In Thüringen wurde sie erreicht, in Sachsen nur knapp verfehlt: die Sperrminorität. Was bedeutet sie, und warum fürchtet sich das Altparteienkartell so davor?
Ergebnisse über 30 % sind beachtlich, aber an der Macht im Staat ändern sie erst einmal nichts. Das Altparteienkartell hat genügend Stimmen, um einfach weitermachen zu können, zur Not mit der jüngsten Altpartei: dem Bündnis Sarah Wagenknecht. Die einzigen Geschädigten auf Altparteienseite scheinen zunächst bedeutungslose Hinterbänkler zu sein, die nun ihre Mandate und Pfründe räumen müssen.
Verfassungsänderung und Verfassungsrichter
Dass die AfD in Thüringen die Sperrminorität erreicht hat, lässt derweil in der Mainstreampresse alle Alarmglocken schrillen. Warum? Für eine Regierungsbildung reichen 51 %, und dasselbe gilt für die ordentliche Gesetzgebung. Nur für sehr weniges braucht man eine Zweidrittelmehrheit: Verfassungsänderungen und die Wahl der Landesverfassungsrichter.
Bei der Parlamentarischen Kontrollkommission kann die Zweidrittelhürde mit einfacher Mehrheit abgeschafft werden
In Thüringen kommt nach gegenwärtigem Recht noch die Parlamentarische Kontrollkommission zur Überwachung der Tätigkeiten des Landesverfassungsschutzes hinzu. Dass deren Mitglieder mit zwei Dritteln aller Stimmen gewählt werden, beruht jedoch auf einfachem Gesetz, nicht auf der Verfassung, und dieses Gesetz kann mit einfacher Mehrheit geändert werden.
Verfassungsänderungen kann man aufschieben
Der kritische Punkt sind die Verfassungsänderungen. Tatsächlich: Seit die AfD ernsthaft in den Umfragen steigt, wird in der politischen Intelligenz der Bundesrepublik immer offener darüber nachgedacht, wie man die Verfassungen von Bund und Ländern abändern müsste, um die AfD zuverlässig von der Macht fernzuhalten. In Thüringen kann die Altparteienkoalition diese Pläne nun für die nächsten fünf Jahre begraben. In Sachsen wären Verfassungsänderungen durch ein Bündnis aller gegen die AfD immer noch möglich.
Richterstühle aber müssen besetzt werden
Viel gefährlicher für die Altparteien ist aber die Richterwahl. Denn auf Verfassungsänderungen kann man auch einfach verzichten. Aber Richterstellen müssen besetzt werden. Und wenn das ohne die AfD nicht geht, dann müssen Teile der Altparteien mit der AfD zusammenarbeiten, oder das Landesverfassungsgericht Thüringens wird schlichtweg keine Richter mehr haben, wenn die Amtszeiten der derzeitigen Richter abgelaufen sind.
Richterwahlen drohen, das Altparteienkartell zu sprengen
Das Problem für das Kartell besteht darin, dass es nun einmal ein Kartell ist. Und ein Kartell lebt davon, dass es Mitbewerber konstant boykottiert. Wenn einige aus dem Kartell ausscheren – und sei es erst einmal nur, weil sie keine andere Wahl haben – dann zerbröckelt die Kartellabsprache. Deshalb ist die Sperrminorität für das Kartell so gefährlich, nicht weil die AfD groß etwas damit erpressen könnte, sondern weil andere Parteien aus dem Kartell ausbrechen müssten, um eine funktionierende Gerichtsbarkeit herzustellen. Vor allem in der Ost-CDU, die gerade breite Wählerschichten an die AfD verliert, könnten Funktionäre der Berliner Führung den Gehorsam aufkündigen. Die Dynamik, die dann entsteht, fürchtet das Altparteienkartell.