Europas Wende gegen Migration?

Der Zeitgeist wendet sich in Europa gegen die Masseneinwanderung. In einer Reihe von Ländern versucht die Politik aktiv, Einwanderung zu beschränken. Die Frage der nächsten Jahre wird lauten: Reicht das für Remigration?

Während der Europäische Gerichtshof in einem umstrittenen Urteil sämtlichen afghanischen Frauen automatisches Asylrecht in der Europäischen Union zugesteht, wenden sich weite Teile der europäischen Bevölkerung von der Masseneinwanderung ab. Dies drückt sich in Wahlergebnissen der AfD in Deutschland, der FPÖ in Österreich und des Rassemblement National in Frankreich aus. In manchen Staaten sind Antieinwanderungsparteien an der Regierung beteiligt. Diese unterscheiden sich teilweise drastisch voneinander.

Dänemark: Sozialdemokraten kapern den Rechtspopulismus

Einer der interessantesten Fälle, der immer etwas unter dem Radar der Öffentlichkeit blieb, ist Dänemark. Die Politik dort wurde in den vergangenen beiden Jahrzehnten maßgeblich von der Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) mitbestimmt, obwohl diese Partei nie aktiv an der Regierung war. In den skandinavischen Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen gilt das sogenannte negative Misstrauensvotum: Der Regierungschef wird formell vom König ernannt und kann vom Parlament nur abgewählt werden. Eine positive Wahl eines Regierungschefs, wie in Deutschland und Österreich die Wahl des Kanzlers durch Bundestag oder Nationalrat, findet nicht statt.

In der Verfassungspraxis hat sich daraus eine zweigliedrige Regierungsbeteiligung entwickelt. Minderheitsregierungen sind in skandinavischen Ländern völlig normal. Es gibt meistens eine Regierungskoalition, die wie bei uns auch untereinander die Ministerposten aufteilen. Diese Koalitionen haben aber fast nie eine Mehrheit. Deshalb gibt es weitere Parteien, die die Minderheitsregierung dulden, also darauf verzichten, sie abzuwählen. Im Austausch dafür können sie die Regierungspolitik ein Stück mitbestimmen. Die Dansk Folkeparti hat als Antieinwanderungspartei restriktive Einwanderungspolitik immer zur Bedingung ihrer Duldung liberalkonservativer Regierungen gemacht.

Im Ergebnis stieg der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in Dänemark langsamer als in anderen Ländern, aber er stieg und steigt dennoch kontinuierlich. Laut offizieller Statistik liegt er inzwischen bei 15,9 Prozent – im historischen Vergleich immer noch eine absurd hohe Zahl, aber nur etwa die Hälfte des deutschen Anteils von 29 Prozent. Beim Vergleich dieser Zahlen muss man sich allerdings bewusst machen, dass „Migrationshintergrund“ eine Kategorie ist, die in unterschiedlichen Statistiken unterschiedlich definiert wird. Einheitlicher sind die Auffassungen darüber, was der Geburtsort eines Menschen ist. Geht man nach Geburtsort, dann hat Deutschland 18,8 Prozent Einwohner, die im Ausland geboren wurden. In Dänemark sind es 12,4 Prozent. Dänemark hat damit 65 Prozent des deutschen Anteils. Das ist besser, aber für die große Rettung vor dem großen Austausch nicht annähernd ausreichend.

Gleichzeitig aber hat sich die begrenzte Einwanderungskritik der Dansk Folkeparti inzwischen selbst überflüssig gemacht. Diese moderate Einwanderungsbeschränkung hat inzwischen auch die dänische Sozialdemokratie unter Premierministerin Mette Frederiksen übernommen. Die Dansk Folkeparti stürzte von der zweitstärksten Kraft im Parlament mit 21 Prozent im Jahr 2015 auf den Rang einer Splitterpartei mit 2,6 Prozent bei der Wahl 2022 ab.

Unter Frederiksen ist Nulleinwanderung zum offiziellen Ziel geworden, bis jetzt ist davon allerdings nichts zu merken. Die Masseneinwanderung geht in Dänemark weiter – langsamer als anderswo, aber sie geht weiter.

Niederlande: Hoffnung auf den Opt-out und Ausnahmezustand

In den Niederlanden ist seit dem 2. Juli Dick Schoof, ein parteiloser Ex-Geheimdienstler, Ministerpräsident. Seine Regierung begann 223 Tage nach den Parlamentswahlen vom 22. November 2023, in denen Geert Wilders‘ Partij voor de Vrijheid mit 23,5 Prozent die stärkste Kraft wurde. Es waren die längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte der Niederlande. Wilders selbst ist nicht Teil der Regierung.

Diese neue Regierung hat auf dem Papier einen der bisher radikalsten Schritte gewagt, um der Einwanderungskrise Herr zu werden: Sie stellte bei der EU-Kommission tatsächlich einen Antrag auf den Ausstieg aus den EU-Asylregeln. Dem müssten allerdings alle 27 EU-Staaten zustimmen, da es dabei um nicht weniger als eine Änderung der Verträge geht, auf denen die Europäische Union beruht.

Die Chancen darauf liegen bei null. Juristisch gesehen blieben dann die derzeitigen europäischen Asylregeln für die Niederlande verbindlich. Das gälte auch dann, wenn die Niederlande tatsächlich, wie vor einem Monat angedacht, den Ausnahmezustand ausrufen sollten. Dieser Ausnahmezustand würde es nur ermöglichen, am niederländischen Parlament vorbei die Asylregeln zu verschärfen. Auf das Verhältnis zur EU und die Verpflichtungen der Niederlande aus den europäischen Verträgen hätte ein innenpolitischer Notstand keine Auswirkungen. Ganz abgesehen davon müssten vier Koalitionsparteien, der König und das Verfassungsgericht bei diesem Ausnahmezustand mitspielen.

Schweden: Nettoauswanderung im EU-Rahmen

Schwedens Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard verkündete im April dieses Jahres stolz: Schweden hat so wenige Asylanträge wie seit 1997 nicht mehr und zum ersten Mal seit 50 Jahren Nettoauswanderung. In Schweden herrscht zurzeit eine ähnliche Situation wie vor einem halben Jahrzehnt noch in Dänemark. Eine liberalkonservative Regierung unter dem Ministerpräsidenten Ulf Kristersson, dessen Partei tatsächlich den Namen Moderata Samlingspartiet (Moderate Sammlungspartei) trägt, wird von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten gestützt.

Das Programm der neuen Migrationspolitik klingt wie ein Wunschzettel an Remigrationsmaßnahmen: von strengerer Asylgesetzgebung über polizeiliche Maßnahmen gegen die Schattengesellschaft der Illegalen, inklusive Aufnahme biometrischer Daten, bis zu den wirklich heißen Eisen wie Entzug von Aufenthaltsgenehmigungen und Beschränkung des Familiennachzugs. Die immer wiederkehrende Formel: Den Migranten nur das Mindeste dessen zugestehen, was man ihnen nach den Vorgaben der Europäischen Union nicht verweigern darf. Das ist ein grundsätzlich anderer Ansatz als der der Niederlande oder auch Ungarns, die sich direkt gegen die EU stellen.

Damit sind die Schweden im vergangenen Jahr offenbar recht erfolgreich gefahren. Auch wenn sich darüber spekulieren lässt, dass dies hauptsächlich daran liegt, dass andere EU-Länder jetzt bessere Asylbedingungen anbieten und die Asylbewerber deshalb lieber in diese Länder ziehen. Das würde den Erfolg des schwedischen Modells „so wenig wie nach EU-Regeln möglich“ erfordern, dass es andere Länder gibt, die im Vergleich dazu mehr bieten.

Eine Nettoauswanderung von 5.000 Menschen in einem Jahr wird anderthalb Jahrzehnte mit einer Nettoeinwanderung zwischen 50.000 und 100.000 im Jahr auch so schnell nicht umkehren. Aber es ist eine entscheidende Trendwende, wenn es denn anhält. Man wird sehen müssen, was in den nächsten Jahren passiert. Schwedens politischer Vorreiter Dänemark jedoch, das muss man anmerken, hatte ein ähnliches negatives Wanderungssaldo im Jahr 2019, nur damit dieses Wanderungssaldo im Jahr 2022 auf bisher unbekannte 58.000 nach oben schoss. Da steckt natürlich die Ukraine-Krise mit drin, aber schon 2021 war man wieder bei 19.000 Nettozuwanderern. Zahlen, die auf die schwedische Einwohnerzahl hochgerechnet immerhin 33.000 entsprächen.

Schweden scheint zur gegenwärtigen Zeit jedenfalls dasjenige Land zu sein, das am ehesten demonstrieren wird, dass eine friedliche und legale Remigration entgegen den Kritikern doch funktioniert. Ein solches Beispiel wäre für ganz Europa von unbezahlbarem Wert.

Ungarn: Vorzeigeland der Einwanderungskritik

Viktor Orbáns Ungarn gilt unter Einwanderungskritikern als Vorzeigeland schlechthin. In einer Hinsicht stimmt das auf jeden Fall: beim Asyl. Seit Jahren zahlt Orban lieber Millionenstrafen an die EU, anstatt Asylanten aufzunehmen. Im Juli 2024 verzeichnete Ungarn ganze fünf Asylneuanträge. Die Zahl der ausreisepflichtigen Nicht-EU-Ausländer lag 2023 bei 6.680. Etwas anders sieht es bei der Einwanderung insgesamt aus: Der Wanderungssaldo wächst tendenziell seit zwei Jahrzehnten und verzeichnete im Jahr 2022 ein Plus von 58.000. Das sind schwedische Werte vor der großen Asylkrise 2015, aber zu einer Zeit, als Schweden schon als Problemeinwanderungsland galt. Doch während in Schweden heute (Stand 2023) 8,12 Prozent ausländische Staatsangehörige leben, davon 5,09 Prozentpunkte Nicht-EU-Ausländer, sind nur 2,35 Prozent der Bewohner Ungarns fremde Staatsbürger, davon ganze 1,48 Prozentpunkte nicht aus Staaten der Europäischen Union. Auch in Ungarn wuchsen die Ausländerzahlen während der letzten beiden Jahrzehnte im allgemeinen europäischen Trend, doch auf einem viel niedrigeren Niveau. Sollte sich dieser Trend europaweit umkehren, dann wird Ungarn fast ohne Schaden aus dem Zeitalter der Massenmigration hervorgehen.


Die Zukunft ist ungewiss, aber ein Trend ist erkennbar

Das Schicksal derjenigen Länder, die über Jahrzehnte Masseneinwanderung zugelassen haben, ist da ungewisser. Die öffentliche Meinung richtet sich angesichts der unübersehbaren Schäden immer stärker gegen Einwanderung und es sind überall Parteien vorhanden, die für sich beanspruchen, diesen Volkswillen gegen das migrationssüchtige Establishment durchzusetzen. Wo immer solche Parteien in die Verantwortung kommen, braucht es umsetzbare Pläne.

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