Die Freiheit, die er meinte: Eine Erinnerung an Dr. Jörg Haider

Vor nunmehr 15 Jahren fand ein Mann den Tod, der wie kein zweiter das patriotische Lager der Republik Österreich geprägt und die Rechte in ganz Europa nachhaltig verändert hat: Dr. Jörg Haider war zweifelsohne die schillerndste politische Figur der Zweiten Republik. Ausnahmetalent, Grenzgänger, Revolutionär, „Erfinder des Rechtspopulismus“, Systemschreck, verhinderter Volkskanzler. Eine ganze Epoche freiheitlicher Geschichte wurde nach ihm benannt: Die Haider-Jahre. Er war der Pop-Star der österreichischen Politik und starb wie Falco. Mag er auch seit über einem Jahrzehnt tot sein – der Mythos um seine Person lebt. Liebe Leser des Heimatkuriers, tauchen Sie mit uns in die „Faszination Haider“ ein. Eine Geschichte voller Wandel, Tatkraft, Erneuerung – aber auch der Widersprüche.

Die Eilmeldung der Austria Presse Agentur kam am Samstag, dem 11. Oktober 2008, um 4.23 Uhr früh: „Landeshauptmann Jörg Haider ist Samstag früh bei einem Autounfall in Kärnten ums Leben gekommen.“ Die Nachricht vom Tode des damals 58-Jährigen Kärntner BZÖ-Obmanns und Landeschefs von Kärnten schlug ein wie eine Bombe. Die Sonne ist vom Himmel gefallen„, kommentierte im ersten Schock sein Stellvertreter Gerhard Dörfler das Ableben seines Parteiführers. In Klagenfurt war es totenstill. Und so blieb es den ganzen Tag über. Die Menschen sprachen leiser miteinander. Eine seltsame Stimmung lag über Kärnten.

Zu pathetisch? Könnte man meinen. Doch nicht, wenn man diesen Tag vor nun genau 15 Jahren erlebt hat: Es gibt kaum einen Österreicher, der alt genug ist und nicht heute noch weiß, wo er damals war und was er gerade getan hat, als er von der Nachricht erfahren hat. Doch warum ist dem so? Haider hatte über zwanzig Jahre die Republik in Atmen gehalten. Er war der Gottseibeiuns der Linken und der Systempolitik. Großen Teilen der Österreicher galt er hingegen als „ihr Mann“, als volksverbundener Idealist, der endlich wieder Politik für das Volk macht.

Es beginnt beschaulich

Jörg Haider wurde am 26. Jänner 1950 im oberösterreichischen Bad Goisern geboren. Der kleine Ort in der Nähe des Hallstätter Sees liegt gebettet in eine Region reich an Volkskultur, Sagen, gelebtem Brauchtum und hohem Heimatbewusstsein. Das Aufwachsen in der malerischen Berg- und Seenwelt des Salzkammerguts prägen Haiders Charakter. Er selbst bezeichnet seine Kindheit später als sehr schön. Das Elternhaus ist national geprägt:

Der Vater meldet sich im Weltkrieg freiwillig und wird an der West- und Ostfront mehrfach verwundet. Nach der Niederlage sucht er nach Möglichkeiten, die Politik der jungen Republik positiv mitzugestalten. So sind Haiders Eltern an der Gründung des VDUs [Anm.: Verband der Unabhängigen, Vorläuferpartei der FPÖ] mitbeteiligt. Später wird der Vater freiheitlicher Parteisekretär für den Bezirk Gmunden. Der junge Jörg kommt so früh mit Politik und heimatverbundener Gesinnung in Berührung. Nach seiner Matura 1968 im Gymnasium Bad Ischl leistet er seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger.

Leistungsstudent

Danach inskribiert sich Haider für die Studienrichtungen Rechtswissenschaften und Staatswissenschaften an der Universität Wien. Er tritt einer Burschenschaft bei und engagiert sich bereits parteipolitisch in der FPÖ. Haiders politische Karriere beginnt als Bundesjugendführer des Rings Freiheitlicher Jugend, der Parteijugend der FPÖ, in den Jahren 1971 bis 1975. Der junge Mann studiert trotzdem schnell und gut. 1973 wird er zum Doktor der Rechte promoviert. Seine Universitätslehrer sind beeindruckt: „Ich hab‘ mir gedacht, der muss Dozent werden, und Professor.“ so einer seiner ehemaligen Professoren über Haider als Student. Ein angebotenes Fulbright-Stipendium in New York, eines der prestigeträchtigsten Stipendienprogramme der Welt, schlägt er jedoch aus. Haiders Beruf muss seiner Berufung weichen – er wird Politiker.

Erste Schritte

Haider ist 26 Jahre alt, als er das Amt des Parteisekretärs in Kärnten übernimmt und die Laufbahn eines Berufspolitikers einschlägt. Kurz darauf der erste große Erfolg: 1979 zieht er als damals jüngster Abgeordneter für die FPÖ in den österreichischen Nationalrat ein. Schon jetzt gilt er vielen als Zukunftshoffnung. Als die SPÖ 1983, nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit, eine Koalition mit der FPÖ eingeht, äußert er Interesse am Amt des Sozialministers. Schon damals zeigt sich, wofür die Haider’sche Politik in den nächsten Jahren bekannt werden soll: Nahbar, immer ein offenes Ohr für die Sorgen des sogenannten „kleinen Mannes“ und betont sozialpolitisch. Ein Ministerposten bleibt ihm aber verwehrt. Der aufstrebende Jungpolitiker wird stattdessen Parteiobmann der Kärntner Freiheitlichen. In dieser Funktion kritisierte er in den Folgejahren häufig den liberaleren Flügel der FPÖ um Vizekanzler und Bundesparteiobmann Norbert Steger. Unter seiner Führung ist die FPÖ Kärnten zu dieser Zeit die einzige FPÖ-Landesorganisation, die bei Landtagswahlen Stimmenzuwächse verbuchen kann.

Haider wird Parteiobmann

Am 12. ordentlichen FPÖ-Bundesparteitag in Innsbruck Mitte September 1986 ist es endlich so weit: Haider fordert den amtierenden Parteichef und Vizekanzler Norbert Steger zu einer Kampfabstimmung heraus. Die Ausgangslage ist gut. Der liberale Kurs Stegers wird bestenfalls toleriert, aber nicht von der Basis getragen. Mit einem Ergebnis vom 57,7 zu 39,2 Prozent der Delegiertenstimmen kann sich Haider klar durchsetzen und wird damit jüngster Parteiobmann Österreichs. Der Versuch Stegers, die FPÖ liberal auszurichten, ist damit (glücklicherweise) endgültig gescheitert. Der Postenwechsel bedeutete die Rettung der FPÖ. Umfragen zufolge lag die blaue Partei 1986 nur noch bei zwei bis drei Prozent der Wählerstimmen und wäre somit bei den nächsten Wahlen in der Bedeutungslosigkeit versunken. Nach Stegers Abwahl bricht der liberale Flügel innerhalb der Partei gänzlich zusammen. Der Kurs wird neu ausgerichtet. Hierbei vollzieht jedoch auch Haider einen Wandel: War seine Politik anfangs noch bewusst deutschnational, schwenkt er nun zunehmend auf einen für die FPÖ völlig neuen „Österreich-Patriotismus“ um.

Intermezzo: Die deutsche Frage

Hierzu sei erklärt, dass die „deutsche Frage“ in Österreich – also die Frage, ob es eine österreichische Identität losgelöst vom Deutschtum überhaupt geben kann – zu dieser Zeit nicht im Ansatz geklärt war. Man war zwar nach 1945 versucht, besondere Distanz zu Deutschland wahren und die Idee einer „österreichischen Nation“ zu schaffen. Damit vollzog man aber einen Bruch mit der eigenen Geschichte, hatte sich Österreich doch immer als eines von vielen deutschen Ländern begriffen. Gerade im nationalen Lager, das Haider anführte, war dieses Bewusstsein – trotz eines eigenen Staates als Österreicher Teil des deutschen Volkes zu sein – allgegenwärtig.

Auch Haider entstammte dieser Haltung, die zu dieser Zeit vielen als noch selbstverständlich galt: Erste öffentliche Aufmerksamkeit gewann er im Jahre 1966 als Schüler, als er sich an einem Redewettbewerb mit einem Beitrag unter dem Titel „Sind wir Österreicher Deutsche?“ beteiligte. 1984 hatte Haider vor dem Deutschen Turnerbund in St. Jakob im Rosental (Kärnten) angekündigt: „Dieses Land wird erst dann frei sein, wenn es ein deutsches Land sein wird.“ Und 1988, zwei Jahre nach seiner Wahl zum Bundesparteiobmann, erklärte er in einem ORF-Interview: „Das wissen Sie so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt. Denn die Volkszugehörigkeit ist die eine Sache und die Staatszugehörigkeit ist die andere Sache. Und wenn man es jemanden freistellt, sich als slowenische Österreicher zu bekennen, als ungarischer, als kroatischer, dann muss es auch möglich sein, sich als deutscher Österreicher zu bekennen. Und das ist auch das, was in unserem Programm formuliert ist.“

Dieses Pochen auf das Deutschtum der Österreicher gab Haider nun in den kommenden Jahren Großteils auf. Was ihm bis heute von deutschgesinnten Österreichern vorgeworfen wird, war Teil einer taktisch-strategischen Überlegung: Haider meinte, dass die Frage, ob man denn nun Deutscher sei oder nicht, nichts an der Lebensrealität der Österreicher ändern würde. Gleichzeitig weckte die Debatte aber oftmals Assoziationen zur NS-Zeit. Gerade die politische Linke setzte Deutschnationalismus gern mit Nationalsozialismus gleich. Und weiten Teilen des Volkes war der Bezug auf eine „österreichische Nation“ eine willkommene Flucht aus der gesamtdeutschen Verantwortung nach ’45. Haider entschloss sich daher, die FPÖ solle diese Identitätsfrage nicht mehr dezidiert behandeln. Er wollte Politik machen, verändern, gestalten. Der alte Deutschnationalismus der Freiheitlichen wich so einem pragmatischen „Österreich-Patriotismus“.

Überhohlspur

Der nun eintretende freiheitliche Höhenflug beginnt bereits wenige Wochen, nachdem Haider die Führung übernommen hat. Die SPÖ kündigt nach seiner Machtübernahme die Koalition mit den Blauen auf – es folgen Neuwahlen. Die FPÖ, die unter Steger in Meinungsumfragen teilweise bereits unter die Vier-Prozent-Marke abgerutscht war, kann ihren Stimmenanteil von 5,0 auf 9,7 Prozent ausbauen. Mit dieser Nationalratswahl beginnt für die FPÖ eine einzigartige Erfolgsserie. In den folgenden Jahren wird man kontinuierlich wachsen und von der Klein- zu einer Mittelpartei werden.

Warum? Der rasche Aufstieg der FPÖ ab diesem Zeitpunkt liegt zweifelsohne am Talent Haiders, der es verstand, auf die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen dieser Jahre in moderner Art und Weise zu reagieren. Die personelle, symbolische und inhaltliche Ausrichtung der FPÖ wird aktualisiert und die Wahlkampfführung professionalisiert. Haider und die FPÖ gelten als neue, innovative, verändernde und dynamische Kraft, die gegen die Unbeweglichkeit der Altparteien, deren verkommene Moral und die Verschwendung von Steuergeldern – Stichwort: Proporz – antreten.

Haider liebt es sich zu inszenieren und seine Person zur Marke zu machen. Egal ob Bungee-Sprünge aus schwindelnder Höhe, dramatischer Auftritt im Helikopter oder Marathonlauf – der Tatmensch Haider räumt mit dem angestaubten Image des volksfernen Politikers im Dreiteiler auf. Hinzu kommen Charisma und authentische Volksnähe. Noch heute wissen zahlreiche Österreicher zu berichten, wie sie einmal wenige Sätze mit Jörg Haider gesprochen haben und er sich noch Jahre später bei einem neuerlichen Treffen an ihre Namen oder persönliche Details erinnern konnte. Haider war mit einem einzigartig guten Personengedächtnis gesegnet.

Erster Rückschlag

Schon 1989 wird die FPÖ mit mehr als 13 Prozent Zugewinn bei der Landtagswahl in Kärnten zweitstärkste Kraft und Haider mit Unterstützung der ÖVP zum Landeshauptmann gewählt. Er ist somit zum ersten Freiheitlichen Landeshauptmann in der Geschichte der Republik geworden. Nach nicht einmal zwei Jahren verliert er dieses Amt aber bereits wieder. Stets hatten Haiders Gegner versucht, aus seinen nonkonformen Äußerungen politisches Kapital zu schlagen. Haider ist gern angriffig, testet den Raum des Sagbaren aus und verlässt ihn in seiner temperamentvollen Redeweise teils auch unbeabsichtigt.

Bei einer Debatte im Kärntner Landtag 1991, nachdem er die Streichung des Arbeitslosengeldes für Arbeitslose, die sich einer Umschulung verweigerten, gefordert hat, wirft ihm ein SPÖler vor, dass das „Zwangsvermittlung“ sei und man so etwas ja schon im Dritten Reich erlebt habe. Haider entgegnete: „Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung (gem. ist die rote Bundesregierung) in Wien zusammenbringt.“

Die Sozialdemokraten erkennen ihre Chance Haider loszuwerden. Man bietet der ÖVP den Posten des Landeshauptmannes an, wenn diese die Regierungsvereinbarung mit der Haider-FPÖ beendet. Es kommt zu einem Misstrauensantrag von Rot und Schwarz – Haider muss seinen Platz räumen. Bis heute wird das Zitat im Zusammenhang mit Haider oft als Beweis für eine angebliche NS-Gesinnung angeführt. In Wahrheit ist es einer der wenigen markigen Sätze, für die sich Haider im Laufe seiner Karriere entschuldigen wird.

Gipfel in Sicht

Nach dem Verlust des Postens als Landeshauptmann gilt der Fokus erneut der Bundespolitik. Zwischen 1990 und 1999 nimmt Haider der SPÖ laut Wählerstromanalysen des Sora-Instituts ein Fünftel ihrer Wählerschaft ab. Die Freiheitlichen können getrost behaupten, den Sozialdemokraten den Titel als Arbeiterpartei streitig zu machen. Hierfür ist vor allem die aufkommende Ausländerfrage verantwortlich. War Österreich zuvor ein weitgehend homogenes Land mit wenig Fremden gewesen, änderte sich das nun schlagartig. 1993 lebten um 340.000 mehr Menschen in Österreich, als am Tag des Mauerfalls drei Jahre zuvor. 1990 rangierte der Themenkomplex „Ausländer“ in der Wichtigkeitsskala der Wähler bloß auf Rang zehn – zwei Jahre später war er bereits das zweitwichtigste Motiv der Österreicher, sich für eine Partei zu entscheiden.

Bei der Nationalratswahl 1999 erreicht Haider schließlich seinen politischen Höhepunkt. Die FPÖ erhält 27 Prozent der Stimmen und kann erstmals den zweiten Platz belegen. Dieser Erfolg führt zum Regierungseintritt der FPÖ im Februar 2000. Gewaltige Proteste im In- und Ausland begleiten die Regierungsbildung. Europas Establishment tobt: So bricht etwa die Europäische Union die diplomatischen Beziehungen ab und verhängt Sanktionen über Österreich. Ein Bild vom lachenden Jörg Haider am Steuer eines Porsches, mit dem neuen ÖVP-Kanzler Schüsseln lediglich am Beifahrersitz, wird zum Symbol des blauen Sieges. Trotz Dämonisierung: Man regiert.

Anfang vom Ende

Doch dieser gewaltige Erfolg ist zugleich Haiders größter Fehler. Er ist nicht Teil der Regierungsmannschaft, das war Koalitionsbedingung. Im Mai 2000 muss er auch als Parteiobmann der Freiheitlichen Partei zurücktreten. Retrospektiv wäre es für Partei und Land besser gewesen, abzuwarten, in Opposition zu bleiben und das Scheitern einer neuerlichen rot-schwarzen Koalition abzuwarten. Aus dieser Position heraus hätte die FPÖ möglicherweise Platz Eins erreichen können.

Nur als Kanzlerpartei wäre eine Regierungsbeteiligung stilvoll gewesen – und in jedem Fall hätte Haider auch Teil dieser Regierung sein müssen. Doch hier wurde ihm sein eigener Tatendrang – man könnte es auch Ungeduld nennen – zum Verhängnis. Er sah die Chance, seine Partei in Regierungsverantwortung zu führen und ergriff sie – ohne jedoch die richtigen Rahmenbedingungen herzustellen. Ein Fehler, aus dem manche leider bis heute nicht gelernt haben. Regieren um des Regierens Willens darf nicht das Ziel sein. Erst, wenn man tatsächlich stark genug ist, um anders als die Systemparteien regieren zu können, ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Ansonsten wird man als rechte Partei schnell zum Erfüllungsgehilfen des politischen Gegners.

Rückzug in die Landespolitik

Doch zurück ins Jahr 2000: Nachdem die ÖVP erfolgreich der FPÖ jeden Erfolg in der Koalition vorenthalten kann, verliert diese zunehmend den Rückhalt bei den Wählern. Dies hat durchaus System und ist auf die sogenannte „Schüssel-Doktrin“ zurückzuführen. Der Plan der Volkspartei: Zu behaupten, man wolle zusammenarbeiten, insgeheim aber den Koalitionspartner zu beschädigen. Die daraus erwachsenen parteiinternen Spannungen verursachen 2002 einen FPÖ-Sonderparteitag in steirischen Knittelfeld. Dieser führt zu einem Machtwechsel innerhalb der Partei, zum Rücktritt mehrerer FPÖ-Minister und in der Folge zum Bruch der FPÖ-ÖVP-Koalition.

Haider wird daher auch für die größte Niederlage der Parteigeschichte verantwortlich gemacht. Die FPÖ verliert bei den vorgezogenen Nationalratswahl 2002 mehr als 17 Prozent der Wählerstimmen und rutscht auf insgesamt 10 Prozent ab. Es folgen desaströse Wahlergebnissen in den Bundesländern. Lediglich in Kärnten, wo Haider nach wie vor Obmann und seit 1999 auch wieder Landeshauptmann ist, kann die FPÖ immer noch gewinnen. Das alles führt zum Richtungsstreit: Im April 2005 gibt Haider die Gründung einer neuen Partei, des „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ), bekannt. Die FPÖ sei im Zuge der Misserfolge und Debatten seit 2000 zu beschädigt, eine „lässige, flotte und junge“ Partei sei von Nöten. Wider Haiders Erwartungen, kann sich die FPÖ unter Heinz-Christian Strache jedoch wieder fangen. Lediglich in Kärnten war das neu gegründete, orange BZÖ erfolgreich.

Haider als Landeshauptmann

Fast 10 Jahre lang, von 1999 bis zu seinem Tod, regierte Haider das südlichste Bundesland Österreichs. Ein Blick auf seine Politik zeigt, was zu erwarten gewesen wäre, hätte er sein Lebensziel, Kanzler zu werden, erreicht. Auffällig ist zunächst vor allem die Sozialpolitik unter Haider: Sonder-Sozialleistungen wie Baby- und Müttergeld, „Weihnachtshunderter“, „Jugendtausender“, Schulstartgeld. Unter seiner Regierung wurden unzählige Fördermaßnahmen für den einfachen Mann erlassen. Typisch dabei: Haider teilte diese Sozialleistungen oft persönlich aus. Es soll damals kaum einen Kärntner gegeben haben, dem er nicht mindestens einmal die Hand geschüttelt hat.

Seine Gegner werfen ihm billigen „Wählerkauf“ vor. Doch Haider hat einfach jenes Steuergeld, das Schwarz, Grün und Rot noch heute zu tausenden Asylanten und Migranten zuwerfen, dem eigenen Volk zurückgegeben. Weiters verzehnfachte er das Budget für Traditionsveranstaltungen und startete eine Initiative zum Erhalt des „Kärntner Blondviehs“, einer alten landestypischen Rinderrasse, die er so vor dem Aussterben rettete. Haider ging dabei auch sehr kreative Wege – um etwa seinen Landsleuten das Autofahren günstiger zu machen, eröffnete er mehrere „Landestankstellen“, die billigen Diesel zum Selbstkostenpreis verkaufen. Kein Wunder also, das man auch 2023 nur wenige Kärntner findet, die ein schlechtes Wort für „ihren Jörgi“ übrighaben. 15 Jahre nach seinem Tod überstrahlt der Glanz eines sich kümmernden „Landesvaters“ bis heute seine damals wie heute umstrittene Persönlichkeit.

Letzter Akt

Am 11. Oktober 2008, kurz vor 1.30 Uhr, kam Haider im Süden von Klagenfurt bei einem mysteriösen Verkehrsunfall ums Leben. Haider war allein mit seinem Dienstwagen unterwegs, als er in der Ortschaft Lambichl von der Straße abkam. Die offizielle Darstellung geht davon aus, dass er angetrunken war und zu schnell gefahren ist. Doch zahlreiche Ungereimtheiten tragen dazu bei, dass sein Tod heute vielen als gewollt gilt. So wurde das Tempo, mit dem der Landeshauptmann laut Auswertung unterwegs war, stetig nach oben korrigiert. Sein Promillewert wurde in der Berichterstattung in den Tagen nach dem Unfall von anfangs null, über eins bis schließlich auf 1,8 Promille erhöht.

Dazu kommt, dass zunächst berichtet wurde, die tödlichen Verletzungen Haiders seien durch den Überschlag seines Wagens verursacht worden. Später wurde plötzlich bekanntgegeben, dass sein Auto sich gar nicht überschlagen habe. Das alles mag natürlich den allgemeinen Wirren um den Fall geschuldet gewesen sein, befeuerte aber stets alternative Theorien. Warum der Familienmensch Haider, der am Weg zum 90. Geburtstag seiner Mutter war, 1,8 Promille Blutalkohol hatte und warum seine Blutprobe, als die Familie zehn Jahre später fristgerecht um deren Herausgabe zur Neuauswertung ansuchte, plötzlich verschwunden war, sind Fragen, die bis heute ungeklärt sind.

Was wäre noch gekommen?

Haider wäre heute 73 Jahre alt. Was aus ihm geworden wäre, kann man kaum sagen. 2008, kurz vor seinem Tod, hatte sein BZÖ 10,7 Prozent in der Nationalratswahl erreicht. Gemeinsam mit der FPÖ, die unter ihrem neuen Obmann Heinz-Christian Strache 17,5 Prozent erreicht hatte, ist somit ein „freiheitlicher 28-Prozent-Block“ entstanden, der SPÖ und ÖVP auf Platz zwei und drei verwiesen hätte. Zusammen stellten blaue und orange Freiheitliche so das stärkste Lager im Nationalrat dar. Laut Insidern hatte es damals Verhandlungen für eine Fusion der beiden Parteien geben. Gut möglich, dass wir einen „Volkskanzler Haider“ erlebt hätten. Eventuell sogar einen Bundespräsidenten – Dr. Jörg Haider hätte sicherlich das Zeug dazu gehabt, Alexander van der Bellen in die Schranken zu weisen. Schon in einer legendäre ORF-Diskussion zwischen den beiden aus dem Jahr 2008, ließ der dynamische und zugleich hochintelligente Haider den grünen Professor alt aussehen. Aber das ist eben nur Spekulation.

Am 18. Oktober 2008 wurde Jörg Haider unter Anteilnahme von 30.000 Menschen bei einer öffentlichen Trauerfeier verabschiedet. Seine Urne wurde anschließend im Familienkreis im Bärental beigesetzt. Was bleibt, sind seine Erfolge: Er gilt als Begründer des populistischen Stils der europäischen Rechten, hat mit seinem Charisma die FPÖ zur Volkspartei gemacht und die schwarz-rote Zweiparteienlandschaft Österreichs aufgebrochen. Vielen gilt er – nicht umsonst – als der erfolgreichste Politiker der Zweiten Republik. Sämtliche Erfolge, die die FPÖ in den kommenden Jahren erstreiten wird – Haider hat dafür das Fundament gelegt.

Neben seinem Grab im Bärental liegt unter anderem ein Schild, das Weggefährten dort für ihn hinterlassen haben: „Ruh Du nun aus, wir kämpfen weiter!“

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