Nach Ausschluss: Kritik an Parteiführung und Solidarität mit Krah

Trotz des Wahlsieges am Sonntag waren die letzten Tage für die AfD äußerst turbulent. Der Ausschluss des Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der EU-Delegation hat sich bereits jetzt als Bumerang erwiesen: neben heftiger Kritik an der Parteiführung und dem neuen Delegationsleiter René Aust gibt es inner- und außerhalb der Partei zahlreiche Solidaritätsbekundungen mit Krah.

„Die ID-Fraktion will die AfD vorerst nicht wieder aufnehmen – trotz des Ausschlusses von Maximilian Krah aus der Delegation.“ Spätestens mit dieser Meldung gestern Abend entpuppte sich der am Montag beschlossene Ausschluss von Spitzenkandidaten Maximilian Krah (AfD) aus der neu gebildeten AfD-EU-Delegation unter Führung von René Aust als Bumerang. Bereits zuvor kam es zu heftiger Kritik an den Verantwortlichen und zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit Krah.

Alte Bekannte

Verantwortlich für den Ausschluss dürften maßgeblich die Parteiführung rund um Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie entsprechende Netzwerke aus den Landesverbänden NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen sein. Den Antrag zum Ausschluss hat Hans Neuhoff gestellt, der sich auch für das Parteiausschlussverfahren gegen Matthias Helferich verantwortlich zeigt. Der Grund? Offiziell wolle man damit die Verhandlungsposition gegenüber Le Pen und der ID-Fraktion stärken, inoffiziell dürften darüber hinaus schon länger schwelende parteiinterne Auseinandersetzung ausschlaggebend gewesen sein.

Kritik an René Aust

Der aus aus Thüringen stammende und bislang eigentlich als zuverlässig geltende René Aust ließ sich für das Manöver als neuer Leiter der EU-Delegation einspannen – und musste das prompt mit einer heftigen Welle der Kritik büßen: „René Aust ist ein Verräter!“ lautete der gängigste Vorwurf in den sozialen Medien. Das lag nicht zuletzt an einer Pressekonferenz, in der Aust etwas unbeholfen den Erfolg von Krah in den sozialen Medien zu schmälern versuchte. Eine für gestern anberaumte Stellungnahme zog Aust kurz davor wieder zurück – von vielen Nutzern als Schwäche und klammheimliches Eingeständnis interpretiert.

„Vors Loch schieben lassen“

Götz Kubitschek, ein enger Vertrauter von Björn Höcke, ordnet das für viele Beobachter rätselhafte Verhalten von Aust folgendermaßen ein: „Irritierend an Aust ist seine inhaltliche Nähe zu den grundsätzlichen Positionen seines Landeschefs Höcke – und damit zu den Positionen derer, die Krah unterstützen. Was also ritt ihn? In der Partei kursiert der Spruch, er habe sich ‚vors Loch schieben lassen‘. Das bedeutet nichts anderes, als daß er nun Hosen trage, die ihm zu groß sind und von denen nur diejenigen sagen, er sähe toll darin aus, die ihn genau dort haben wollen, wo er jetzt steht: an der Stelle, an der einer stand, den man als Konkurrenten wahrnahm und weghaben will.“

Aufstand in den sozialen Medien

Tatsächlich hat der Ausschluss von Maximilian Krah aus der EU-Delegation für einen bislang ungeahnten Aufstand von Parteibasis und Vorfeld geführt, der sich vor allem auf X und anderen sozialen Medien entladen hat. Das Absägen von Krah, der durch seine rhetorischen Fähigkeiten und intensive Werbekampagne in den sozialen Medien wohl wesentlich für das starke Abschneiden der AfD bei jungen Wählergruppen verantwortlich ist, wurde als Verrat und versuchter Anpassungskurs an Le Pen und Meloni interpretiert. Statt deutsche Interessen konsequent in Brüssel zu vertreten, würde man nun bei Frankreich um Eintritt in die ID-Fraktion betteln, so der Tenor.

Solidarisierung innerhalb der Partei

Doch nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Partei kam es rasch zu lautstarker Kritik an den Verantwortlichen. Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban bezeichnete die Entscheidung als „falsch“ und „unprofessionell“ und hob den Verdienst Krahs bei der Werbung von Jungwählern hervor. Die AfD Bayern unter Dr. Rainer Rothfuss erklärte sich solidarisch und reagierte mit einer Resolution („Mut zu Deutschland“) für den kommenden Bundesparteitag – ein Auszug: „Die Alternative für Deutschland versteht, dass auf Lügen und Verdächtigungen basierende Schmutzkampagnen gegen ihre von der Parteibasis gewählten Spitzenkandidaten – aufgrund fehlender Gegenargumente – die einzig verbliebene, demokratiefeindliche Waffe sind, um dem Ruf der gesamten Partei zu schaden und uns innerparteilich zu spalten.“

Petition für Krah

Darüber hinaus meldeten sich zahlreiche Funktionäre in den sozialen Medien kritisch zu Wort. Vier namhafte alternative Medien – JouWatch, Compact, PiNews und der Deutschlandkurier – lancierten unter dem Titel „Max Krah muss Mitglied der AfD-Delegation im EU-Parlament sein!“ zudem eine Petition. Dort heißt es unter anderem: „Maximilian Krah stand auf Platz 1 der AfD-Wahlliste. Über sechs Millionen Wähler haben diese Liste mit seinem Namen angekreuzt. Seine nachträgliche Entfernung aus der Delegation grenzt an Wählerbetrug. […] Die großen Verdienste von Maximilian Krah überwiegen bei Weitem kleinere Fehler, die jedem passieren können. Er hat durch seine charismatische Internetpräsenz die AfD bei Jungwählern zur ersten Kraft gemacht!“

Kurzsichtigkeit der Parteiführung

Die enorme Welle an Kritik aus Vorfeld und Basis sowie die deutliche Abfuhr durch den Rassemblement National – der nach den Wahlen die bestimmende Kraft in der ID-Fraktion ist und sich aktuell mit einem nationalen Ausnahmezustand konfrontiert sieht – demonstrieren abermals die Kurzsichtigkeit der aktuellen Parteiführung. Hat man tatsächlich geglaubt, den eigenen Spitzenkandidaten nur einen Tag nach der Wahl ohne jegliche Gegenreaktionen derart unverfroren abservieren zu können – und damit auf europäischer Ebene plötzlich wieder legitimiert zu sein? Die Wähler der AfD wollen eine Partei, die dediziert anders ist als die Altparteien. Die Führung rund um Weidel und Chrupalla sowie ihre Erfüllungsgehilfen täten gut daran, das möglichst rasch zu erkennen und zu verinnerlichen.

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