Die Entscheidung des AfD-Bundesvorstandes, die Aktionsgruppe „Revolte Rheinland“ auf die umstrittene Unvereinbarkeitsliste zu setzen, sorgt aktuell für Diskussionen. Wir veröffentlichen am Heimatkurier daher zwei Debattenbeiträge zum Thema. Den Anfang macht Robin Classen, Mitglied im Landesvorstand der AfD Rheinland-Pfalz, der die Entscheidung verteidigt. Er argumentiert: „Der Kritik liegt ein falsches Verständnis der Unvereinbarkeitsliste zugrunde.“
Ein Kommentar von Robin Classen
Der Bundesvorstand der AfD hat die Revolte Rheinland – eine Art Nachfolgeorganisation oder jedenfalls Ausgründung der Identitären Bewegung – auf die Unvereinbarkeitsliste gesetzt. Diese Entscheidung wird nun in Teilen der deutschen Rechten scharf kritisiert. Die „Revolte Rheinland“ sei eine attraktive, aktivistische Organisation, die sich nichts zu Schulden habe kommen lassen und die es zu unterstützen gelte. Die Entscheidung des Bundesvorstands war jedoch richtig. Der Kritik liegt regelmäßig ein falsches Verständnis der Unvereinbarkeitsliste zugrunde, die als eine Art „Liste der Schande“ interpretiert wird. Über eine Organisation, die auf der Liste steht, würde ein negatives Werturteil gefällt.
Unvereinbarkeitsliste ist Warnhinweis für untere Parteigliederungen
Dieses Verständnis ist in dieser Einfachheit jedoch falsch. Eine Listung auf der Unvereinbarkeitsliste bedeutet nicht zwangsläufig eine negative Bewertung der Organisation und aller Menschen, die mit ihr zu tun haben, durch die AfD, sondern sie ist vielmehr als Warnhinweis für die Kreisverbände bei der Mitgliederaufnahme zu verstehen. Grund für die Listung ist weit überwiegend eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz oder eigene Anhaltspunkte, die für eine gewisse Brisanz von Mitgliedsanträgen sprechen.
Kleine Vereine mit VS-Beobachtungsstatus sind ein Risiko für die AfD
Gerade kleinere Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, können offenkundig ein Risiko für die Partei darstellen: Dies gilt insbesondere, wenn sie eine höhere Einstufung (bspw. „gesichert rechtsextremistisch“) aufweisen als der jeweilige Landesverband und der Verfassungsschutz diesbezüglich freie Hand auch in Hinblick auf Agententätigkeit hat. Derartige Organisationen haben – anders als die AfD mit ihrer Unvereinbarkeitsliste – keine Probleme damit, auch Mitglieder aus anderen unstreitig extremistischen Organisationen aufzunehmen, ohne besondere Vorsicht walten zu lassen. Die Mitgliederaufnahme von Personen aus Vereinigungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, sollte vorurteilsfrei, einzelfallbezogen, aber auch besonders vorsichtig und prüfungsintensiv erfolgen. Genau das stellt die Unvereinbarkeitsliste sicher. Wer früher in einer gelisteten Organisation tätig war, kann grundsätzlich trotzdem AfD-Mitglied werden, sofern sich Kreis- und Landesvorstand für eine Aufnahme entscheiden und der Bundesvorstand nicht widerspricht. Dies passiert auch und ist keine rein theoretische Ausnahmeregel ohne praktische Relevanz.
Vorfeld ist mehr als neurechte Selbstbespaßung
Lediglich bei einer aktuellen Mitgliedschaft in einer gelisteten Organisation ist eine Aufnahme nicht möglich. Dies ist etwa der Fall bei der Identitären Bewegung und jetzt auch bei der Revolte Rheinland – und zwar zurecht. Es ist zwar richtig, dass die Partei ein politisches Vorfeld benötigt und dieses viel stärker fördern muss, als bisher: Dieses besteht aber übrigens nicht nur aus dem „Scheitelträger-Klientel“ rund um ein Schnellroda, EinProzent und Identitäre, sondern gerade auch aus kleinen Windkraftgegnerverbänden, Straßenausbaugegner-Vereinen und sogar größeren Vereinigungen von Steuerzahlern oder aus der mittelständischen Wirtschaft, in die die von einigen bisweilen verachteten „Parlamentspatrioten“ dankenswerterweise wertvolle Beziehungen aufgebaut haben und mit denen man sich gegenseitig die Bälle zuspielt. Nicht wenige Unternehmer sprechen unter ihresgleichen oder mit ihren Mitarbeitern politisch unter vorgehaltener Hand längst Klartext, nachdem Parteimandatare das Eis gebrochen haben.
Entweder Partei oder aktivistisches Vorfeld: Beides geht nicht
Was aktivistische Gruppierungen anbelangt, muss die Partei diese natürlich weder bekämpfen, noch sich von ihnen schlagzeilenträchtig distanzieren. Klar ist aber, dass man entweder zum aktivistischen Vorfeld gehört oder zur Partei. Partei und das aktivistische Vorfeld bedingen sich gegenseitig, sollen und müssen aber organisatorisch und personell getrennt bleiben. Dies ergibt sich schon aus den Stoßrichtungen und Aktionsformen: Während eine Partei die politische Willensbündelung und -bildung in Parlamenten zum Zweck hat, will eine aktivistische Vorfeldorganisation mit kreativem, zum Teil auch skandalträchtigem Widerstand über zivilen Ungehorsam bis in den strafrechtlich relevanten Bereich von Hausfriedensbrüchen hinein Aufmerksamkeit generieren.
Tatsache: Auch linke Verbände halten die Trennung ein
Es ist offenkundig eine schlechte Idee, einerseits in einem Kreisvorstand Wahlprogramme zu schreiben und im Kreistag Haushaltsfragen zu diskutieren und sich am Wochenende auf Wohnhäusern zu verschanzen oder im Schutz der Dunkelheit Bengalos zu zünden und Banner aufzuhängen. Aktivismus ist nämlich grundsätzlich auch immer mit einem erhöhten strafrechtlichen Risiko verbunden. Dies haben – entgegen der üblichen Argumentation mancher Rechter – auch die Linken so erkannt und umgesetzt: Bestes Beispiel ist das Verhältnis der Grünen zur Letzten Generation, von der sich die Bundestagsfraktion der Grünen und zahlreiche weitere Funktionäre deutlich und klar distanziert haben. Umgekehrt ist auch für aktivistische Rechte eine Parteimitgliedschaft ein Klotz am Bein: Sie sind durch Parteiräson und bürgerliche Zwänge daran gehindert, mit der in ihren Augen gegebenenfalls nötigen Beinfreiheit zu agieren.
Auch Herbert Kickl ist für klare personelle und organisatorische Trennung
Eine klare organisatorische und personelle Trennung von Vorfeld und Partei befürwortet übrigens auch Herbert Kickl (FPÖ), der aus dem aktivistischen Vorfeld immer wieder für seinen Kurs gelobt wird. In einem Interview mit oe24.at äußerte er in Hinblick auf das Verhältnis der FPÖ zur Identitären Bewegung: „Selbstverständlich gilt unter mir eine klare strukturelle, personelle und organisatorische Trennung.“ Daraus ergibt sich – wie man bei Kickl ebenfalls sieht – nicht zwingend das Erfordernis, auf einer solchen Vereinigung herumzuhacken oder sich fortwährend verbal von allem und jedem zu distanzieren. Den vernünftigen Kickl-Kurs fährt auch der Bundesvorstand der AfD – und zwar zurecht und mit Erfolg.
Der Autor Robin Classen ist seit 2017 Mitglied im Landesvorstand der AfD Rheinland-Pfalz.