streamte sogar, wie er Diablo oder Path of Exile 2 spielte, und er hatte dabei hochentwickelte Charaktere, die auf den öffentlichen Ranglisten weit oben gelistet waren.
Das Genre, in dem Musk solche Erfolge für sich beansprucht, ist jedoch eines, in dem Betrug relativ einfach möglich ist. In sogenannten Action-Rollenspielen wie Diablo oder Path of Exile steuert der Spieler aus der Vogelperspektive einen Helden, schlachtet sich durch gewaltige Mengen an Monstern, levelt seinen Helden auf und sammelt hoffentlich wertvolle Ausrüstungsgegenstände. Je stärker der Held, desto geringer die mechanischen Anforderungen an den Spieler. Was gute Spieler hier, jenseits der investierten Zeit, vor allem ausmacht, ist das Wissen darüber, welche Kombination von Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenständen – welche „Builds“, um den gebräuchlichen Jargon zu verwenden – besonders gut sind. Es ist also prinzipiell möglich, jemand anderen zu bezahlen, damit er den Charakter hochzieht und die Ausrüstung sichert, nur um sich dann selbst einzuloggen und mit dem so starken Helden zu spielen.
Videospiel-Influencer nennen Musk einen Betrüger
Seit zwei Wochen behaupten eine Reihe von Videospiel-Influencern (hier, hier, hier und hier), sie hätten Beweise dafür, dass zumindest Musks Path of Exile 2-Account die allermeiste Zeit von jemand anderem gesteuert wird. Eine tatsächlich einmal gute Zusammenfassung findet sich auf Reddit. Auf seinem Account namens Random9#2886 hatte Musk auf der Hardcore-Leiter einen Charakter namens Kekius_Maximus, der zum Zeitpunkt seines Todes am 3. Januar (auf der Hardcore-Leiter sterben Charaktere tatsächlich, und man muss von vorne anfangen) auf Platz 59 der Weltrangliste und Stufe 94 war. Kekius Maximus war auch der Name, auf den Elon Musk für einige Tage seinen Twitter-Account umbenannte, nachdem er von vielen MAGA-Anhängern scharf angegangen worden war, weil er eine Erleichterung der Einwanderung für technisches Personal über sogenannte H-1B-Visa gefordert hatte.
Ein weiterer Charakter auf demselben Account namens Percy_Verence war zum Zeitpunkt seines Todes Stufe 97 und belegt gegenwärtig immer noch Rang 31 der Weltrangliste. Das Spiel ist erst am 6. Dezember 2024 erschienen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die höchste Stufe, die jemand erreicht hat, Stufe 98. Man kann den Aufwand ermessen, der in die Entwicklung von Kekius_Maximus und Percy_Verence hineingeflossen ist, und dass Musk das schwerlich selbst gemacht haben kann.
Die Behauptung, dass die API-Auswertung von Musks Account zeige, dass dieser die meiste Zeit aus Asien eingeloggt sei, können wir beim Heimatkurier weder bestätigen noch widerlegen. Die computerforensischen Möglichkeiten der versammelten Schwarmintelligenz der Videospielnerds dieser Erde übersteigen unsere Kapazitäten in diesem Bereich bei Weitem. Und es soll hier auch nicht darum gehen. Musks Streams aber zeigen auch demjenigen, der nicht mit Path of Exile 2 vertraut ist, dass er einige der grundlegenden Spielmechaniken nicht beherrscht.
In den letzten Tagen erweiterte sich das ganze Drama um einen öffentlichen Disput mit dem Streamer und YouTuber Asmongold, in dem Asmongold Musk vorwirft, Privatnachrichten geleakt zu haben, und Musk die Videospiel-Fähigkeiten Asmongolds in Frage stellt, woraufhin er diesbezüglich in den Community Notes zerpflückt wird.
Was sagt das alles über Elon Musk
Doch genug von dem Internet-Drama. Denn mit der Person Elon Musks verbinden sich doch wirklich wichtigere Fragen, als ob er jemanden bezahlt hat, sich in einem Videospiel ein paar Charaktere zu leveln. Und wenn es nur darum ginge – wenn Musk einfach nur gerne das bisschen Freizeit, das er hat, damit verbringt, mit einem hochrangigen Charakter Diablo oder Path of Exile zu zocken, und jemanden dafür bezahlt hätte, den Grind zu übernehmen –, dann wäre da auch nichts dabei.
Ein paar Videospielpuristen würden schreien, eventuell würde es gegen die AGB des Spiels verstoßen, aber der Rest von uns wäre nicht tangiert. Was dieses Onlinedrama zu einem politischen Skandal macht, ist, dass Musk über Monate versucht hat, sich in der Öffentlichkeit als hervorragender Gamer darzustellen. Die ganze Aktion ist einfach nur bizarr, verrät aber doch einiges über Musks Charakter – und das ist nichts Gutes.
Das vergangene Jahr war nicht zuletzt davon geprägt, dass sich bei einer Reihe von Personen, auf die die Rechte nicht ohne Grund große Hoffnungen gesetzt hatte, zeigte, dass sie Verhaltensstörungen oder zumindest Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, die ein langfristig konstruktives Arbeiten in der Politik nicht möglich machen. Oft hat man es dann irgendwann erfahren und konnte es erst gar nicht glauben.
Wir wissen nicht, wie genau Musk dazu kam, auf einmal zu behaupten, er sei ein Weltklasse-Videospielnerd. Vielleicht hatte er tatsächlich nur zum Privatvergnügen ein paar hochgelevelte Diablo-Accounts gekauft, und irgendwelche PR-Berater glaubten, dass es eine glänzende Idee sei, sich fremde Lorbeeren an den Hut zu stecken – vor allem, weil sie nicht verstanden, dass so etwas in der Videospielgemeinschaft sehr schnell herauskommt.
Doch selbst diese Interpretation der Ereignisse, die von allen noch die gnädigste ist, wirft ein sehr schlechtes Licht auf Musk. Andere Interpretationen können ins Pathologische gehen. Und dabei handelt es sich mit Musk nun einmal um einen Mann, der allein durch seinen Besitz von Twitter einen riesigen Einfluss auf das gegenwärtige Schicksal der westlichen Welt hat – von allem anderen ganz zu schweigen. Vor allem aber mag es gut sein, dass wir 2025 die Implosion des größten aller rechten Hoffnungsträger nach durchaus bekannten Mustern erleben werden.