Jetzt ist es offiziell: am Rande einer Wahlkampfveranstaltung hat Marine Le Pen ausgerechnet Giorgia Meloni ein Angebot zur Bildung einer gemeinsamen Fraktion auf EU-Ebene unterbreitet: „Jetzt ist es an der Zeit, sich zu vereinen […] Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweitstärkste Fraktion werden.“ Das rückt auch den kürzlich erfolgten Angriff auf die AfD und Maximilian Krah in ein neues Licht.
Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung im französischen Lillers trat Marine Le Pen vor die Presse und beantwortete dabei auch Fragen zum Thema Europa. Auf die Frage der italienischen Zeitung Corriere nach einer Botschaft für Meloni antwortete sie: „Ich denke, sie und ich sind uns in den wesentlichen Fragen einig, und eine davon ist die Rückeroberung der Kontrolle über unsere jeweiligen Länder. […] Aber jetzt ist es an der Zeit, sich zu vereinen, das würde wirklich helfen. Wenn wir Erfolg haben, können wir die zweitstärkste Fraktion im Europäischen Parlament werden. Ich denke, eine solche Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen.“
Meloni zeigt sich offen
Eine Antwort mit Brisanz, die es nicht ohne Grund prompt zur Schlagzeile des führenden Politikblattes Politico brachte. Meloni äußerte sich gegenüber italienischen Medien zu diesem Angebot durchaus aufgeschlossen und betonte, dass sie bezüglich der Zusammenarbeit mit anderen Kräften – abgesehen von der politischen Linken – keine „roten Linien“ kenne. Weiters sagte sie: „Mein Hauptziel ist es, eine alternative Mehrheit zu derjenigen aufzubauen, die in den letzten Jahren regiert hat. Eine Mitte-Rechts-Mehrheit – mit anderen Worten – die die Linke in Europa in die Opposition schickt.“
Angriff auf Krah
Mit dieser erstmals offiziellen Annäherung erscheint der kaum verhohlene Angriff Le Pens auf die AfD und ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah in einem anderen Licht. Sie gibt all jenen Recht, die dahinter eine Eliminierung der deutschen Rechtspartei als potenzielles Hindernis für eine große Mitte-Rechts-Koalition nach den bevorstehenden Wahlen vermuteten. Offiziell bestreitet Le Pen das zwar, doch auch der Politicon erkennt: „Der Verlust der AfD hat der ID zwar einen Dämpfer verpasst, aber für Le Pen hat er Türen geöffnet.“
Annäherung an den Mainstream
Eine Kooperation mit Meloni könnte sich laut Politico sogar als doppelter Gewinn für Le Pen erweisen: „Sie würde eine starke Wählergruppe aufbauen, von der aus sie Einfluss auf die europäische Agenda nehmen könnte, und ihre Partei in den Augen der Öffentlichkeit mehr in den rechten Mainstream bringen, etwas, das Le Pen vor den Wahlen in Frankreich 2027 anstrebt.“ Damit ist die Motivlage von Le Pen für ihre Lossagung von der AfD eindeutig: möglicher Machtzuwachs auf europäischer Ebene und Vorbereitung für den Präsidentschaftswahlkampf. 2027 französische Präsidentin zu werden ist bekanntlich nicht nur ihr politisches, sondern auch persönliches Lebensziel, dem sie alles andere gewissenlos unterordnet.