Auf Entdeckungsreise durch Korsika: Erbe, Ansprüche und Zukunft

Seit Jahrzehnten leisten rechte als auch linke korsische Nationalisten Widerstand gegen die französische Zentralgewalt. In seinem Gastbeitrag liefert Matisse Royer einen historischen Rückblick und stellt eine neue Bewegung vor, die den Nationalismus auf Korsika aktuell entscheidend prägt.

Ein Gastbeitrag von Matisse Royer

Erbe: Korsika und seine Geschichte

Korsika, eine kleine Insel im Mittelmeer, ist für ihre Landschaft, ihre Berge und natürlich ihre Strände bekannt. Sie ist auch berühmt für Pasquale Paoli, den Vater der korsischen Nation, der eine entscheidende Rolle bei der Unabhängigkeit Korsikas und der Gründung der ersten modernen Republik gespielt hat. Bei der Gründung der Vereinigten Staaten war er eine wichtige Inspirationsquelle für George Washington Paoli kann durchaus mit dem Gründungsvater der Vereinigten Staaten verglichen werden.

Die Insel ist auch berühmt für Napoleon Bonaparte. Als europäisches Genie erklärte er auf der Insel St. Helena seinem Freund Las Cases: „Europa würde bald auf diese Weise wahrhaftig nur ein einziges Volk bilden, und jeder, der überallhin reist, würde sich immer im gemeinsamen Vaterland finden.“ In demselben Werk finden wir: „Einer meiner größten Gedanken war die Agglomeration, die Konzentration derselben geographischen Völker, die durch Revolutionen und Politik aufgelöst und zerstückelt worden waren. […] Ich wollte aus jedem dieser Völker einen einzigen Körper einer Nation machen. Mit einem solchen Gefolge wäre es schön gewesen, in die Nachwelt und den Segen der Jahrhunderte zu schreiten. Ich fühlte mich dieser Herrlichkeit würdig.“

Ansprüche : Der korsische Nationalismus

Korsika ist auch für den „korsischen Nationalismus“ und seinen Identitätskampf bekannt. In der Vorkriegszeit gab es kurz gesagt einen konservativen, katholischen, rechtsgerichteten korsischen Nationalismus, der insbesondere durch die Bewegung A Muvra vertreten wurde. Der Anführer, Petru Rocca, wurde für seine Heldentaten im Ersten Weltkrieg Offizier der Ehrenlegion. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er 1945 wegen Gefährdung der Staatssicherheit verurteilt und seiner Titel enthoben. Das traf letztlich auch seine Bewegung.

CEDIC und Manifest der internen Autonomie

Die Suche nach Identität kehrte in den 1960er Jahren allmählich zurück, allerdings in einer anderen politischen Konfiguration. Zunächst mit den Persönlichkeiten von Yves Le Bomin, einem Bretonen, und Paul-Marc Seta sowie Max Simeoni: die Ausrichtung war föderalistisch mit einem lobbyistischen Ansatz. Tatsächlich stellte CEDIC keine Partei im eigentlichen Sinne dar. Ihr Ziel war es, die korsische Linke und Rechte von verschiedenen Themen zu überzeugen: Verwaltungs- und Steuerautonomie, Ablehnung des Zentralismus, Kritik an der Einwanderung, die die korsische Ethnie schwächte.

Die ARC, der FLNC und die tragischen 90er Jahre

Angesichts des Scheiterns dieser Methode änderte sich der Ansatz. Mit der ARC wurde der Diskurs politischer, der Inhalt blieb im Großen und Ganzen derselbe, aber die Vorgehensweise änderte sich: es war notwendig, eine nationale Bewegung politisch zu organisieren. Da die Antwort des Staates weiterhin repressiv und menschenverachtend blieb, radikalisierte sich der Identitätskampf und es folgte die Gründung des FLNC. Die Ausrichtung war ziemlich komplex: die militante Basis blieb konservativ, dennoch gab es eine starke drittweltliche und linke Strömung, die durch die Veröffentlichung des marxistisch-leninistisch inspirierten „Grünbuchs“ verkörpert wurde. Die politische Charakterisierung des FLNC ist schwierig, da sich in seinem Inneren Leute von der extremen Linken, die zwar stark in der Minderheit, aber laut waren, bis hin zu Leuten der radikalen Rechten tummelten. Trotz der guten Wahlergebnisse der nationalen Bewegung, die 1992 etwa 25 Prozent betrug und von verschiedenen Bewegungen verkörpert wurde, waren die 90er das tragische Schauspiel eines Bruderkriegs zwischen der historischen und der politischen Strömung, der aus der Spaltung des FLNC Anfang der 90er Jahre hervorging. Es folgte eine Zeit der politischen Unfruchtbarkeit.

2015 – der nationalistische Sieg

2015 kam es zum Sieg der Nationalisten bei den Territorialwahlen. Eine Koalition unter der Führung des Autonomisten Gilles Simeoni und Jean-Guy Talamoni katapultierte sie an die Macht. Die Grundlage der Koalition ist ein Autonomiestatut, ein Aufenthaltsstatus auf der Insel, die Gleichstellung der korsischen Sprache mit dem Französischen, die Verlegung der „politischen“ Gefangenen auf die Insel und die Einschreibung Korsikas in die französische Verfassung. Es folgten Siege bei den folgenden Territorial- und Parlamentswahlen. Im Jahr 2021, bei den letzten Territorialwahlen, erreichten alle nationalistischen Listen fast 75 Prozent der Stimmen, die Unabhängigkeitsbefürworter etwa 20 Prozent und die Autonomisten etwa 55 Prozent.

Zukunft: Der „Palatinu Nationalismus“

Trotz der fulminanten Wahlsiege seit 2015 ist die politische Bilanz bislang schwach. Zudem ist zu beobachten, dass die militante nationalistische Basis eher nach rechts tendiert, wie die Korsen im Allgemeinen, während unsere nationalistischen Eliten – entweder aus politischem Zynismus oder aus ehrlicher Überzeugung – eher nach links tendieren, vor allem bei den Themen Einwanderung, Steuerpolitik, Verhältnis zum Islam, Wokismus, LGBTQ – also all den Fragen, mit denen sich die Europäer in ihrer Nation auseinandersetzen müssen. So gibt es seit einiger Zeit das Aufkommen des sogenannten „Palatinu Nationalismus“. Was ist damit gemeint? Wie bereits erwähnt, ist die nationalistische Basis weiter rechts als ihr Kopf, das war ein Vorbote für den Erfolg des Palatinu Nationalismus. Der „Palatinismus“ ist genauer gesagt die natürliche Verbindung zwischen Nationalisten und der bonapartistischen und autonomistischen Rechten.

Metapolitik und Gemeinschaft

Zunächst ist Palatinu ein Verein. Nach dem Vorbild des deutschen Vorfelds, arbeitet er sowohl an der Ausarbeitung von Ideen durch seine digitale Zeitung als auch an der Organisation von Gemeinschaftsveranstaltungen. Der Verein will die korsische Identität und die Familie verteidigen. Es ist ein Ort des Austauschs, der rund um die korsische, aber auch die europäische Kultur organisiert ist, mit einem Gespür für Aristoteles, Pascal, Tolkien und andere europäische Genies. Ab März 2024 nahm der Palatinu-Nationalismus durch die Gründung der politischen Partei Mossa Palatina eine neue Form an. Tatsächlich war es bei einer Versammlung im Palais des Congrès vor 500 Korsen, dass Nicolas Battini, der Vorsitzende des Vereins Palatinu, diese neue Partei offiziell ins Leben rief. Mossa Palatina ist Teil der Bewegung des korsischen Nationalismus und trägt die Ideale des Palatinu-Vereins.

Genuin rechte Partei

Ihr Projekt zielt darauf ab, die Existenz, die Anerkennung und die Autonomie des korsischen Volkes innerhalb der französischen Verfassung zu verteidigen. Außerdem versucht die Partei, die lokalen Freiheiten zu fördern, die Demokratie zu stärken, die korsische Identität zu bewahren und den Islamismus abzulehnen. Darüber hinaus lehnt sie den Wokismus und die LGBTQ-Ideologie ab, während sie die Verteidigung der unternehmerischen Freiheit unterstützt und die Überbesteuerung verweigert. Mossa Palatina möchte Verbindungen zu den rechten Kräften in Europa herstellen, die auf der Wahrung der europäischen Identitäten basieren. Es besteht der Wunsch, eine „Internationale der Identitäten“ in Europa zu organisieren, um die regionalistischen, autonomen und unabhängigen Bewegungen, die den Schutz der ethnisch-kulturellen Identität teilen, zu vereinen.

Schlussfolgerung

Die Mossa Palatina ist also eine konservative und identitäre Partei mit einer liberal ausgerichteten wirtschaftlichen Komponente, die sich im politischen Kontext Frankreichs als Befürworterin einer Dezentralisierung positioniert. Auf diese Weise will die palatinische Bewegung den korsischen Nationalismus reformieren und den Drittwelt-Gedanke der 1970er Jahre, der eine Geisel des linken Denkens ist, bekampfen, zugunsten einer neuen identitären Software, dem Palatinismus, der mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vision der Rechten in Europa übereinstimmt.

Matisse Royer studiert Medizin und ist in Frankreich, etwa auf Korsika und in der Bretagne, und darüber hinaus in ganz Europa politisch aktiv.

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