Im Europäischen Parlament ist der Haushalt geplatzt und die Brandmauer bröckelt. Was passiert da in einem Parlament mit drei rechten Fraktionen? Wir haben mit der EU-Abgeordneten Irmhild Boßdorf (AfD) darüber gesprochen.
Heimatkurier: Sehr geehrte Frau Boßdorf, die linken Parteien im Europäischen Parlament haben den Haushaltsentwurf platzen lassen, nachdem Ihre Fraktion (ESN, Europa der Souveränen Nationen) einen Änderungsantrag zur Finanzierung von Grenzschutz durchgesetzt hat. Für viele Bürger ist das sicherlich etwas verwirrend. Wie kann das sein, dass der Antrag erst angenommen, aber dann der ganze Haushalt abgelehnt wird?
Irmhild Boßdorf: Alle Änderungsanträge werden einzeln abgestimmt. Erst am Ende erfolgt dann das Gesamtvotum. Das ist auch hier passiert. Weil zwei unserer Anträge angenommen wurden, haben die Linken in Gänze abgelehnt.
Zum Verständnis: Dann müssen Abgeordnete, die zuerst für die Änderungsanträge gestimmt haben, später gegen das Gesamtvotum gestimmt haben. Ist das richtig?
Nicht ganz: Abgeordnete der EVP (Europäische Volkspartei, CDU/CSU gehört dazu), EKR (Europäische Konservative und Reformer, Meloni) und PfE (Patrioten für Europa, Le Pen und Orbán) werden mit uns gestimmt haben, aber die Linken – mit denen die EVP oft abstimmt – haben dann den Gesamthaushalt scheitern lassen. Womit die EVP vermutlich nicht gerechnet hat.
Ganz eindeutig war die Zustimmung zu unseren Anträgen auch als Signal an die anderen Parteien zu verstehen: Hier ändert sich etwas. Die Zustimmung der EVP zu unseren Anträgen wollen diese sicher auch honoriert bekommen, nämlich dann, wenn es um die Wahl von EVP-Kommissaren gehen wird.
Es ist aber schon jetzt auch in meinen Ausschüssen „Regionale Wirtschaft“ und „Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter“ (der immer links war) erkennbar, dass sich die Mehrheiten ändern und wir punktuell Anträge und Anfragen durchbekommen. Es herrscht auch ein guter Austausch mit EKR und PfE.
Die erfolgreichen Änderungsanträge der ESN-Fraktion wurden in der deutschen Presse als Fall der Brandmauer zur CDU/CSU aufgefasst. Inwiefern stimmt das? Gab es auf europäischer Ebene zwischen den Fraktionen überhaupt so eine Brandmauer? Der Umgang mit rechten Parteien ist in den einzelnen europäischen Ländern ja durchaus unterschiedlich.
Diese Brandmauer hat es gegeben. Wir haben aber durch die Tatsache, dass es drei rechtskonservative Fraktionen gibt, den Vorteil, dass die Fraktion der EVP, die mit uns (noch) nicht zusammenarbeitet, dies aber mit der EKR tut. Diese wiederum pflegen zu uns einen guten Kontakt.
Glauben Sie, dass sich dieses Bröckeln der Brandmauer auch auf die bundesdeutsche Politik auswirken wird, oder ist Brüssel da dann doch eine eigene Blase und ob Unionsabgeordnete in Europa mit der AfD stimmen, ist in Berlin nicht relevant?
Die Brandmauern werden sich auf Dauer nicht aufrechterhalten lassen. Wir sehen das zurzeit in Flandern (Ranst und Ninove), den Niederlanden und Österreich, auch in einigen östlichen Bundesländern bereits. Wir haben aber in Europa den Vorteil, dass es drei rechte Fraktionen gibt. Das erleichtert den Christdemokraten die Zusammenarbeit. Ich glaube, dass im Osten Deutschlands die Brandmauern nicht mehr lange halten werden, auch weil sich das BSW jetzt schon entzaubert.
Der EVP-Fraktion wird nun der Vorwurf gemacht – und zwar sowohl aus dem Lager der Sozialdemokraten als auch von Emmanuel Macron –, dass sie mit der Unterstützung dieser Änderungsanträge den „Deal“ gebrochen habe, aufgrund dessen Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin gewählt wurde. Wie stark schätzen Sie den Druck ein, der jetzt von der anderen Seite auf die EVP ausgeübt wird?
Sicher wird es Druck geben, aber die EVP hat erkannt, dass der Wind in Europa sich gedreht hat. Wir hatten das Thema z. B. in FEMM, als den Linken erklärt wurde, sie müssten anerkennen, dass es keine feministische Außenpolitik mehr gebe und auf Nachfrage dann, nein, es gebe auch keine Gender-Außenpolitik.
Dann danken wir Ihnen für Ihre Zeit und wünschen Ihnen weiter alles Gute für Ihre Arbeit im Europäischen Parlament.