Bundespräsident Frank Walter Steinmeier (SPD) besucht zum ersten Mal die Türkei. Mit im Gepäck: 60 Kilogramm Dönerfleisch als „deutsches Nationalgericht“. Doch viel schwerer wiegen die Worte, mit denen Steinmeier den Mythos verbreitet, die türkischen Gastarbeiter hätten Deutschland „aufgebaut“: „Sie sind nicht Menschen mit Migrationshintergrund – Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund.“
Bei seinem aktuellen Türkei-Besuch gibt der deutsche Bundespräsident Steinmeier das Märchen vom Wiederaufbau Deutschlands durch türkische Gastarbeiter zum Besten. Bei einer Rede am Bahnhof Sirkeci in Istanbul, von welchem türkische Gastarbeiter nach Deutschland aufbrachen, sagte Steinmeier: „Sie haben unser Land aufgebaut, sie haben es stark gemacht und sie gehören ins Herz unserer Gesellschaft.“
Kein arbeitsmarktpolitischer Bedarf
Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Anders als in der Legendenbildung behauptet, bestand 1961 (also sieben Jahre nach dem Höhepunkt des sogenannten Wirtschaftswunders im Jahr 1955) für Deutschland kein realer, arbeitsmarktpolitischer Bedarf am Import zusätzlicher Arbeitskräfte, die seinerzeit aufgrund ihrer mangelhaften Qualifikationen ohnehin nur im Bereich des Niedriglohnsektors zum Einsatz kommen konnten. Der Wunsch nach einem Abkommen ging eindeutig von der Türkei aus.
Interessen der Nato und Türkei
Zustande kam es schließlich aufgrund des Drucks der USA, die nach der geostrategisch motivierten Aufnahme der Türkei in die Nato dieses Land ökonomisch stabilisieren wollte. Bei Abschluss des Abkommens standen die außenpolitischen Ziele der Nato sowie die innenpolitischen und wirtschaftlichen Ziele der Türkei im Vordergrund. Insbesondere erhoffte sich die Türkei einen Rückgang der hohen türkischen Arbeitslosenzahlen, die durch ein dauerhaft über dem Wirtschaftswachstum liegendes Bevölkerungswachstum verursacht waren.
Fehlende Souveränität Deutschlands?
Der damalige Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung – Vorläufer der heutigen „Agentur für Arbeit“ -, Anton Sabel (CDU), gab am 26. September 1960 unmissverständlich zu Protokoll: „Arbeitsmarktpolitisch ist eine Vereinbarung mit der Türkei in keiner Weise notwendig. Ich kann jedoch nicht beurteilen, wie weit sich die Bundesrepublik einem etwaigen solchem Vorschlag der türkischen Regierung verschließen kann, da die Türkei ihre Aufnahme in die EWG beantragt hat und als NATO-Partner eine nicht unbedeutende politische Stellung einnimmt.“
Deutschland vom eigenen Volk aufgebaut
Da das Abkommen keinen wirtschafts-, sondern einen außenpolitischen Hintergrund hatte, wurde es auch folgerichtig nicht vom Arbeits-, sondern vom Außenministerium verhandelt und abgeschlossen. Tatsächlich war das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Westdeutschland bereits 1960 wieder höher als in den Niederlanden, Dänemark oder den Siegermächten Großbritannien und Frankreich. Deutschland war zweitstärkste Wirtschaftsnation weltweit hinter den USA und somit vom eigenen deutschen Volk wieder aufgebaut.
1,2 Millionen Türken wollten nach Deutschland
Nach Abschluss des Abkommens versuchten hunderttausende Türken nach Deutschland als Gastarbeiter zu gelangen, wie Stefan Luft in seinem Buch „Abschied von Multikulti“ darlegt: „So ließen sich von 1961 bis 1973 viermal so viele Bewerber bei der ‚Deutschen Verbindungsstelle‘ der Bundesanstalt für Arbeit registrieren, wie tatsächlich vermittelt wurden. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Anton Sabel, berichtete 1966: ‚In der Türkei ist das Angebot gewaltig. Und bei jedem Besuch dort wird versucht, uns plausibel zu machen, wir sollten in der Türkei noch mehr Arbeitskräfte anwerben. Ich muss immer wieder deutlich machen, dass unsere Anwerbungen sich nach dem Bedarf richten. Das heißt, wir werben nur an, wo eben Kräfte angeboten sind. Aber es sind gewaltige Zahlen, die uns genannt werden. 400.000 Türken warten darauf, bei uns Beschäftigung zu finden.‘ Bis 1971 war die Zahl jener, die bei den türkischen Behörden für eine Arbeitsaufnahme im Ausland (insbesondere in Deutschland) gemeldet waren, auf über 1,2 Millionen angestiegen.“
Deutschland hat der Türkei geholfen
Mit der erzwungenen Aufnahme türkischer Arbeits- und Perspektivloser hat Deutschland somit der Türkei geholfen und nicht umgekehrt. Bundeskanzler Helmut Kohl wollte übrigens bei seinem Amtsantritt 1982 wegen dem „Aufeinanderprallen zweier verschiedener Kulturen“ jeden zweiten Türken wieder abschieben. Doch die von Steinmeier und Konsorten verbreiteten Märchen wurden in Dortmund bereits in Stein gegossen und sollen demnächst in einem Migrationsmuseum in Köln als staatlich beglaubigte Wahrheit präsentiert werden. Es geht um nichts anderes als die Neuschreibung der deutschen Geschichte – eine Reeducation 2.0.