„Stolz statt Pride!“ – mit diesem Motto gelang es der Rechten, den sogenannten „Pride Month“ zu kapern. Ein metapolitischer Erfolg, der seinesgleichen sucht und von den Systemmedien mit hysterischer Berichterstattung bedacht wurde. Wir haben mit einem der Initiatoren des „Stolzmonats“ über Metapolitik, Netzaktivismus und die Rolle rechter Parteien gesprochen.
Seit einigen Jahren nutzt die Regenbogen-Lobby den Juni, um den sogenannten „Pride Month“ zu propagieren. Dieses Jahr machte die Rechte dem jedoch einen Strich durch die Rechnung und initiierte den sogenannten „Stolzmonat“. Einen ganzen Monat lang war Twitter voller National- statt Regenbogenfarben. Die Systemmedien sorgten mit ihrer panischen Berichterstattung dafür, dass das Phänomen auch in der „realen Welt“ wahrgenommen wurde. Wir haben mit „Wuppi“, einem der Initiatoren der Kampagne über erfolgreiche Metapolitik im Netz gesprochen.
Lieber Wuppi! Du bist als einer der Initiatoren des sogenannten „Stolzmonats“ bekannt geworden. Wie würdest du unseren Lesern im Nachhinein diese Kampagne erklären? Was hat ihren Erfolg ausgemacht?
Die Kampagne hat mich selbst ein wenig überrascht. Es war die größte, wirkungsvollste und organischste Kampagne die unserem Lager je entsprungen ist. Ich habe das Gefühl, dass die meisten in unserer Partei kein Händchen für Gruppen und Massendynamiken hat. Das Vorfeld für eine Kampagne zu nutzen liegt so nah, doch hat es bislang niemand getan. Das Vorfeld hat zu 99 Prozent diese Kampagne getragen. Frechheiten erzeugen Aufsehen und dafür habe ich gesorgt, indem ich unter Parteiflagge Memes zum Abriss des autonomen Zentrums in Wuppertal – zu Gunsten des Neubaus einer Moschee – gemacht habe, welche unfassbar häufig geklickt worden sind – und so gute Laune im rechten Lager verbreitet haben. Ahmad Mansour bot sich ebenfalls als gefundenes Fressen an – auch er wurde zum Gespött der Rechten hochstilisiert. Es baute sich bis zu dem Zeitpunkt ein unglaubliches Momentum auf und die Rechten waren gehyped für einen weiteren Schlag. Als ich dann ein Zitat von einem Berliner Rapper mit der Änderung des Profillogos gebracht habe, flog der Topf vom Deckel. Er beging den Fehler, den Streisand Effekt zu triggern: Die „AfD nutzt seinen Song für Propagandazwecke“. Das ging durch die Medien. Ich habe das gemacht, was ich bereits mit Mansour gemacht habe und habe ihn indirekt mit der AfD in Verbindung gebracht, oder besser, er hat es selber gemacht.
Bereits zuvor hast du den Twitter-Account der „AfD Wuppertal“ betreut und dabei ungewöhnliche Methoden angewandt – mit Erfolg. Wie würdest du deine Strategie einem Außenstehenden erklären?
Ich habe die Taktik „Bait and Taint“ genannt. Als Rechte stehen wir quasi in einem Moor. Wir halten einen passenden Köder für jemanden, der im Mainstream steht, bereit und wenn er anbeißt, ziehen wir ihn mit uns hinunter. Wenn das Zielobjekt sich nun wehrt und sich von der Rechten distanziert, sorgt das für die besten Ergebnisse. Die Linken sind empört, fordern Distanzierung, die Rechten feiern das Zielobjekt (natürlich nicht ernst gemeint) als Helden. Diese Taktik wird mittlerweile von US-Politikern kopiert. Der Mechanismus der Kontaktschuld ist für uns ein Einfallstor, gegen das die Linken nichts bewerkstelligen können. Hätte besagter Rapper keinerlei Reaktion gezeigt, wäre das alles nicht so gekommen.
Worin liegt allgemein betrachtet die Bedeutung von Netzaktivismus? Welche politischen und metapolitischen Effekte lassen sich damit erzielen? Und wo liegen die Grenzen?
Seit Musk übernommen hat, ist Twitter die beste Methode, um metapolitisch zu wirken. Die Linken haben keine Kontrolle mehr über dieses Netzwerk, und ich sehe den Netzaktivismus als wichtiger an als jeden Infostand, Fernsehspot und so weiter. Die Grenzen würde ich bei älteren Personen ziehen, die kein Internet in der Form nutzen – aber diese werden auch nicht mehr. Ich sehe großartige Zeiten für den Netzaktivismus. Jeder User ist ein Vorfeldaktivist, wenn er denn will. Die Kraft, die sich im Stolzmonat manifestiert hat, war unglaublich. Ein Effekt, den wir niemals mit einem herkömmlichen Wahlkampf erreicht hätten.
Die Social-Media-Accounts vieler rechter Parteien wirken – freundlich ausgedrückt – recht „bieder“ und „altbacken“. Müssten Parteien wie die AfD das Potenzial, das in den sozialen Netzwerken steckt, besser nützen – und wenn ja, wie?
Ich glaube, dass es plattformabhängig ist. Twitter ist für mich das Schlachtfeld unter den Social-Media-Plattformen. Die neuen Medien sind mittlerweile nicht mehr neu. Man sollte verstehen, dass bidirektionale Kommunikation das A und O der sozialen Medien ist. Sonst könnte man einfach eine Webseite monodirektional betreiben. Wenn wir ehrlich sind.: Welcher Mensch benutzt Twitter, um sich „zu informieren“?
Ein großes Problem in der Nutzung sozialer Netzwerke ist die permanente Gefahr der Zensur. Zwar hat sich die Lage auf X seit Elon Musks Übernahme gebessert, doch nach wie vor werden Accounts gelöscht oder mit dem sogenannten „shadow ban“ belegt (wie auch der Account des Heimatkuriers). Wie soll man damit umgehen?
Dazu gibt es Methoden, über die ich aber nur im direkten Gespräch erzählen möchte. Ich bin mittlerweile häufiger aus dem Twitterknast herausgekommen, als ich Finger an zwei Händen habe. Mit meinem Hauptaccount habe ich schon vier Komplettsperren abgewehrt, und ich bin in meinem Duktus strategisch bewusst sehr rabiat. Viel rabiater als ich es im echten Leben bin.
Neben X wird auch TikTok bei rechten Politikern und Organisationen zunehmend beliebter. Maximilian Krah (AfD) erreichte mit seinen Kurzvideos bereits Millionen von Menschen und löste damit sogar mediale Berichterstattung aus. Welches Potenzial steckt in diesem Format?
TikTok hat Potenzial in der Alterskohorte, auf die ich mich spezialisiert habe. Allerdings ist es für „Shitstorms“, wie ich sie am liebsten mag, eher ungeeignet. Die Kommunikation unter den Usern ist weit weniger dynamisch. Für meine Methoden, das „Hardcore Trolling“, ist es eher ungeeignet. Ich denke, dass man mit dem Gesicht vor der Kamera viel erreichen kann, und als Politiker in der Öffentlichkeit würde ich es genauso verwenden wie Herr Krah.
Zum Abschluss: Wie kann die deutsche Rechte das Potenzial des Internets zukünftig besser nutzen? Welche Projekte und Initiativen würdest du dir wünschen?
Ich sehe sachliche Politik als Notwendigkeit, aber eben nicht als Ersatz für gut aufgebaute Stimmung. Der Bürger hat keine Lust auf schwere Kost, wenn er von der Arbeit komm: Er will unterhalten werden. Politik kann auch ausgezeichnete Comedy sein, wenn man denn will. Die AfD bräuchte einen Vorfeldbeauftragten oder einen offiziellen „Community Relations Manager“, wie man ihn aus MMORPGs wie World of Warcraft kennt. Eine Online-Identität, die das Ohr direkt am interessierten Wähler hat. Ich habe über 50 Neuinteressenten in die AfD/JA herangeführt – worauf ich wahrlich stolz bin. Quasi einen Menschen, der 24/7 nichts anderes veranstaltet, als sich Gemeinheiten auszudenken und mit Influencern abhängt, um kreative Impulse aus dem Vorfeld in die Partei und andersherum zu bringen, womit man die Stimmung im Lager am Köcheln halten kann.
Lieber Wuppi, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!