Landtagswahlen: Nachlese (5): Sorgen und Nöte der jüngsten Altpartei

Das Bündnis Sarah Wagenknecht ist der zweite große Wahlsieger, doch droht der Wahlerfolg zum Offenbarungseid zu werden. Wer als Fundamentalopposition antritt, darf sich nicht zum Mehrheitsbeschaffer des Altparteienkartells machen. Doch die Alternative wäre die Alternative, und mit der kann und will Wagenknecht nicht zusammenarbeiten.

Das Bündnis Sarah Wagenknecht füllt eine Repräsentationslücke. Das steht nach diesen Landtagswahlen fest. Das Wichtigste sind nicht einmal die Ergebnisse der Partei in Thüringen und Sachsen als solche, sondern dass diese Ergebnisse in etwa mit den Umfragewerten übereinstimmen. 11,8 % in Sachsen und 13,1 % in Thüringen decken sich ziemlich gut mit aktuellen Umfragen. Dann dürften aber nicht nur konstant zweistellige Ergebnisse im Osten, sondern auch 8 % in Baden-Württemberg und Hessen sowie 9 % im Saarland drin sein. Als das BSW gegründet wurde, war die erste Frage, ob es überhaupt Chancen auf den Bundestag hat. Wenn sich bis zur Wahl nicht noch grundlegend etwas verändert, dürfte der Einzug sicher sein.

Altlinker Charme und innere Widersprüche

Wenn sich nichts ändert. Das BSW tritt als Alternative von links gegen das bestehende Altparteienkartell an, und während man sich über manche Wirtschaftsfragen noch verständigen kann, so ist Wagenknechts Positionierung gegen Waffenlieferungen an die Ukraine für die Altparteien ein rotes Tuch. Dazu kommt, dass das BSW intern über eines der wichtigsten Wahlthemen zutiefst gespalten ist: Wagenknecht selbst tritt als, wenn auch moderate, Migrationskritikerin auf und das macht einen nicht zu unterschätzenden Teil ihrer altlinken Attraktivität für Wähler aus, die sich von linken Parteien, die von woken Akademikern bestimmt werden, verraten fühlen. Doch das restliche Führungspersonal ihrer Partei entstammt selbst der woken und auch migrationsbesessenen Blase. Das Bündnis Sarah Wagenknecht soll linksalternative Wähler bedienen, die sich von den etablierten Linksparteien nicht länger repräsentiert fühlen. Gleichzeitig ist zu viel an der Partei Fleisch vom Fleisch der universitären Linken und würde hervorragend zu Gestalten wie Kevin Kühnert und Ricarda Lang passen.

In Sachsen glückliche Opposition

Deshalb wäre es sehr interessant gewesen zu erfahren, wie Sarah Wagenknecht den Ausgang der beiden Landtagswahlen selbst sieht. Eigentlich braucht sie einige Jahre in der Opposition, erstens um ihre Partei intern zu festigen, zweitens um nicht als willige Steigbügelhalterin der Altparteien wahrgenommen zu werden. In Sachsen hat sie letztlich das Glück, dass eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei prinzipiell das BSW nicht zur Regierungsbildung bräuchte. Damit dürfen diese vier Parteien sich jetzt auf eine Koalition oder zumindest die Duldung einer Minderheitsregierung einigen. Die sächsischen BSW-Vorsitzenden Sabine Zimmermann und Jörg Scheibe werden ihnen dabei von der Oppositionsbank genauso viel Spaß wünschen wie Jörg Urban.

In Thüringen geht es ohne das BSW nicht

In Thüringen hingegen sieht es anders aus. Dort hätten AfD und BSW zusammen die absolute Mehrheit, woraus folgt, dass gegen sie keine Regierung gebildet werden kann. Selbst für eine Minderheitenregierung müssten entweder BSW oder Linkspartei für den CDU-Mann Mario Voigt stimmen. Ansonsten würde Björn Höcke im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Die AfD hat mehr Landtagsabgeordnete als CDU und SPD zusammen. Eine von ihren alten Genossen bei der Linkspartei getragene CDU-Regierung wäre für Wagenknecht das Beste, was passieren kann. Doch warum sollte die Linkspartei in den sauren Apfel beißen?

Unrealistische Forderungen

Vor der Wahl erklärte Wagenknecht bereits außenpolitische Zugeständnisse zur Bedingung jeder Zusammenarbeit auf Landesebene. Eine Landesregierung, an der das BSW beteiligt ist, dürfe keiner Ukrainehilfe zustimmen und auch keiner Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen. Die Außenpolitik so auf die Landesebene zu holen, ist ein politischer Tabubruch und dürfte Wagenknecht einiges politisches Kapital gekostet haben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Wagenknecht diese Forderungen nicht erhoben hat, damit sie erfüllt werden, sondern damit die Altparteien diese als Erpressungsversuch weit von sich weisen. Damit wäre Wagenknecht erstmal aus dem Schneider – und auf der sicheren Oppositionsbank.

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