Nepal ist eine der größten Auswanderernationen der Welt. 30 Prozent des nepalesischen BIP sind Rücküberweisungen. 7,5 Prozent aller Nepalesen leben im Ausland, bisher meist in den Golfstaaten. Doch nun kommen sie nach Europa.
In der Migrationsdebatte ist Nepal kein Land, das oft zur Sprache kommt. Sicher: Die Masse der Migranten kommt aus Afrika und dem Mittleren Osten. Bei den Worten Überfremdung denkt man an Namen wie Ali und Mutumbo, nicht an Prabhas. Doch auch wenn es mit nicht einmal 30 Millionen Einwohnern quantitativ von zweitrangiger Bedeutung ist, Nepal ist das Auswanderungsland schlechthin. Und immer mehr Nepalesen kommen nach Europa. Es lohnt sich also, einen Blick zu werfen:
Geringe Perspektiven
Mit einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von etwas über 1.300 Dollar pro Kopf und Jahr, kaufkraftbereinigt knapp unter 5.000 Dollar, ist Nepal eines der ärmsten Länder der Welt, das nicht gerade von einem Bürgerkrieg verwüstet wird. Das Land liegt im Himalaya zwischen Indien und China und hat dort selbstverständlich keinen Anschluss zum Meer. Aufgrund der geringen Zukunftsaussichten in einem bergigen Binnenland, dessen wichtigster Wirtschaftssektor nach wie vor die Landwirtschaft ist, entscheiden sich seit Jahren immer mehr Nepalesen dafür, die Heimat zu verlassen. Nach dem Zensus von 2021 leben 2,2 der 29,2 Millionen Nepalesen oder 7,5 Prozent der Gesamtbevölkerung im Ausland. Auf Deutschland umgerechnet wären das 6,3 Millionen. Rücküberweisungen dieser Menschen an ihre Familien machen fast ein Drittel des gesamten Bruttoinlandsprodukts aus.
Bisher vor allem in die Golfstaaten
Bisher gingen die meisten Nepalesen in die Golfstaaten oder nach Malaysia. Doch die Arbeitsbedingungen in den Golfstaaten sind chronisch ausbeuterisch. Oft genug werden den Gastarbeitern deutlich geringere Löhne gezahlt, als bei der Anwerbung versprochen, und von diesen müssen sie dann auch erst einmal die für die Einwanderungskosten aufgenommenen Schulden abbezahlen.
Prestigeziel Europa
Das ist ein Grund, aus dem sich inzwischen immer mehr Nepalesen auf den Weg nach Europa machen. Doch nicht nur bessere Löhne und Arbeitsbedingungen locken. Ein anderer, weniger schmeichelhafter Grund ist, dass die asiatischen Schwellenländer inzwischen vermehrt nach ausgebildeten Fachkräften Ausschau halten. Ungelernte Arbeitskräfte müssen sich da auf den weiteren Weg nach Europa machen. Schließlich hat sich in Nepal eine richtige Auswanderungskultur entwickelt, die inzwischen auch die soziale Rangordnung mitbestimmt. Und trotz seines anhaltenden Niedergangs ist Europa immer noch ein Prestigeziel. Wer in Europa arbeitet, hat als Nepalese einen höheren Stand als einer, der es nur in die Golfstaaten geschafft hat – selbst in dem Fall, dass beide finanziell gleich erfolgreich sind.