Polizeieinsatz für Selbstzahler

Mitte Januar, und das Bundesverfassungsgericht hat wohl schon sein gefährlichstes Fehlurteil des Jahres getroffen: Polizeieinsätze können in Zukunft Veranstaltern in Rechnung gestellt werden. Das wäre das Ende der Versammlungsfreiheit.

Wie immer, wenn ein Unrecht als Recht etabliert werden soll, trifft der Präzedenzfall jemanden, mit dem niemand Mitleid hat: in diesem Fall die Deutsche Fußball Liga GmbH. Die DFL GmbH ist der Ausrichter der Bundesligaspiele, das Gesicht der kommerziellen Seite des Profisports und dementsprechend unbeliebt.

Rechnung für ein Derby

Nun ziehen die Spiele der deutschen Bundesliga bekanntermaßen auch ein ergebnisorientiertes Publikum an. Die dadurch erforderliche polizeiliche Absicherung hat das Land Bremen zum ersten Mal im Jahr 2015 in Rechnung gestellt. Nach einem Derby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV wurden 425.000 Euro fällig. Nicht für die Hooligans, sondern für die DFL. Das Problem dabei: Die DFL richtet Fußballspiele aus, keine Ackerkämpfe und erst recht keine Schlägereien im Umkreis der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Kosten werden also jemandem in Rechnung gestellt, der sie nicht selbst verursacht hat, sondern in dessen Umfeld andere.

Den Rechtsstreit darum hat die DFL nun nach einem zehnjährigen Instanzenweg vor dem Bundesverfassungsgericht verloren. „Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Die Gefahrenvorsorge ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist“, so das Bundesverfassungsgericht.

Polizeischutz als Gebührenleistung

Das Bundesverfassungsgericht behandelt den Polizeieinsatz als eine individuell zurechenbare Leistung, für welche der Staat eine Gebühr erheben dürfe. Solche Gebühren bei individuell zurechenbaren Leistungen zahlt man etwa, wenn man sich einen neuen Reisepass ausstellen lässt.

Nur sind diese Gebühren so marginal, dass sie niemanden davon abhalten, einen Pass zu beantragen, der ihn wirklich braucht. Der viel wichtigere Unterschied ist allerdings dieser: Im Falle der polizeilichen Absicherung entscheidet ja nicht der Veranstalter über Einsatz und Umfang. Diese Entscheidung obliegt allein der Polizei, und die kann damit die Rechnung praktisch in jede beliebige Höhe treiben.

Das hat Konsequenzen für die Ausrichter von kommerziellen Großveranstaltungen, Konzerten, Sportturnieren usw. Sie gehen nun mit jeder Veranstaltung ein unkalkulierbares Risiko ein. Bei Tichys Einblick befürchtet man schon, die deutsche Polizei könne zu einer Schutzgeldtruppe degenerieren.

Das Ende der Versammlungsfreiheit?

Der größte Sprengsatz dieses Urteils ist aber ein politischer: Was ist mit einer Demonstration? Was mit einem Parteitag? Die Ausrichter politischer Kundgebungen und Versammlungen können, anders als die DFL, keine halbe Million für die Absicherung einer Demo gegenüber gewalttätiger Antifa zahlen. Die allermeisten wären nach einem einzigen Polizeieinsatz ruiniert.

Formell betrachtet gestattet das derzeitige Urteil einen Eingriff in die Berufsfreiheit – auf dieser Basis hatte die DFL geklagt. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass das derzeitige Bundesverfassungsgericht auch die Versammlungsfreiheit den Eingriff für „verfassungsrechtlich gerechtfertigt“ erklärt. Erfahren wird der Veranstalter das erst hinterher, wenn die Rechnung ins Haus flattert.

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