Eine Rudischwalbe macht noch keinen Remigrationssommer

Rudi Fußi hat sich einen Ruf als enfant terrible der österreichischen Sozialdemokratie aufgebaut. Er wittert jeden Tabubruch, der bald Mainstream wird. – Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen.

Rudi Fußi wäre gerne Vorsitzender anstelle des Vorsitzenden. Der Herausforderer des derzeitigen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler ist einer jener politischen Außenseiter, wie sie die Gesellschaft des medialen Spektakels eben hervorbringt. Fußi hat einen feinen Riecher für diejenigen Tabubrüche, die bald Mainstream werden.

Das ist das Geheimrezept hinter jedem, der von der quatschenden Klasse als enfant terrible von Sendung zu Sendung durchgereicht wird, um die schwächelnden Einschaltquoten mit etwas Würze wieder munter zu machen. Fußi ist es dabei auch egal, in welche Richtung das Tabu liegt. Hauptsache: Es ist gerade eben noch ein Tabu, wird es aber absehbar bald nicht mehr sein.

Während der Coronazeit gehörte er zu den frühen Scharfmachern und forderte die Impfpflicht. Das war damals der Trend, an dessen Spitze sich der Medienunternehmer zu inszenieren wusste. Und darum geht es ihm: Er will immer derjenige sein, der das, was in einem halben Jahr die Mehrheitsmeinung sein wird, jetzt schon sagt. So läuft das Geschäft des mainstreamkompatiblen Tabubrechers. Fußi ist eine politische Wetterfahne, die immer mit dem Wind geht, aber er ist eine sehr sensible Wetterfahne und so schlägt er schon vor allen anderen in die neue Richtung aus und kann sich so als mutiger Vorreiter ausgeben.

Und inzwischen weht der Wind sehr kräftig aus der rechten Richtung. Fußi hat das bemerkt. Nicht nur hat er sich öffentlich für seine Haltung in der Coronazeit entschuldigt und sich dabei, nebenbei, selbst als Impfopfer bezeichnet. Nein, für seinen Kampf gegen Babler inszeniert er sich als die patriotische Alternative innerhalb der Sozialdemokratie.

„Mir liegt nichts mehr am Herzen als meine Heimat. Ich bin in der Steiermark aufgewachsen, ich lebe jetzt in Wien und im Waldviertel und ich liebe jeden einzelnen Winkel unseres Landes.“

Das ist der neue Rudi Fußi, der auch die Gedenktafel für Josef Stalin in Wien entfernen will, die an dem Haus hängt, in dem Stalin eine Zeit lang gewohnt hat. Ein Schelm, wer darin eine Spitze gegen den sich selbst zum Marxismus bekennenden Andreas Babler sieht. Selbst die heilige Kuh der Massenmigration wird zwar nicht gleich geschlachtet, aber doch für die nächsten zehn Jahre auf Trockenfutter gesetzt: Nur noch 5.000 pro Jahr, ausgewählt vom UNO-Flüchtlingshilfswerk, will Fußi in dieser Zeit aufnehmen. Wer schon da ist, soll natürlich unter Milliardenaufwand integriert werden. Aber immerhin will er die Neuösterreicher zur Arbeit anhalten und spricht damit eines der brennenden Themen an: dass vor allem kinderreiche Ausländerfamilien in Österreich oft besser von Sozialhilfe leben, als wenn sie arbeiten würden.

Doch auch Fußis Sinneswandel hat offenbar Grenzen, oder besser: Manchmal verheddert sich der flexible Medienmensch eben doch in den Fangseilen der politischen Sprech- und Denkverbote.
Die Polizei Wien hatte eine geplante Demonstration der Identitären Bewegung Österreich am 30. November verboten. Die Begründung: Das „Recht auf Erwerbsfreiheit der Betriebe der Wiener Einkaufsstraßen und das Interesse der Allgemeinheit am unbeeinträchtigten Verkehrsfluss“ sei wichtiger als die Versammlungsfreiheit. Einen fadenscheinigeren Vorwand, um jede, aber auch jede ungenehme Kundgebung zu verbieten, lässt sich gar nicht ausdenken.

Fußi hatte davon kaum gehört, da kritisierte er das auch schon: „In einer Demokratie ist das Demonstrationsrecht heilig. Egal, ob man für oder gegen etwas auf die Straße geht. Warum soll man nicht gegen oder für Kickl auf die Straße gehen dürfen? Es dürfen sogar ‚Queers for Palestine‘ demonstrieren oder Identitäre. Verstehe das Vorgehen der Behörden in keinster Weise. Halten wir andere Meinungen aus oder nicht?“

Nur wurde er kurz darauf darüber aufgeklärt, dass eben genau diese Identitären die Veranstalter der verbotenen Demonstration sind. Da war dann auf einmal die Grenze „unserer Demokratie“ erreicht: „Nachtrag: Natürlich sollten ‚Queers for Palestine‘ und Identitäre NICHT demonstrieren dürfen, sondern hart bestraft werden, weil staatsfeindlich.“

Identitäre und „Queers for Palestine“, das ist eine sehr merkwürdige Kombination von Staatsfeinden, die da in Fußis Kopf herumgeistert. Aber gemeinsam haben beide zumindest, dass sie nicht verboten sind und daher auch die Versammlungsfreiheit genießen. Rudi Fußi zeigt den politischen Klimawandel an, und der ist noch nicht bei den Identitären angekommen, auch wenn die Richtung stimmt. Eine Rudischwalbe macht nun mal noch keinen Remigrationssommer.

Doch sollte uns Fußis Interpretation der Grundrechte nicht zu sehr bekümmern, selbst dann nicht, wenn er SPÖ-Vorsitzender werden sollte. Fußi zeigt, woher der Wind weht, und der weht zurzeit von rechts. Lasst uns also für einen Moment den Wind in unserem Rücken genießen, auch wenn die Wetterfahne aussieht wie … na ja, Rudi Fußi eben.

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