Was immer man Trump vorwerfen will, in seine zweite Präsidentschaft startet er gut vorbereitet. Die Anweisungen gegen Migration sind aber reiner Grenzschutz. Mit einer Ausnahme, die jedoch sehr anfechtbar ist.
Als Trump am Abend des 20. Januar das Oval Office betrat, warteten schon Dutzende Exekutivverordnungen auf seinem Schreibtisch. Eine Exekutivverordnung ist eine Form der Rechtsschöpfung und Rechtsauslegung durch Präsidenten oder Gouverneure, die sich im amerikanischen System durch Gewohnheitsrecht eingebürgert hat.
Dabei erteilt ein Präsident oder Gouverneur eine formelle, schriftliche Anweisung an ihm unterstellte Behörden. Prinzipiell muss sich diese Anweisung im Rahmen der vom Kongress erlassenen Gesetze bewegen, doch der Spielraum kann in manchen Bereichen sehr groß sein. Vor allem, weil per Exekutivverordnung Behörden, die keine Gerichte sind, angewiesen werden können, wie sie ein bestimmtes Gesetz auszulegen haben. Diese Auslegung ist dann verbindlich, bis die Verordnung von einem Gericht annulliert wird.
Ein Sturm an Verordnungen
An seinem ersten Abend im Amt hat Präsident Trump bereits 46 solcher Exekutivverordnungen unterzeichnet. Es ist durchaus üblich, dass ein neuer Präsident am ersten Tag seiner Amtszeit solche Verordnungen erlässt. Dies bedarf jedoch einiger Vorbereitungen. Eine Exekutivverordnung ist kein Wunschzettel, sondern muss juristisch nicht weniger gut vorbereitet werden als ein Gesetzesentwurf. Dass alles am ersten Abend bereitlag, zeigt, dass das Personal für diese Themen vorhanden ist und in den Startlöchern steht.
Unter den Verordnungen, die für Wirbel sorgten, sind solche, die Quoteneinstellungen im Beamtentum unterbinden sollen, eine Verordnung zur Wiederbenennung von öffentlichen Gebäuden, deren ursprünglicher Namenspatron von den Linken gecancelt wurde. Der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation mit der expliziten Begründung, dass diese in der Covid-Pandemie versagt habe. Sowie eine Verordnung gegen Zensur, sowie der Aufschub des TikTok-Verbots. Und natürlich die Errichtung des DOGE, des „Department of Government Efficiency“, der Behörde, die Elon Musk unterstellt sein soll.
Inhaftierte Protestler begnadigt
Schließlich, und dies wird von Trumps Anhängern zurzeit am lautesten gefeiert: Trump hat ein Versprechen tatsächlich und effektiv bereits am ersten Abend eingehalten. Die wegen der Proteste am 6. Januar 2021 Inhaftierten sind begnadigt und werden derzeit freigelassen.
Eine Invasion?
Die mit Abstand bedeutendsten Verordnungen betreffen allerdings die Einwanderung. Und hier wird es kompliziert. Trump benutzt in seinen Verordnungen mehrfach sehr starke Worte. Er spricht von „Invasion“ und „Ausnahmezustand“. Die dann angeordneten Maßnahmen betreffen aber vor allem den Grenzschutz. Illegale Migration soll gestoppt werden. Dafür sind diese Verordnungen dem ersten Anschein nach zumindest auch tauglich. Es werden Militär und Nationalgarde für Grenzkontrollen mobilisiert, das Projekt einer umfassenden Grenzmauer zu Mexiko zumindest wieder aufgenommen. Das Wichtigste liegt in Details: Dass Trump Einwanderern selbst die Bringschuld aufbürdet, ordnungsgemäße Papiere zu ihrer medizinischen und strafrechtlichen Vorgeschichte vorzulegen, ist ein großer Schritt. Bisher mussten die Behörden diese Überprüfungen durchführen, und wenn sie durch den Migrantenansturm überlastet waren, dann konnten die Migranten einfach einwandern.
Sieht man sich jedoch an, was Trump unter einer Invasion versteht, dann richtet sich die Verordnung, die „Invasion“ tatsächlich definiert, nach Artikel IV Sektion 4 der Verfassung der Vereinigten Staaten. Diese Sektion verpflichtet die Vereinigten Staaten dazu, den einzelnen Bundesstaaten Schutz gegen Invasionen zu gewähren. Es erfolgt aus diesem Artikel keinerlei direkter Ausnahmezustand oder irgendeine Befugnis des Präsidenten, gegen die Invasion vorzugehen.
Das Ende des Jus Soli?
Ist der Gebrauch des Wortes „Invasion“ dann doch mehr Schein als Sein, so kann eine andere Verordnung tatsächlich langfristige Folgen haben: Trump versucht per Verordnung, das Jus Soli bei der Vergabe der amerikanischen Staatsbürgerschaft zumindest einzuschränken. Bisher ist jedes Kind, das auf US-Boden geboren wird, automatisch amerikanischer Staatsbürger. Selbst illegale Einwanderer können sich durch so ein Ankerbaby eine Aufenthaltserlaubnis verschaffen.
Nach Trumps Willen soll es in Zukunft so laufen, dass die US-Staatsbürgerschaft nicht mehr vergeben wird, wenn die Mutter illegal oder nur mit einer temporären Aufenthaltserlaubnis in den Vereinigten Staaten ist und der Vater weder US-Bürger noch permanenter Bewohner der USA ist.
Das Jus Soli würde damit auch nur teilweise aufgehoben, und von allen Exekutivverordnungen Trumps ist diese leider auch die am leichtesten angreifbare. Trump legt hier den vierzehnten Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten: „Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert wurden und ihrer Rechtsprechung unterliegen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Staates, in welchem sie wohnen“, dahingehend aus, dass illegale Migranten und Inhaber eines temporären Visums nicht der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten unterlägen.
Dass Trump überhaupt versuchen kann, per Verordnung das Staatsbürgerschaftsrecht so grundlegend zu ändern, liegt daran, dass das US-Staatsbürgerschaftsrecht zum Teil Gewohnheitsrecht und Praxis über zweieinhalb Jahrhunderte hinweg ist, in die immer wieder einzelne Gesetze und Gerichtsentscheide hineingegriffen haben. Dennoch ist Trumps Auslegung der Verfassung hier extrem angreifbar und wird sicherlich vor Gericht angefochten werden.
Ein guter Start zum Feiern zu früh
Man wird Trump zugestehen müssen, dass er mit diesen Exekutivverordnungen, die auf den ersten Blick wohlvorbereitet erscheinen, getan hat, was er als Präsident unmittelbar per Dekret durchsetzen kann. Damit zeigt er aber auch, wie tief die Masseneinwanderung in die Gesetze und selbst die Verfassung hineingeschrieben ist und wie grundlegend deshalb die Reformen sein müssen. Das ist nicht nur in den Vereinigten Staaten so.