Der wichtigste Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP ist die Europapolitik. Um ihre Politik durchzusetzen, will die ÖVP die Europapolitik vom Kanzleramt ins Außenministerium holen, obwohl sie selbst sie 2017 ins Kanzleramt gebracht hat.
In der ÖVP/FPÖ-Koalition unter Sebastian Kurz erhielt die FPÖ seinerzeit das Außenministerium. Das machte in der ÖVP so manchem Sorgen, denn in der Europapolitik könnten die Ansichten beider Parteien nicht weiter voneinander entfernt liegen. Die ÖVP befürwortet eine weitere Integration auf Ebene der EU, während die FPÖ mehr Souveränitätsrechte zurückholen möchte.
Streit um den Himmelsschild
Aktuell manifestiert sich diese Differenz an der Frage, ob Österreich sich an der Initiative „Sky Shield“, einem Programm für eine gemeinsame Luftverteidigung, beteiligen soll. Die FPÖ sieht darin eine Aushöhlung der österreichischen Neutralität, eventuell sogar einen „NATO-Beitritt durch die Hintertür“.
Seit 2017 ist Europapolitik im Kanzleramt
Doch formell handelt es sich hierbei um ein europäisches Projekt, und für die Europapolitik ist seit dem Jahr 2017 das Kanzleramt zuständig. Dies hatte nicht zuletzt der Mann zu verantworten, der derzeit Bundeskanzler und Außenminister in Personalunion ist: Alexander Schallenberg. Mit der Verlagerung ins Kanzleramt entzog die ÖVP in der damaligen Koalition unter Sebastian Kurz der von der FPÖ gestellten Außenministerin Karin Kneissl dieses Politikfeld.
Politik ist und bleibt Personalpolitik
Nun hat sich die Lage geändert: Die Volkspartei will die Europapolitik ins Außenministerium zurückholen, offenbar aus genau demselben Grund: um dieses Feld der FPÖ zu entziehen und den bisherigen europapolitischen Konsens gegen Veränderungen abzusichern. Ob es für die Freiheitlichen sinnvoll ist, diese Position zu opfern, um anderswo Zugeständnisse zu erhalten, ist eine offene Frage. Die ganze Episode beweist aber wieder einmal eines: Die Grundlinien jeder Politik werden durch die Personalpolitik gezogen.